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Gelebt, nicht verwaltet

VON JÖRG BIALLAS

25.03.2013
2023-08-30T12:23:56.7200Z
2 Min

Wenn Geschichte spannend dargestellt wird, kann sie die Massen durchaus faszinieren. Zuletzt war das bei dem TV-Weltkriegsepos "Unsere Mütter, unsere Väter" zu besichtigen. Millionen verfolgten die Trilogie an den Bildschirmen. In den Zeitungen wurden vom Boulevard bis zum seriösen Feuilleton Drehbuch und Aufführung manchmal kritisch, manchmal lobend verhandelt. Leicht vorstellbar, dass die Sendungen Anlass geboten haben, in Familien generationenübergreifend über das Leben in der Nazi-Diktatur mit all seinen furchtbaren Auswüchsen zu sprechen. Die Vermittlung historischer Erkenntnisse aus den Erzählungen der Altvordern wird in aller Regel einen nachhaltigeren Effekt zeitigen als etwa Schulunterricht.

Auch das Leben in der zweiten deutschen Diktatur ist für die nachwachsende Generation eine Episode der Geschichte. Heutige junge Menschen sind in die Einheit hineingeboren worden. Für sie ist die Deutsche Demokratische Republik emotional so weit weg wie die Weimarer Republik. Entsprechend rudimentär sind meist leider auch die historischen Kenntnisse. Allein deshalb ist es wichtig, dass die Erinnerungskultur über das Leben in der DDR fester Bestandteil des öffentlichen Bewusstseins bleibt.

Aufarbeitung darf nicht vorrangig verwaltet werden, darf nicht Selbstzweck sein. Sie muss gelebt werden. Zum Beispiel in den ostdeutschen Kommunen. Dort vollzieht sich gerade ein Generationenwechsel der besonderen Art. Vielerorts gehen die Macher der ersten Stunde aus den Rathäusern, Stadtwerken, Hochschulen oder der privaten Wirtschaft in den Ruhestand. Menschen aus Ost und West, denen es etwas bedeutet hat, an exponierter Stelle das geschundene Land wieder aufzubauen. Viele von ihnen haben Großes vollbracht, auch weil sie um die moralische Verpflichtung wussten, die das klägliche Erbe jahrzehntelanger Misswirtschaft und Unterdrückung hinterlassen hatte.

Für die Macher der nächsten Generation dürfte es emotional einerlei sein, ob sie in Dresden oder Düsseldorf, Rostock oder Regensburg, Leipzig oder Ludwigshafen leben und arbeiten. Diese Form der Unbekümmertheit ist einerseits beruhigend, weil sie Ausweis einer selbstverständlichen Zusammengehörigkeit von Ost und West ist. Andererseits ist es ausgesprochen hilfreich, gelegentlich zu reflektieren: Ohne die historische Einzigartigkeit des Mauerfalls wäre all das nicht erlebbar.