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Kraft aus Wind und Sonne

ENERGIEWENDE Der Umbau der Energieversorgung ist eine technische und logistische Herausforderung mit großen Chancen. Kritiker bemängeln aber, dass sie zu…

15.07.2013
2023-08-30T12:24:03.7200Z
4 Min

Die Riesenwellen des Tsunamis brachten die Zäsur: Nach der Reaktorschmelze in Fukushima am 11. März 2011 entschloss sich Deutschland, seine Energieversorgung im Alleingang komplett umzubauen. Bereits am 30. Juni 2011 entschied sich der Bundestag mit großer Mehrheit für den Ausstieg aus der Atomkraft und den Umstieg auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Seitdem dominiert der Begriff Energiewende die Politik. In diesem Sommer sind zwei Jahre seit dem historischen Bundestagsbeschluss vergangen. Zu kurz, um bereits richtig Bilanz ziehen zu können. Zeit genug aber dafür, dass vehement über die Umsetzung der festgesetzten Ziele gestritten wird.

Denn die sind ambitioniert: Bereits 2022 soll das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen. 2050 soll sich der Stromverbrauch zu 80 Prozent aus erneuerbarer Energie decken und es soll nur noch halb so viel Energie benötigt werden wie im Jahr 2008. Klimaschädliche Treibhausgase sollen zudem um mindestens 80 Prozent reduziert werden.

Laufzeitverlängerung

Das sah ein halbes Jahr vor dem Reaktor-Unglück noch gänzlich anders aus. Damals setzte sich die schwarz-grüne Bundesregierung noch für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ein. Sie wollte die Atomenergie zumindest so lange fördern, bis die Versorgung über erneuerbare Energien sichergestellt ist. Dazu hielt sie die weitere Förderung von Atomkraftwerken für unabdingbar. Doch die politische Energiewende wurde vor allem auch deswegen möglich, weil bereits mit dem Stromeinspeisungsgesetz aus dem Jahr 1990 und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2000 eine Grundlage für diesen Umbau geschaffen worden war. Das EEG sichert die Einspeisung von Öko-Strom zu festen Tarifen. Die Produktions- und Technologiekosten für Erneuerbare-Energien-Anlagen sind dabei im Laufe der Jahre kontinuierlich gesunken. Dementsprechend hat die Bundesregierung die Einspeisetarife gesenkt. Das EEG wurde hierfür 2011 und 2012 angepasst. Besonders die Förderung von Solarstrom ist abgesenkt worden, damit die Photovoltaik schneller zu marktfähigen Preisen gelangen kann.

Im Dezember 2012 stellte die Bundesregierung zudem eine weitere wichtige Weiche für die Energiewende: Sie verabschiedete auf Grundlage des Netzentwicklungsplans den Bundesbedarfsplan, um das 35.000 Kilometer lange Übertragungsnetz, die Stromautobahnen Deutschlands, fit für die Energiewende zu machen. Der Netzentwicklungsplan legt fest, wo in den nächsten zehn Jahren das Stromnetz aus- und umgebaut werden muss. Danach sind bis 2022 rund 2.800 Kilometer neue Übertragungsleitungen zu errichten und rund 2.900 Kilometer bestehende Trassen zu modernisieren. Die Anfangs- und Endpunkte der künftigen Höchstspannungsleitungen stehen fest - und stoßen bei vielen Anwohnern, die vom Leitungsbau betroffen sein werden, bereits heute auf zum Teil erbitterten Widerstand.

Bisher vergingen in der Regel zehn Jahre, bis ein Genehmigungsverfahren für eine neue Stromleitung abgeschlossen war. Nunmehr soll sich die Planungszeit auf vier Jahre verkürzen. Für die im Bundesbedarfsplan entsprechend ausgewiesenen länder- und grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen soll dabei die Bundesnetzagentur die Planfeststellung übernehmen. Außerdem gilt: Das Bundesverwaltungsgericht wird in erster und letzter Instanz über Klagen gegen Ausbaumaßnahmen entscheiden. Deswegen hat die Bundesregierung für den Netzausbau ein dreistufiges Beteiligungsverfahren geschaffen.

