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(An)gemessen am Bundesrichter

BUNDESTAG Die Koalition setzt höhere Diäten durch. Das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung will auch die Opposition

24.02.2014
2023-08-30T12:26:10.7200Z
5 Min

Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung." So steht es in Artikel 48 des Grundgesetzes, und wer wollte den Volksvertretern eine solche Vergütung auch verwehren? Nur: Was ist angemessen? Eine Antwort auf diese Frager gab der Bundestag am vergangenen Freitag, als er die von der schwarz-roten Koalition angestrebte Diätenerhöhung gegen die Stimmen der Grünen und der meisten Linken-Abgeordneten billigte. In namentlicher Abstimmung votierten 464 Parlamentarier von Union und SPD für einen entsprechenden Gesetzentwurf ihrer Fraktionen (18/477, 18/619). 115 Abgeordnete stimmten dagegen, zehn enthielten sich.

Danach orientiert sich die Erhöhung der Diäten künftig an der Entwicklung der Nominallöhne. Als Ausgangsgröße dient die Besoldung eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6 mit der Zulage für Richter und Staatsanwälte bei obersten Gerichtshöfen des Bundes ohne Familienzuschlag). Mit diesen Richtern seien die Abgeordneten "in Status, Tätigkeit und Verantwortung am ehesten" vergleichbar, heißt es in der Begründung der Vorlage: Beide nähmen ihre Tätigkeit "in verfassungsrechtlich garantierter Weisungsfreiheit wahr" und träfen Entscheidungen "mit Wirkung für das gesamte Bundesgebiet".

Um nun eine "Annäherung an die Ausgangsgröße" zu erreichen, wird die Abgeordnetenentschädigung dem Beschluss zufolge in zwei Schritten zum 1. Juli 2014 und zum 1. Januar 2015 angepasst. Sie liegt seit dem 1. Januar 2013 bei 8.252 Euro monatlich und soll nun zum 1. Juli 2014 auf 8.667 Euro und zum 1. Januar 2015 auf 9.082 Euro angehoben werden. Künftig ist vorgesehen, dass sich die Entschädigung jährlich zum 1. Juli, erstmals am 1. Juli 2016, erhöht, und zwar auf der Basis des vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Anstiegs der Nominallöhne.

Abgeschafft wird die bisherige Regelung, dass ein Abgeordneter unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 57 Jahren einen vorzeitigen Bezug von Altersentschädigung ohne Abschläge erhalten kann. Das maximal zu erreichende Versorgungsniveau wird von bisher 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung auf 65 Prozent abgesenkt.

"Selbstbedienungsvorwürfe"

In der Debatte verwies der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Bernhard Kaster (CDU), darauf, dass nach dem Grundgesetz und dem "Diätenurteil" des Bundesverfassungsgerichts die Abgeordneten ihre Entschädigung selbst festsetzen müssten. Zugleich werde "das Thema Diäten immer wieder von Selbstbedienungsvorwürfen oder Willkürvorwürfen begleitet". Nun werde eine Systemumstellung vorgenommen. Man wolle in Zukunft "auch nicht den Eindruck einer Besserstellung" bei den Abgeordneten-Bezügen erwecken. Deshalb sei es richtig, die Vergütung an den Nominallohnindex zu koppeln. Die Orientierungsgröße der Besoldungsgruppe R 6 ist dabei schon seit 1995 im Abgeordnetengesetz verankert. Es gebe viele gute Gründe, dazu selbstbewusst zu stehen.

Auch SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer rief die Parlamentarier dazu auf, angesichts ihres Arbeitspensums die "tragbare" Neuregelung selbstbewusst zu vertreten. Zugleich hob er hervor, dass der Bundestag seit 1977 bei den Diätenanpassungen 14 Nullrunden beschlossen habe. Auch habe man seitdem eine "Reihe von Schritten" zur Absenkung der Altersversorgung vorgenommen.

Für die Linksfraktion bemängelte dagegen ihre Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Petra Sitte, dass das Gesetz nur eine Woche nach seiner Einbringung verabschiedet werde. Das nehme der Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich in die Diskussion einzumischen. Selbst wenn man das Richtergehalt als angemessene Orientierungsgröße betrachte, sei das "Angleichungstempo" in Frage zu stellen. Eine Erhöhung um 830 Euro innerhalb von nur sieben Monaten sei "ziemlich drastisch". Während die Reallöhne der "Masse von Beschäftigten" in Deutschland seit dem Jahr 2000 stagnierten, hätten die Abgeordneten seitdem "eine Steigerung von 25 Prozent erfahren". Zudem seien die Änderungen bei der Altersversorgung der Abgeordneten "eher kosmetischer Natur".

