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Die Augen richten sich auf Deutschland

NATO Europa wird im Militärbündnis viel stärker gefordert sein als bisher - und damit auch Berlin

21.05.2013
2023-08-30T12:23:59.7200Z
3 Min

Der 17. März 2011 wird das Bild Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft noch eine lange Zeit prägen. In New York hatten sich an jenem Tag die Vertreter der Vereinten Nationen versammelt, für Berlin war Außenminister Guido Westerwelle (FDP) angereist. Als die UN-Resolution 1973 zur Abstimmung stand, entschied sich die Bundesregierung zur Enthaltung. Berlin stimmte nicht mit seinen traditionellen Verbündeten in EU und NATO für einen Einsatz in Libyen. "Dieses Desaster hängt uns noch immer in den Kleidern", sagt eine hoher Vertreter der Allianz in Brüssel. Neben der anfänglichen Enttäuschung sei es vor allem der Eindruck einer gewissen Unberechenbarkeit, der sich bei den Partnern festgesetzt habe.

Vorbehalte Auch das deutsche Verhalten zum Konflikt in Mali half diesen Eindruck kaum zu ändern. "Die Deutschen drücken sich", befanden französische Kommentatoren. Berlin habe stets "Vorbehalte", wenn ein militärischer Konflikt zu Entscheidungen zwingt. Dabei steckt Europa nicht nur wirtschaftlich und politisch im Umbruch, sondern auch in Hinsicht auf seine eigene Sicherheit. So wie der Euro ohne klares Bekenntnis zu einer vertieften Währungsunion keine Chance hätte, braucht auch die sicherheitspolitische Ausrichtung angesichts überall in Europas Nachbarschaft auflodernder komplexer Konflikte eine Neuorientierung.

Deutschland als mächtiges Mitglied im Club müsse Führung übernehmen, meinen die Partner. Doch während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu in der Euro-Krise bereit ist und die deutsche Forderung nach Sanierung der Staatsfinanzen bisher weitgehend durchsetzen konnte, ist auf militärischem Gebiet kein Führungsanspruch zu erkennen.

Für die deutschen Vertreter im Nato-Hauptquartier ist die Diskrepanz zwischen internationalem Image und den einhergehenden Erwartungen auf der einen Seite und Berlins tatsächlichem Eintreten auf der anderen ein täglicher, oft frustrierender Balanceakt. Um nach Libyen und Mali - wo die Bundeswehr im Rahmen der EU-Mission jetzt mit 80 Ausbildern im Einsatz ist - weiteren Flurschaden zu verhindern, setzte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) jüngst mit der Zusage ein deutliches Zeichen an die Alliierten, im Norden Afghanistans über 2014 hinaus weiter die Führungsrolle zu behalten und 800 Soldaten als Ausbilder für die lokalen Sicherheitskräfte zur Verfügung zu stellen.

In Berlin und Brüssel wird seit geraumer Zeit aber auch generell diskutiert, wie Deutschland bei militärischen Anforderungen künftig flexibler reagieren kann. Im vergangenen Sommer legten die CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff und Roderich Kiesewetter dazu ein Papier zur Reform des Parlamentvorbehalts vor, der zufolge die Regierung ein viel stärkeres Einsatzrecht bekäme. Nur so könne Deutschland und damit die EU der sicherheitspolitischen Rolle gerecht werden, die sie in der Welt spielen müssten. Dahinter steckt auch die Überlegung, dass nationale Vorbehalte kaum noch aufrecht erhalten werden können, wenn Europas Staaten militärische Fähigkeiten im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zusammenlegen und unter gemeinsame Führung stellen.

Scharfe Kritik Die Nato-Partner in Brüssel, Ankara, London oder Paris sehen solche Gedanken als Hoffnungsschimmer, zumal die Bundeswehr etwa mit Tornados und Awacs über dringend benötigte Fähigkeiten verfügt. Für Washington ist es ein längst überfälliger Ansatz. Spätestens die scharfe Kritik des Ex-US-Verteidigungsministers Robert Gates vor zwei Jahren, die Nato sei "zweigeteilt", Washington habe keine Lust mehr, für unwillige Verbündete in die Bresche zu springen, ist die Marschrichtung klar. In Zeiten knapper Kassen muss das Gewicht neu verteilt werden. Und da richten sich automatisch wieder alle Augen auf Deutschland. Klar ist aber ebenso, dass bis nach der Bundestagswahl im Herbst aus Berlin kein starkes sicherheitspolitisches Bekenntnis zu erwarten ist.