Eine technische, finanzielle und logistische Herausforderung besonderer Art ist die Anbindung der geplanten Offshore-Windparks. Die Bundesregierung hat dafür den Ausbau der Windkraft auf hoher See mit dem überarbeiteten Energiewirtschaftsgesetz beschleunigt. Ein "Netzentwicklungsplan Offshore" soll die Errichtung solcher Anlagen und die Netzanbindung besser aufeinander abzustimmen. Mittlerweile haben 29 Offshore-Windparks mit knapp 3.000 Einzelanlagen und 10 Giga-Watt-Leistung eine Genehmigung. Bis 2015 werden Anlagen mit einer Leistung von Drei Gigawatt in Betrieb gehen.

Insgesamt hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Legislaturperiode für den grundlegenden Umbau der Energieversorgung in Deutschland rund 160 energiepolitische Maßnahmen angestoßen - von der energetischen Haussanierung bis zur Elektromobilität. Mit ersten Erfolgen: Der Energieverbrauch ging im Jahr 2011 trotz deutlich steigender wirtschaftlicher Tätigkeit kräftig zurück. Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch ist seitdem stetig angestiegen. Das alles kostet Geld - vor allem durch die hohen Kosten für den Ausbau der neuen Infrastruktur. Im nächsten Jahr könnte die Belastung für Verbraucher weiter zunehmen. Nach Angaben der Bundesnetzagentur soll die Umlage im Jahr 2014 weiter von 5,3 Cent auf rund 6,5 Cent je Kilowattstunde steigen. Der enorme Kostenanstieg macht die Dringlichkeit einer weiteren Reform des EEGs deutlich.

Strompreisbremse

Die schwarz-gelbe Koalition hat dafür bereits jetzt eine Reform nach der Wahl angekündigt, falls sie an der Regierung bleibt. Zusätzlich hat Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU) Vorschläge zu einer Strompreisbremse entwickelt. Sie sehen vor, die EEG-Umlage dadurch zu entlasten, dass auf der einen Seite die Ausgaben gedrosselt werden und auf der anderen Seite die Zahl derjenigen erhöht wird, die die Umlage bezahlen. Die SPD favorisiert dagegen eine eigene Stromsteuer.

So ungelöst wie das Problem der stark ansteigenden Energiekosten sind auch noch andere Probleme der Energiewende wie etwa das Reizthema "Fracking". In den USA wird die umstrittene Methode zur Gasförderung im großen Stil angewandt und hat zu sinkenden Gas- und auch Strompreisen geführt. Die Umweltfolgen sind allerdings kaum erforscht. Monatelang hat die schwarz-gelbe Koalition um ein Gesetz zur Regelung der umstrittenen Schiefergasförderung aus tiefen Gesteinsschichten gerungen. Am Ende scheiterte ein gemeinsamer Gesetzesentwurf. Ebenso wenig gibt es einen politischen Konsens über die umstrittene Speicherung von klimaschädlichen CO2-Gasen, die so genannte CCS-Technologie. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wurde zwar eine Einigung erzielt, doch behalten sich die Bundesländer weiterhin ausdrücklich ein Vetorecht bei der Errichtung unterirdischer Speicherstätten vor. Insgesamt bemängeln Kritiker, die Energiewende gehe viel zu schleppend voran. Besonders in den Bereichen Energieeffizienz, Energieeinsparung und Gebäudesanierung sehen sie stärkeren Handlungsbedarf. Ein weiter Kritikpunkt ist die Subventionierung neuer Kohlekraftwerke mit dem Geld aus Energie- und Klimafonds. Die Befreiung von Unternehmen an der EEG-Umlage halten viele zudem für Lobbyismus. So bleibt die Energiewende auch in der nächsten Wahlperiode ein Marathonlauf, bei dem noch viele Kilometer Stromleitungen verlegt werden müssen, genauso wie eine langfristige Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, damit die Öko-Energien nicht dauerhaft auf Subventionen angewiesen sind und die Energiewende vor allem auch für die Verbraucher bezahlbar bleibt.