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Der "Regierungssozialist": Thomas Nord

03.02.2014
2023-11-08T12:31:29.3600Z
3 Min

Fragt man Thomas Nord nach dem Gelingen der Energiewende, dreht sich bei ihm schnell alles um das ungelöste Problem der Speicherbarkeit der erneuerbaren Energien. "Das ist die Schlüsselfrage bei dem ganzen Projekt", sagt der neue Obmann der Linksfraktion im Wirtschafts- und Energieausschuss. Damit wäre man bei diesem Jahrhundertvorhaben der Energiewende, bei der bislang kein anderer Staat dem teuren deutschen Beispiel folgt, dem Rest der Welt um Jahrzehnte voraus. Und dann, so Nord, gebe es auch eindeutig positive Antworten zur Bezahlbarkeit des Umbaus. Diese Frage wird nicht zuletzt wegen der bislang gebotenen Parallelstruktur mit herkömmlichen Kraftwerken, die bei Wind- oder Sonnenmangel nötig sind, immer dringlicher. Zwar ist die Speicherfähigkeit der Energien auch Thema im schwarz-roten Koalitionsvertrag, aber Nord sagt: "Entscheidend ist, mit welchem Nachdruck und welchen Mitteln die entsprechende Forschung hierzulande betrieben wird."

Um die steigenden Stromkosten der Energiewende jetzt in den Griff zu bekommen, müssten indes die vielen Befreiungen von Unternehmen von der Ökoumlage deutlich reduziert werden. Der 56-Jährige sieht die Probleme des riesigen Subventionierungssystems, das durch die Energiewende in Gang kam und es nun handelnden Politikern wie Minister Sigmar Gabriel (SPD) schwer macht, hier schon an kleinen Stellschrauben zu drehen. Da geht es auch um regionale Interessen. Der Brandenburger erwähnt die Braunkohle-Verstromung durch den Energiekonzern Vattenfall in der Lausitz, wo es um Wertschöpfung und tausende Arbeitsplätze gehe. Darauf muss auch die Linkspartei, die Brandenburg in einer Koalition mit der SPD regiert, Rücksicht nehmen.

Nord kritisiert, dass das hektische Einleiten der Energiewende mit dem schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft als Reaktion auf Fukushima durch Schwarz-Gelb "ohne Strategie" ablief. "Es gab keinen Plan, welche erneuerbaren Energien in welchem Umfang zu fördern sind, so dass alles erst einmal mit der Gießkanne gefördert wurde." Das alles falle der Politik heute auf die Füße. Der Links-Politiker räumt allerdings ein, dass Bevölkerung wie Politik die Kostendimensionen eines Totalumbaus der Energiewirtschaft hin zu erneuerbaren Energien unterschätzt hätten.

Der in Frankfurt (Oder) geborene Kulturwissenschaftler sitzt seit 2009 im Bundestag und vertritt den Wahlkreis Frankfurt (Oder) - Oder-Spree. Thomas Nord, auch in Frankfurt an der Oder geboren, führt seit der Wende ein zweites politisches Leben. Im ersten bis 1989 war er überzeugter SED-Kadermann - und in den 1980er Jahren inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit. Dies begleitet ihn bis heute und darauf wird er immer wieder angesprochen. "Das ist ein schwieriger Teil meiner Biografie. Ich kann und will darüber nicht hinweggehen. Das gehört auch zu meiner Glaubwürdigkeit", sagt Nord. Er übte seine Stasi-Tätigkeit aus ideologischer Überzeugung aus und hat sich dafür entschuldigt. 2011 musste er sich vor dem Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages verantworten, der einen Bericht verfasste. Nord ist allerdings ein Sonderfall in der von Stasi-Enthüllungen immer wieder gebeutelten Linkspartei, weil er schon im März 1990 in der Wendezeit als Berliner PDS-Politiker freiwillig seine Stasi-Vergangenheit offenbarte.

Heute versteht sich Nord als "geläuterter Sozialist", der zum Grundgesetz steht. 1999 verlegte er sein politisches Engagement von Berlin nach Brandenburg. Als Landeschef 2005 bis 2012 führte er die Partei zu Spitzenergebnissen bei Wahlen und war einer der maßgeblichen Architekten von Rot-Rot in Potsdam 2009. Der ehrgeizige Nord gilt in der Partei als Strategie- und Organisationsfachmann. In seinem Wohnort Frankfurt (Oder) und Umgebung macht er viel Wahlkreisarbeit.

Für Fraktionschef Gregor Gysi stärkt er in der Bundestagsfraktion den Realo-Flügel gegen radikale Fundamentalisten aus dem Westen. Nord sieht sich als "Regierungssozialist", der eines Tages mit SPD und Grünen auch im Bund gestalten und nicht ewig opponieren will. So wie im Land Brandenburg mit den Sozialdemokraten. Was bleibt an Hobbys? "Politik", sagt Nord, der sein Leben lang Politik gemacht hat, mit einem Lachen. Und dann noch etwas Bücherlesen und Sport.