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Auf der Baustelle

VERTEIDIGUNG Trotz großer Probleme in der Bundeswehr will von der Leyen (CDU) das Militär-Engagement in Afrika verstärken

03.02.2014
2023-11-08T12:31:29.3600Z
4 Min

Ursula von der Leyen (CDU) dürfte es vorher geahnt haben. Aber spätestens in der vergangenen Woche ist es für die neue Verteidigungsministerin wohl zur Gewissheit geworden: Ihr neuer Arbeitsplatz gleicht in weiten Teilen einer Baustelle. Die Bundeswehr ächzt unter der Doppelbelastung aus Auslandseinsätzen und der gleichzeitig zu bewerkstelligen Reform. Die auf einen Höchststand in der Geschichte der Bundeswehr gestiegenen Eingaben beim Wehrbeauftragten des Bundestages unterstrichen dies noch einmal. Die Probleme sind allerdings schon länger bekannt: Der Dienst in der Bundeswehr ist nicht attraktiv und familienfreundlich genug, die Soldaten klagen über Standortschließungen im Zuge der Bundeswehrreform und die damit verbundene Pendelei zwischen Wohn- und Dienstort sowie häufige Versetzungen und Einsätze im Ausland. Hinzu kommen die Ergebnisse einer Studie der Bundeswehr, die ein eher düsteres Bild von der Situation der Frauen in der Truppe zeichnet (siehe Artikel unten und Interview rechts).

Nachdem die Ministerin bereits in der vorangegangenen Sitzungswoche des Bundestages angekündigt hatte, den Dienst in der Truppe familienfreundlicher zu gestalten, legte sie in der vergangenen Woche vor dem Parlament noch einmal nach: "Eine familienfreundliche Bundeswehr wird nicht schwächer, sie wird stärker." Und: "Mehr Frauen in der Bundeswehr machen die Bundeswehr ganz sicher nicht schwächer, sondern sehr viel stärker."

Verpflichtungen

Trotz all der offenkundigen Probleme machte Ministerin von der Leyen auch klar: Aus ihrer Sicht muss und wird sich Deutschland auch in Afrika militärisch stärker engagieren: "Wir überprüfen die Ergänzung, aber auch die Aufstockung der Zahl unserer Soldatinnen und Soldaten, die in Mali schon im Einsatz sind, und wir prüfen eine Unterstützung der kommenden EU-Mission in der Zentralafrikanischen Republik." Und sie fügte an: "Wir haben diese EU-Mission als Europäer gemeinsam auf den Weg gebracht. Also müssen wir uns jetzt, wenn wir diese Mission ausplanen, auch entsprechend verhalten."

Wie das verstärkte deutsche Engagement konkret aussehen soll, darüber schwieg sich die Ministerin jedoch weitestgehend aus und einen Kampfeinsatz in Zentralafrika schloss sie sogar kategorisch aus. Zur Diskussion stellte sie zumindest die Bereitstellung eines Medevac-Airbuses der Bundeswehr für den medizinischen Lufttransport. Über diese Fähigkeit verfügten die europäischen Verbündeten nicht. "Wenn diese Fähigkeiten nötig sind, dann sollten wir sie auch stellen", argumentierte von der Leyen. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus weist im Interview jedoch darauf hin, dass das dafür benötigte medizinische Personal in den Krankenhäusern weitere Lücken reißen könnte. Und im Sanitätsbereich lebe die Truppe bereits jetzt "von der Hand in den Mund". (Siehe Interview rechts)

Fundamentalkritik

Bei der Opposition stieß von der Leyen mit ihrem Afrika-Kurs allerdings auf mitunter harsche Kritik. Am fundamentalsten formulierte sie Alexander S. Neu von der Linksfraktion, die die Auslandseinsätze seit jeher prinzipiell ablehnt. "Die beste familienfreundliche Bundeswehr ist eine Bundeswehr, die zu Hause bleibt, die das Territorium Deutschlands verteidigt, und keine Interventionsarmee", hielt er der Ministerin in Anspielung auf ihre Ankündigung, den Dienst in der Truppe familienfreundlicher machen zu wollen, entgegen. Neu machte klar, dass militärische Interventionen in Afrika aus Sicht seiner Fraktion nicht mit dem im Grundgesetz definierten Verteidigungsfall in Einklang zu bringen ist. Verteidigung liege nur dann vor, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen werde. Deutschland werde seiner internationalen Verantwortung am besten durch einen Beitrag zu einer "fairen Weltwirtschaft" gerecht, "statt mit Krieg und militärischer Drohpräsenz deutsche Exportchancen zu erkämpfen", argumentiere Neu.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold nahm diese Fundamentalkritik zum Anlass, um mit dem außen- und sicherheitspolitischen Kurs der Linksfraktion hart ins Gericht zu gehen. Die Linke entferne "sich immer weiter von den Betrachtungen der realen Welt mit ihren Risiken und Gefahren und den Sorgen der Menschen". Solange die Linksfraktion ihren Kurs nicht ändere, werde es auch keine anderen politischen Mehrheiten in Deutschland geben, stellte Arnold mit Blick auf mögliche Koalitionen zwischen SPD und Linken auf Bundesebene klar.

Kritik an der Afrika-Politik der Bundesregierung wurde aber auch aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen laut. Die richtige Antwort auf die Bilder der Flüchtlingskatastrophe vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa sei es nicht, mehr Militär nach Afrika zu entsenden, sondern einen Kurswechsel in der europäischen Flüchtlingspolitik vorzunehmen, forderte die grüne Verteidigungspolitikerin Agniezka Brugger. Die Parlamentarierin schloss eine Zustimmung ihrer Fraktion zu möglichen neuen Mandaten für Einsätze in Mali und der Zentralafrikanischen Republik jedoch nicht kategorisch aus. Ihre Fraktion werde die vorgelegten Mandate "genau und kritisch prüfen", kündigte Brugger an.

Der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte hielt Brugger mit Blick auf die angesprochene afrikanische Flüchtlingsproblemtik entgegen, es müsse darum gehen, "den Menschen dort zu helfen, wo sie leben". Auf diese Weise ließen sich die Massenflucht nach Europa am besten verhindern. Otte bekannte sich ausdrücklich zu den Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den europäischen Verbündeten. Es sei kein Signal der Verlässlichkeit, wenn man "Frankreich das Gefühl gibt, man stehe militärisch an der Seite dieses Partners, und man in Deutschland in der Bevölkerung den Glauben entstehen lässt, man könne sich bei militärischen Fragen vornehm zurückhalten".