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Agentenshow mit Schminke

NSU-AUSSCHUSS Befragung eines ehemaligen V-Mann-Führers bringt keine neuen Erkenntnisse

01.07.2013
2023-08-30T12:24:02.7200Z
3 Min

Was für eine Show. Abgeschirmt saß der Ex-Geheimdienstler hinter einer spanischen Wand, das Publikum konnte keinen Blick auf den ehemaligen V-Mann-Führer des baden-württembergischen Verfassungsschutzes werfen, auch Fotografen und TV-Teams durften nicht knipsen und filmen. Zudem hat eine Maskenbildnerin die Gesichtszüge des unter dem Tarnnamen "Rainer Oettinger" auftretenden 60-Jährigen geschminkt und verfremdet. Zum Finale seiner Arbeit gab es im Untersuchungsausschuss, der Fehlgriffe und Pannen bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie durchleuchten soll, noch ein ganz spezielles Ereignis.

Eigentlich hatten die Parlamentarier aber keine Undercover-Agenten-Nummer im Sinn, als sie vergangene Woche eine Sondersitzung einberiefen. Klären wollte das Gremium vielmehr die brisante Frage, ob der Geheimdienst nach dem Heilbronner Attentat vom April 2007, bei dem die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen und ein Kollege schwer verletzt worden war, Hinweisen auf rechtsextreme Hintergründe nicht nachgegangen ist.

V-Frau "Krokus"

Nun aber machte vor allem das Versteckspiel um einen früheren Geheimdienstler Schlagzeilen. Ausgelöst hatte die Aufregung das Stuttgarter Innenministerium, das eine öffentliche Vernehmung "Oettingers" zunächst ganz verhindern wollte, da ihm der schillernde Partner der ehemaligen V-Frau "Krokus" nach dem Leben trachten könnte. Die Obleute der Fraktionen im Ausschuss sprachen von einer "grotesken Situation" und von "absurdem Staatstheater". Letztlich brachte die Befragung des Zeugen auch "keine neuen Erkenntnisse", wie der Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) bilanzierte.

Petra S. alias "Krokus" und ihr Lebensgefährte hatten Abgeordnete, Sicherheitsbehörden und Redaktionen mit Mails bombadiert, in denen sie eine explosive Mischung auftischten: "Krokus", die von 2007 bis 2011 dem Verfassungsschutz Baden-Württembergs als Informantin gedient und zuvor dem polizeilichen Staatsschutz zugearbeitet hatte, habe nach dem Attentat von Heilbronn ihren Quellenführer "Oettinger" über Verbindungen zur rechtsextremen Szene unterrichtet. Von ihrer als rechtsextrem eingestuften Friseurin habe sie erfahren, dass Rechtsextremisten über eine Krankenschwester herausfinden wollten, ob sich der damals im Koma in einer Klinik liegende Kollege Kiesewetters noch an den Anschlag erinnere. Falls dies so sei, überlege man, ob man aktiv wird. Überdies will Petra S. 2006 bei einer Fete im Kreis Schwäbisch-Hall eine "Mandy" alias Beate Zschäpe getroffen haben.

Hat der Geheimdienst beim Heilbronner Attentat, das erst seit der Enttarnung des NSU im Herbst 2011 der Terrorzelle zugerechnet wird, also eine heiße Spur verschlafen? Oettinger dementierte mit einem "klaren und eindeutigen Nein". "Nicht mal ansatzweise" habe er seinerzeit von "Krokus" eine derartige Information erhalten. Es hätte ihn "elektrisiert und fasziniert", wäre er über das Gespräch mit der Friseurin unterrichtet worden: "Ich hätte große Ohren bekommen", beteuerte der Zeuge - allein schon deshalb, weil ein Polizeikollege möglicherweise gefährdet gewesen wäre. Im Übrigen habe er mit der V-Frau erstmals im Juli 2007 gesprochen, schon von daher könnten deren Angaben nicht stimmen.

Persönlichkeitswandel

Oettinger bestätigte aber, dass Petra S. vom Verfassungsschutz als "quellenehrlich" und "zuverlässig" bewertet wurde. Allerdings sei von "Krokus", die keine Rechtsextremistin ist, "extrem wenig rübergekommen", sie habe nur über einen "unterdurchschnittlichen Zugang zur Szene" verfügt. Abgeschaltet wurde die V-Frau laut ihrem Quellenführer 2011, als ein "krasser Persönlichkeitswandel" eingetreten sei: Sie sei unter Einfluss ihres neuen Lebensgefährten geraten, sei dessen Marionette geworden. Der wiederum gilt als schillernde Figur, saß schon mal im Gefängnis, soll sich auf Zypern als Spion angeboten und versucht haben, ehemalige Soldaten als Söldner für Afrika anzuwerben. Nach Medienberichten soll er auch als Informant für die Polizei gearbeitet haben.

Im Ausschuss hält man Oettinger zwar für einen glaubwürdigen Zeugen. Die Obleute zeigten sich allerdings verwundert, warum die Polizei den Geheimdienstler aus "rechtlichen Gründen" nie befragt hat. Wäre dies geschehen, hätte man sich den Auftrieb in Berlin sparen können.