Sittes Amtskollegin bei den Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte ebenfalls, dass der Bundestag keine Zeit gehabt habe, die Vorschläge in Ruhe zu beraten. Auch ihre Fraktion sehe viele Gründe für eine grundsätzliche Orientierung an der Besoldungsgruppe R 6. Nicht diskutiert worden sei aber, warum die Diätenanhebung innerhalb eines halben Jahres in zwei Schritten erfolgen müsse. Dies ginge auch "gestaffelt und in Maßen". Hauptkritikpunkt ihrer Fraktion sei aber die Altersversorgung der Abgeordneten. Viele Menschen verstünden nicht, warum die Parlamentarier im Vergleich zu "normalen" Arbeitnehmern "in so kurzer Zeit sehr hohe Rentenansprüche erwerben können".

Mit der Neuregelung beschloss der Bundestag auch eine Ausweitung sogenannter Amtszulagen. Vorgesehen ist neben den bisher schon geltenden Zulagen für das Bundestagspräsidium eine solche Zulage auch für die Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse, Unterausschüsse und Enquete-Kommissionen. Danach erhalten der Bundestagspräsident, wie bisher, eine monatliche Amtszulage in Höhe eines Monatsbetrages und seine Stellvertreter in Höhe eines halben Monatsbetrages. Für die Ausschussvorsitzenden sowie die Vorsitzenden von Unterausschüssen und Enquete-Kommissionen soll sich nun die Zulage auf 15 Prozent des Monatsbetrages belaufen. Die Mehrbelastungen des Bundeshaushaltes durch die Erhöhung der Grundentschädigung und die Gewährung von Funktionsvergütungen an Ausschussvorsitzende werden in der Vorlage für das laufende Jahr mit zirka 1,7 Millionen Euro und für das nächste Jahr mit weiteren rund 3,5 Millionen Euro beziffert.

Kampf gegen Korruption

Ebenfalls in namentlicher Abstimmung verabschiedete das Parlament am Freitag einen Gesetzentwurf von Union und SPD (18/476) in modifizierter Fassung (18/607), dessen Ziel der verstärkte Kampf gegen Korruption in den Volksvertretungen aller Ebenen ist. Das Gesetz, das im Fall von Bestechung Geldstrafen oder Haft bis zu fünf Jahren vorsieht, ebnet auch den Weg zur Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Für die Vorlage stimmten 582 Abgeordnete. Drei votierten dagegen, sieben enthielten sich.

Bislang machen sich Mitglieder gewählter Volksvertretungen vom Gemeinderat bis zum Bundestag nur im Fall von Stimmenkauf strafbar, wenn also ein Mandatsträger Zuwendungen für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten entgegennimmt. Die neuen Regeln dehnen den Begriff der parlamentarischen Korruption hingegen auf alle unsauberen Verhaltensweisen bei der Ausübung eines Mandats aus, also auch auf den Versuch, Gesetzesinitiativen im Sinne eines spendabelen Lobbyisten auszugestalten. In der Vorlage heißt es dazu: "Wer (…) einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Mehrere Formulierungen im Gesetz sollen die Zahl jener Fälle begrenzen, die als Anlass für strafrechtliche Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht dienen können. So will man parlamentarische Mandatsträger vor einer leichtfertig und vorschnell eingeleiteten Strafverfolgung möglichst bewahren, da allein solche Ermittlungen einen Politiker diskreditieren können, auch wenn sie sich später als ungerechtfertigt erweisen sollten. Grundsätzlich wird deshalb zwischen "Amtsträgern" und "Mandatsträgern" unterschieden, wobei für Letztere der Begriff der Bestechung enger definiert wird. Solange sich das Verhalten eines Mandatsträgers im Rahmen "anerkannter parlamentarischer Gepflogenheiten" bewegt, soll nicht von Korruption die Rede sein.

Hans-Peter Uhl (CSU) verwies auf die Gefahr "politischer Denunziation", bei der einem Parlamentarier unterstellt werde, unverantwortliche Partikularinteressen zu vertreten. Wenn Vorermittlungen von Staatsanwaltschaften wegen solcher Denunziation, die sich später als haltlos erweise, "in der Medienlandschaft breit getreten werden", käme dies einer "öffentlichen Hinrichtung eines Abgeordneten gleich".

Burkhard Lischka (SPD) verwies darauf, dass die UN seit mehr als zehn Jahren darauf warte, dass in Deutschland die Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten unter Strafe gestellt wird. Auch Frank Tempel (Linke) begrüßte, dass es nun eine Regelung zur Bestechung gebe. Ähnlich äußerte sich Christian Ströbele (Grüne). Beide Abgeordnete warben im Plenum allerdings vergeblich für eine Modifizierung der Vorlage. Die Einschränkung, "dass nur dann bestraft wird, wenn ein Auftrag oder eine Weisung nachgewiesen wird", sei zu eng, sagte Ströbele.