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Aufklärung unter Freunden

DATENSCHUTZ Alle Fraktionen wollen Offenlegung der amerikanischen und britischen Internetüberwachung

01.07.2013
2023-08-30T12:24:02.7200Z
4 Min

Für Ulla Jelpke von der Linksfraktion ist die Sache klar, nämlich "dass Großbritannien und die USA seit Jahren großangelegte Überwachungsangriffe und damit Angriffe auf die Persönlichkeitsrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger in aller Welt durchführen". Etwas vorsichtiger, aber nicht weniger drastisch formulierten es vergangene Woche in der Bundestagsdebatte über die "internationale Internetüberwachung" Vertreter anderer Fraktionen. Wenn die Informationen stimmten, gehe es "um die größte anlasslose Massenbespitzelung" von "wahrscheinlich" deutschen Bürgern und der deutschen Wirtschaft, sagte etwa der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast konstatierte: "Anlasslos und schwellenlos wird vermutlich alles gesammelt, was sich gerade aktuell im Netz tut". Das sei "offenbar" Realität.

Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, schickte seinem Verdikt gleich vier "Wenn" voraus: "Wenn" die Berichte des amerikanischen Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden zutreffen, "wenn" US-Geheimdienste "beliebigen Zugriff" auf Verbindungsdaten und Kommunikationsinhalte über Internetfirmen wie Google haben, "wenn" britische Dienste 200 transatlantische Glasfaserverbindungen überwachen, "wenn" die Inhalte von Millionen Telefongesprächen, Emails und Videos überwacht und gespeichert werden, "dann ist dies der umfassendste Eingriff in die Grundrechte deutscher Staatsbürger, den wir bisher erlebt haben", befand Oppermann.

"Sehr verständlich" nannte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die "Aufregung in Deutschland über Presseberichte, wonach die USA und auch die Briten angeblich flächendeckend, pauschal Inhalte von Kommunikation speichern, analysieren und ausspähen - und das Hand in Hand mit den Internetunternehmen". Die "erste und wichtigste Frage" an die USA und Großbritannien sei, was an diesem Presseberichten dran sei, sagte er. Man habe nun erste öffentliche Stellungnahmen des Chefs des US-Geheimdienstes NSA und aus Großbritannien vom Koordinator der Geheimdienste, wonach diese Berichte "zumindest so, wie sie geschrieben sind, nicht zutreffen". Auch die deutschen Niederlassungen von Internetunternehmen hätten darauf hingewiesen, dass es nach ihrer Kenntnis niemals einen flächendeckenden Zugriff auf ihre Daten gegeben habe.

Es sei auch US-Hinweisen zu verdanken, dass Deutschland in den vergangenen Jahren von großen Anschlägen verschont geblieben sei, fügte der Ressortchef hinzu. Freiheit brauche auch Sicherheit, doch dürfe das Sicherheitsstreben nicht so weit überzogen werden, "dass die Freiheit Schaden nimmt", mahnte er. Es müsse immer sichergestellt werden, dass "alles verhältnismäßig ist". Wichtig sei, dass sich in den USA und Europa Behörden und Sicherheitsdienste immer an Recht und Gesetz zu halten haben und die Parlamente die Geheimdienste kontrollieren.

Asyl für Snowden gefordert

Auf Aufklärung über die britische und US-amerikanische Datensammelpraxis pochten in der Debatte alle Fraktionen. Zugleich wiesen Vertreter der Union und der FDP Vorwürfe aus den Reihen der Opposition zurück, die Bundesregierung schütze die Rechte der Bürger nicht hinreichend.

Oppermann betonte, der "schrankenlose Zugriff" von Nachrichtendiensten auf die privaten Informationen von Bürgern sei illegal und verfassungswidrig. Die Bundesregierung habe die Pflicht, gegenüber der amerikanischen und der britischen Regierung "zu intervenieren und die Rechte deutscher Staatsbürger zu schützen". Notwendig sei eine "europäische Cybersicherheitsstrategie" sowie eine Überarbeitung der europäischen Datenschutzrichtlinie.

Jelpke forderte von der Bundesregierung "klare Ansagen", was sie tun wolle, "um die Überwachungsangriffe aus den USA und Großbritannien" abzuwehren. Die Aufgabe, die Bürger vor diesen Angriffen zu schützen, habe die Bundesregierung "sträflich vernachlässigt". Jelpke verwies zudem darauf, dass Snowden "schwerste Verfolgung durch die US-Behörden" drohe, nachdem er die "Schnüffelpraxis der USA und der Geheimdienste aufgedeckt" habe. Snowden verdiene "unsere Solidarität und unser Asyl".

Künast warf mit Blick auf Snowden die Frage auf, wie es sein könne, "dass ein Land jemanden, der nur sagt, was er arbeitet, zum meistgesuchten Menschen der Welt macht". An Friedrich gewandt fragte Künast zudem, wo seine "Aktivitäten" blieben, um "unser aller Rechte" in Deutschland zu wahren. "Wir wollen wissen, was passiert ist; wir wollen laut sagen, was rechtlich nicht geht", unterstrich Künast. Auch solle die Bundesregierung prüfen, welche rechtlichen Schritte man gegen die USA und Großbritannien unternehmen könne wie beispielsweise ein "Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung und Verletzung des europäischen Rechts".

Schulz forderte für die FDP "Aufklärung und Transparenz über diese Programme auf allen Kanälen". Darum bemühe sich die Bundesregierung, "die Briefe geschrieben hat und auf Antworten wartet". Man wolle keine inhaltlichen Details wissen, sondern, "auf welcher Rechtsgrundlage (...) diese Dinge" geschehen, welche Daten in welchem Umfang abgegriffen werden und ob Deutsche davon betroffen sind. "Unter Freunden haben wir ein Recht darauf, das zu erfahren", fügte Schulz hinzu. Diese Transparenz sei "zwingend erforderlich für eine entwickelte Demokratie".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), bescheinigte der Bundesregierung, sie habe "schnell und besonnen gehandelt" und sich um Aufklärung bemüht. Auch wäre er "vorsichtig mit schnellen, voreiligen Schlussfolgerungen". In Deutschland gebe es "klare gesetzliche Grundlagen", und wenn "andere die nicht einhalten", werde nachgefragt und "in einen kritischen Dialog eingetreten". Niemand könne angesichts der Aussagen Snowdens beruhigt sein. Vielmehr sei hier vollständige Aufklärung gefragt, die aber auch stattfinde. Die Bundesregierung werde Fragenkataloge erstellen und "gerade befreundete Staaten und Nachbarn auffordern, hier vernünftig Auskunft zu geben". Man müsse im Interesse der Bürger in Deutschland einen "kritischen bilateralen Dialog mit denjenigen führen, die all das angeblich durchgeführt haben". Dies sei Aufgabe der Bundesregierung, "und diese Aufgabe erfüllt sie hervorragend".