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Von Berlin nach Paris und umgekehrt

MITARBEITERAUSTAUSCH Ein Kooperationsprojekt der Verwaltungen des Bundestages und der Assemblée nationale

02.01.2013
2023-08-30T12:23:50.7200Z
4 Min

Die Latte liegt hoch. Das sagt Caroline Maß, die Juristin, die in der Bundestagsverwaltung arbeitet, nicht direkt. Aber man hört es heraus, wenn sie erzählt, was man können muss, um für den Mitarbeiteraustausch zwischen den Verwaltungen des Bundestages und der Assemblée nationale in Frankreich in Betracht zu kommen. Das Programm, das es seit 2003 gibt, dient dazu, die Arbeitsweisen der jeweils anderen Verwaltung kennenzulernen und die Zusammenarbeit der beiden Verwaltungen zu erleichtern. Ausgetauscht wird jeweils ein Mitarbeiter mit akademischer Ausbildung, also ein Angehöriger des sogenannten Höheren Dienstes. "Natürlich wird erwartet, dass man mitarbeiten kann", sagt Maß. Das geht nur mit ausgezeichneten Sprachkenntnissen. Caroline Maß, die von Juni 2008 bis Mai 2009 in Paris war, ist als Schülerin ein halbes Jahr in Frankreich gewesen und hat einen französischen Hochschulabschluss. Auch ihr Gegenpart, Edouard Michel, heute Verbindungsbeamter der französischen Nationalversammlung bei der Europäischen Union, konnte schon sehr gut Deutsch. Er stammt aus dem grenznahen Lothringen und hatte in der Schule Deutsch als erste Fremdsprache. In der Bundestagsverwaltung arbeitete er von Oktober 2007 bis Juni 2009.

Du und Sie

Wie unterschiedlich die beiden Verwaltungen "ticken", ist Maß ebenso wie Michel nach kurzer Zeit aufgefallen. "Ich bin sofort in meinem engeren Umfeld mit dem Vornamen und auch gleich mit 'Du' angesprochen worden", berichtet die Deutsche, "selbst meine direkten Vorgesetzten habe ich geduzt." Sie fand das erstaunlich, weil doch "in Frankreich allgemein sehr viel mehr gesiezt wird als in Deutschland". Der Franzose empfand umgekehrt die Umgangsformen in der Bundestagsverwaltung als recht förmlich. Für ihn war es ungewohnt, dass hier nicht nur die Vorgesetzten mit Sie angesprochen werden, sondern dass sich teilweise auch die Mitarbeiter siezen. Im Allgemeinen gingen die Deutschen doch sehr viel unkomplizierter und "moderner" miteinander um als die Franzosen, stellt Michel immer noch mit Verwunderung fest.

Schaut man näher hin, erkennt man mögliche Ursachen für solche Unterschiede. Die Verwaltung der Assemblée ist eher klein. Sie hat gemäß eigenem Statut höchstens 1.349 Mitarbeiter, davon gehören zurzeit 174 zum Höheren Dienst. Viele von ihnen kennen sich seit dem Studium. Denn die Mehrzahl von ihnen hat einen Uni-Abschluss des renommierten Institut d'Etudes Politiques in Paris. Am Ende führt der Weg in die Verwaltung über den sogenannten Concours, eine schwierige Aufnahmeprüfung. In der Verwaltung herrscht daher ein gewisser Korpsgeist. Das schafft eine Nähe, die sich auch in den Umgangsformen ausdrückt.

Im Vergleich zur Verwaltung der Assemblée nationale hat der Bundestag einen sehr großen Verwaltungsapparat mit insgesamt 2.900 Mitarbeitern, davon allein rund 500 im Höheren Dienst. Letztere haben auch ganz unterschiedliche Uni-Abschlüsse. Neben vielen Juristen gibt es auch Politologen, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler oder Historiker.

Andere Arbeitsweise

Die Unterschiede zwischen den Verwaltungen beschränken sich nicht auf die Umgangsformen. Caroline Maß musste sich auch in die Arbeitsweise der französischen Parlamentsverwaltung erst einfinden. "Es gibt natürlich Zuständigkeiten, die zu beachten sind, aber insgesamt geht es informeller zu als bei uns", sagt Maß. Wenn man ein fachliches Anliegen habe, dann könne man auch beim Unterabteilungsleiter mal ins Zimmer "reinmarschieren". "In der Bundestagsverwaltung würde ich das nicht machen", ist sich Maß sicher. Zum Selbstverständnis der Parlamentsbeamten gehört auch, immer verfügbar zu sein. Es ist nicht ungewöhnlich, auch nachts oder am Wochenende im Büro zu sein. "Es gibt keine vorgegebene Wochenarbeitszeit, nicht einmal einen geregelten Urlaub", berichtet Maß. Dafür ist man in der Assemblée bei der Gestaltung der Arbeitszeit flexibler als im Bundestag. Wenn wenig Arbeit anfalle, könne an einem Freitag auch mal fast das gesamte Referat spontan freimachen.

Auch in die Arbeitsabläufe der jeweils anderen Verwaltung mussten Maß und Michel sich erst einfinden. "Die Franzosen sind so ein bisschen 'Last-Minute-Menschen'", sagt Maß. Gewöhnlich dauere es recht lange, bis ein Vorhaben besprochen sei. Wenn der Termin nahe, müsse dann alles ganz schnell gehen. Dann werde auch mal ein Wochenende durchgearbeitet, um das Projekt zu realisieren. "Am Ende hat aber immer alles geklappt", erinnert sich Maß. Michel sieht diese Arbeitsweise in einem etwas anderen Licht. In der Bundestagsverwaltung gebe es für alles "Gebrauchsanweisungen", und es gehe ziemlich formell zu. Das sei zunächst befremdlich für ihn gewesen. "Dafür sind die Abläufe viel zuverlässiger", meint Michel mit Blick auf die eigene Verwaltung. Bei der Vorbereitung einer Veranstaltung im Bundestag habe sein Referat schon Wochen im voraus jedes Detail geplant. "Das war für mich erst einmal ziemlich überraschend, aber nach meiner Rückkehr nach Paris habe ich das vermisst", sagt Michel.

Und was hat Caroline Maß aus Frankreich mitgenommen? Sie schwärmt von der Offenheit der Franzosen. Als ein deutsch-französisches Parlamentariertreffen in Annecy in den französischen Alpen stattfand, durfte sie die Veranstaltung mit vorbereiten und begleiten. "Sie haben mich eigentlich gar nicht gebraucht", sagt Maß. Aber die französischen Kollegen wollten ihr als Deutscher einfach die Chance geben, dabei zu sein.