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Schwert mit stumpfer Klinge

EMISSIONSHANDEL SPD und Grüne scheitern mit Vorstoß, Handel mit CO2-Zertifikaten europaweit zeitweise zu begrenzen

01.07.2013
2023-08-30T12:24:02.7200Z
4 Min

Eine Woche nach seiner Ankündigung vor dem Brandenburger Tor, sich stärker für den Klimaschutz einzusetzen, zeigte sich US-Präsident Barack Obama kämpferisch:"Die Frage ist, ob wir den Mut haben zu handeln, bevor es zu spät ist" sagte Obama bei der Vorstellung der bislang ehrgeizigsten Klimainitiative der USA in der vergangenen Woche in Washington. Dabei kündigte der US-Präsident an, den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2030 um drei Milliarden Tonnen zu verringern - gut die Hälfte des jährlichen CO2-Ausstoßes des EU-Energiesektors. Neben der Begrenzung von Emissionen aus Kohlekraftwerken plant Obama unter anderem neue Standards für den Benzinverbrauch schwerer Lastwagen und Maßnahmen für eine bessere Energieeffizienz bei Haushaltsgeräten und öffentlichen Gebäuden. Diese Maßnahmen will Obama weitgehend mit Verordnungen durchbringen, denn einem neuen Klimaschutzgesetz, dessen zentraler Punkt ein Emissionshandelssystem wäre, werden bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im US-Kongress keine Chancen eingeräumt. 2009 war Obama dort mit seinem Plan für ein Klimaschutzgesetz gescheitert. Der US-Bundesstaat Kalifornien zeigte im vergangenen Jahr, dass es trotzdem funktionieren kann: Im November 2012 ließ der südliche Bundesstaat erstmals Emissionszertifikate versteigern und wurde damit zu einem der größten Emissionshandelssysteme nach dem der Europäischen Union.

Starker Preisverfall

Das System der Europäer eignet sich nach Meinung vieler Experten momentan aber nicht als Vorbild für ein funktionierendes System. So liegt der Preis der Zertifikate für CO2-Emissionen nicht bei den angestrebten 30 Euro pro Tonne, sondern im Moment werden dafür nur rund vier Euro pro Tonne bezahlt. Mit dem Ziel, den Emissionshandel zu stärken, hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen zwei Anträge (17/13193, 17/13907) eingebracht. In denen hatten sie gefordert, den Vorschlag der EU-Kommission für das sogenannte Backloading, die zeitweise Herausnahme von Zertifikaten aus dem Handel, zu unterstützen. Eine Forderung, die in der Regierung umstritten ist, weil viele Umweltpolitiker der Union sowie Umweltminister Peter Altmaier (CDU) den Vorschlag unterstützen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt Reparaturen am Emissionshandel hingegen vehement ab.

Neuer Backloading-Vorschlag

Im April hatte sich das Europäische Parlament mit knapper Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission ausgesprochen. An diesem Mittwoch steht nun ein modifizierter Vorschlag im Europaparlament erneut zur Abstimmung. Der Kompromiss sieht vor, dass bis 2016 insgesamt 900 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate zurückgehalten werden sollen. Eine Zahl, die Tina Löffelsend vom Bund für Naturschutz und Umwelt (BUND) bei einer Anhörung im Umweltausschuss in der vergangenen Woche, die sich mit der Bilanz und der zukünftigen Ausgestaltung des Emissionshandels beschäftigte, schlicht als "ungenügend" bezeichnete. Backloading könne noch Effekte erzielen, es werde aber vor allem als "politisches Signal" verstanden, sagte sie.

Felix Christian Matthes vom Öko-Institut erklärte, dass sich das Europäische Emissionshandelssystem, kurz EU ETS, "in einer tiefen Krise" befinde, weil es eine "Überausstattung" mit rund zwei Milliarden Zertifikaten gebe. Matthes, der andere Staaten bei der Einführung von Emissionshandelssystemen berät, führte dies vor allem auf zwei Gründe zurück: zum einen auf die Wirtschaftskrise, die zu einem Überschuss von rund 500 Millionen Zertifikaten geführt habe. Zum anderen sei eine große Zahl von Zertifikaten, 1, 5 Milliarden Stück, aus dem sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) zugeflossen. Industrieländer können mittels dieser CDM-Zertifikate Klimaprojekte in weniger entwickelten Staaten unterstützen. Das heißt, sie können sich die positiven Erträge aus diesen Projekten selber gutschreiben lassen.

Die zu hohe Ausstattung mit Zertifikaten ist nach Auffassung von Professor Joachim Weimann allerdings nicht das Problem des europäischen Emissionshandels. Der Professor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg machte vielmehr ein "in hohem Maße ineffizientes und schädliches Nebeneinander von Emissionshandel und Erneuerbarem-Energien-Gesetz" (EEG) für die Krise des Handelssystems verantwortlich. Er betonte, dass die Menge der Emissionsrechte eine politische Entscheidung sei, um ein ökologisches Ziel zu erreichen.

Dem widersprach Tina Löffelsand. Sie bezeichnete den Zustand des EU ETS als "dramatisch" und erklärte, dass das System nur durch Knappheit funktioniere. Es habe aber in Richtung Industrie keine "Knappheitssignale" gegeben. Sie bezweifele, dass die Industrie durch das derzeitige Emissionshandelssystem große Mehrkosten habe. "Es zahlen nur die kleinen Stromverbraucher für die CO2-Ziele", sagte sie.

Zwei-Grad-Ziel

Unter ganz anderen Gesichtspunkten bewertete Thomas Hirsch von der Organisation "Brot für die Welt" den Emissionshandel. Er stellte die Frage, ob der ETS seine Funktion als Lenkungsinstrument erfülle und eine glaubwürdige Antwort auf die Aufgabe Europas sei, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. In seiner jetzigen Form sei das System "kein gutes Beispiel zur Nachahmung", befand Hirsch. Gleichzeitig kritisierte er auch, dass Deutschland seine Vorreiterrolle eingebüßt habe. Ein Signal für eine Unterstützung des Backloading-Vorschlags wird es auch vom Bundestag nicht geben. In einer Sondersitzung des Umweltausschusses am vergangenen Donnerstag wurde die Abstimmung der Oppositionsanträge von SPD und Grünen vertagt. Es bestehe noch Beratungbedarf, erklärten CDU/CSU und FDP-Fraktion. Da es sich um die letzte Sitzung des Umweltausschusses handelte, sind die Anträge für diese Legislaturperiode damit vom Tisch.