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Unter der Schmutzwolke

EU-EMISSIONSHANDEL Das Europaparlament lehnt eine Verknappung von CO2-Zertifikaten ab

22.04.2013
2023-08-30T12:23:57.7200Z
3 Min

Für Klimaschützer war es ein herber Schlag: Die Europaabgeordneten haben am Dienstag überraschend gegen eine Verknappung von CO2-Zertifikaten gestimmt. Mit nur 19 Stimmen Mehrheit lehnten die Abgeordneten in Straßburg einen Vorschlag der EU-Kommission zum sogenannten Backloading ab. Die EU-Kommission wollte 900 Millionen Handelszertifikate erst zum Ende der aktuellen Handelsperiode in den Jahren 2019 und 2020 versteigern, damit der Markt wieder Anreize für klimafreundliche Investitionen setzen kann. Aktuell ist der Preis für Kohlendioxid so niedrig, dass er kaum mehr einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Nach der Ablehnung fiel der Preis für Emissionszertifikate um 40 Prozent auf einen neuen Tiefstand von 2,63 Euro pro Tonne. Im Juli 2008 hatte der Preis mit 30 Euro pro Tonne einen Höchststand erreicht.

Schwarzer Tag

Der Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, hatte vor der Abstimmung die Bedeutung des Backloading für die Reform des Emissionshandels unterstrichen: "Es ist nicht nur für Europa bedeutend, sondern für den weltweiten Kampf gegen Klimawandel." Scheitert der Emissionshandel in Europa, ist es unwahrscheinlich, dass es je einen weltweiten Handel mit Emissionszertifikaten geben wird. Die Umweltorganisation BUND sprach von einem "schwarzen Tag für den Klimaschutz".

Die Mehrheit der Europa-Parlamentarier empfand die von der Kommission vorgeschlagene künstliche Verknappung von Zertifikaten jedoch als einen unangemessenen Eingriff in den Markt. "Man kann nicht ein marktwirtschaftliches System einführen und dann, wenn der Zertifikatepreis nicht gewissen politischen Erwartungen entspricht, durch kurzfristige Eingriffe den Preis in die Höhe treiben wollen", kritisierten der Vorsitzende der CDU-Gruppe, Herbert Reul, und der Vorsitzende der CSU-Gruppe, Markus Ferber, in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Kurzfristige Eingriffe würden das System ad absurdum führen."

Der liberale Abgeordnete Holger Krahmer sieht den Emissionshandel in seiner jetzigen Form schon als gescheitert an: "Der Versuch, das System durch punktuelle Eingriffe zu retten, ist aussichtslos." Die Vorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, hat die Kommission aufgefordert, nun "Vorschläge für eine wirkliche strukturelle Stärkung des Emissionshandels" vorzulegen. EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard wies jedoch darauf hin, dass die Abgeordneten die Entscheidung zunächst in den Umweltausschuss des Europäischen Parlaments zurückverwiesen haben. Dieser hatte ursprünglich mit knapper Mehrheit für eine vorübergehende Verknappung der Zertifikate gestimmt.

Kleine Mehrheit

Hedegaard betonte auch, dass es unter den Mitgliedstaaten der EU im Rat eine kleine Mehrheit für die Verknappung gebe. Die Bundesregierung hat allerdings noch keine Position bezogen, da sich Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) bisher nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt geeinigt haben. Rösler pocht auf Planungssicherheit für die Industrie, die vergangene Woche die Ablehnung einhellig begrüßte. "Das war ein Rückschlag für den Klimaschutz in Europa", sagte hingegen Peter Altmaier. In einem Brief mit fünf anderen Umweltministern hatte er zuvor die Abgeordneten gewarnt, dass der Emissionshandel ohne die vorgeschlagene Verknappung seinen Modellcharakter für Länder wie China verliere. Der wichtigste Grund, warum das einstige Vorzeigeprojekt der EU aktuell nicht funktioniert, ist die Rezession. Wegen der schwachen Konjunktur ist die Nachfrage nach den Verschmutzungszertifikaten gering. Schätzungen zufolge besteht aktuell ein Überangebot von knapp zwei Milliarden Zertifikaten. Umweltschutzverbände gehen davon aus, dass erst ab einem Preis von 25 Euro pro Tonne Ausstoss ein Anreiz besteht, damit Unternehmen in klimaschonende Technik investieren. Mit einer breiten Mehrheit hat sich das Europäische Parlament auch dafür ausgesprochen, den Emissionshandel im Flugverkehr für ein Jahr auszusetzen. 2008 hatte die Europäische Union beschlossen, den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen - war dabei aber auf massiven Widerstand von Staaten wie den USA, Russland und China gestoßen.