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Schattenbilder

KULTUR Bayern will die Verjährungsfristen bei NS-Raubkunst kippen. Vor zwölf Jahren scheiterte ein ähnlicher Versuch

24.02.2014
2023-08-30T12:26:10.7200Z
4 Min

Es ist zwar nur ein Zufall - aber ein nützlicher. Der Fall des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt und George Clooneys neuer Film "Monuments Men" hat ein Thema in den Fokus auch ein breiteren Öffentlichkeit gerückt, das lange Zeit ein Schattendasein geführt hat. Ebenso wie die Kunstwerke, um die es dabei geht. In den zwölf Jahren der nationalsozialistischen Diktatur wurden hunderttausende Kunstobjekte ihren Besitzern geraubt, zwangsweise zu absurd niedrigen Preisen abgekauft oder als sogenannte "entartete Kunst" eingezogen. Nach Schätzungen des Finanzausschusses des amerikanischen Repräsentantenhauses raubten die Nationalsozialisten rund 600.000 Kunstwerke im Deutschen Reich und den während des Zweiten Weltkriegs besetzten Ländern Europas. Betroffen von diesem Kunstraub waren meist Juden und andere Verfolgte des NS-Terrors. Viele dieser Werke sind bis heute verschollen beziehungsweise befinden sich im Besitz von Museen, Galerien, Auktionshäusern oder Privatsammlungen, ohne dass bekannt wäre, dass es sich bei ihnen um NS-Raubkunst handelt.

Provenienzforschung

Mit der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 hatte sich Deutschland - wenn auch juristisch nicht bindend - zur Suche und Rückgabe von geraubten Kunstobjekten verpflichtet. Nach Angaben der im Jahr 2008 von Bund und Ländern eingerichteten Arbeitsstelle für Provenienzforschung wurden in den vergangenen 15 Jahren immerhin rund 12.000 "NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunst- und Kulturgüter" an die rechtmäßigen Eigentümer beziehungsweise deren Erben zurückgegeben. Doch es mangelt an ausreichend geschulten Experten und auch an Geld, um die Bestände aller öffentlichen Museen, Bibliotheken oder Archive zu durchforsten. Die Provenienzforschung, also die Prüfung, auf welchen Wegen ein Kunstobjekt in eine Sammlung gelangt ist und wer die Vorbesitzer waren, ist ein mitunter mühsames Geschäft. So fand die Ankündigung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die Mittel des Bundes für Provenienzforschung von derzeit zwei Millionen auf vier Millionen Euro zu erhöhen, nicht nur bei Experten, sondern auch in allen politischen Lagern Beifall.

Die Sache hat nur einen Haken. Während immer mehr Museen in den letzten Jahren ihre Sammlungen auf NS-Raubkunst überprüften und entsprechende Kunstobjekte gegebenenfalls restituierten, können Privatbesitzer von NS-Raubkunst dazu nicht gezwungen werden. Gemäß des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt in diesen Fällen eine 30-jährige Verjährungsfrist. Im Klartext heißt das, dass bereits im Jahr 1975 die juristischen Ansprüche auf Rückerstattung von NS-Raubkunst in den meisten Fällen erloschen waren.

Diesem Problem möchte Bayern nun zu Leibe rücken und hat deshalb im Bundesrat ein Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz eingebracht, mit dem die Verjährungsfrist im Fall von bewiesener Bösgläubigkeit gekippt werden kann. Das bedeutet, die Besitzer von NS-Raubkunst sollen sich zukünftig nicht mehr auf die Verjährungsfrist berufen können, wenn sie beim Erwerb des Kunstobjektes gewusst haben, dass sein Vorbesitzer während der NS-Zeit zu einem Verkauf gezwungen oder schlicht beraubt wurde.

Neu ist diese Idee indes nicht. Bereits im November 2001 hatte der Bundesrat die damalige Bundesregierung aufgefordert, eine Sonderregelung in solchen Fällen zu schaffen. Doch der Vorstoß scheiterte an verfassungsrechtlichen Bedenken in der Regierung. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU), der den Gesetzentwurf seines Landes in der Bundesratssitzung am 14. Februar einbrachte, zeigte sich überzeugt, dass dies dringend revidiert werden muss: Der Fall Gurlitt zeige deutlich, "dass die damalige Meinung der Bundesregierung falsch und die Mahnung des Bundesrates richtig war". Auch 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust könnten in der NS-Zeit geraubte Kunstwerke auftauchen, "an denen während der ganzen Zeit niemand seine Rechte geltend machen konnte, weil er schlicht nicht wusste, wo sie sich befanden", argumentierte Bausback. Der Minister verwies auf den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, der die gestohlenen Kunstwerke unlängst als "die letzten Gefangenen des Zweiten Weltkriegs" bezeichnet hatte.

Der bayerische Vorstoß trifft allerdings auf einige Schwierigkeiten und auch Skepsis. Selbst Kulturstaatsministerin Grütters, die der Initiative prinzipiell wohlwollend gegenüber steht, hatte vor dem Kulturausschuss des Bundestages wenige Tage zuvor angemerkt, dass Verjährungsfristen vom Gesetzgeber schließlich ganz bewusst erlassen worden seien, um dem Gedanken des Rechtsfriedens in einer Gesellschaft Rechnung zu tragen. Zugleich hatte sie aber auch die Hoffnung geäußert, dass die Gesetzesinitiative nicht von vornherein abgeschmettert wird.

Rechtliche Bedenken

Bausback weiß durchaus um die Probleme, die sich mit der angestrebten Gesetz verbinden. So dürfen Gesetze nicht rückwirkend erlassen werden und sich auch nicht auf einen Einzelfall - etwa den des Kunstsammlers Gurlitt - beziehen. Der Justizminister zeigte sich vor der Länderkammer aber überzeugt davon, dass der Gesetzentwurf auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist: "Der Vorschlag ist, nicht für die Vergangenheit die Verjährung abzuschaffen, sondern für die Zukunft die Berufung hierauf auszuschließen - dies nur dann, wenn der Besitzer bösgläubig ist. Für einen bösgläubigen Besitzer greift der Vertrauensschutz nicht." Auch das Gegenargument, dass sich diese Bösgläubigkeit nur schwer beweisen lasse, will Bausback nicht gelten lassen: "Bösgläubigkeit ist auch bei grober Fahrlässigkeit gegeben, und grobe Fahrlässigkeit kann bewiesen werden." Zudem sei es natürlich auch richtig, die Hürden für eine Aufhebung der Verjährungsfrist hoch anzusetzen. Für unüberwindbar hält der Minister diese Hürde aber nicht.

Ob die bayerische Initiative Erfolg haben wird, ist ungewiss. Der Gesetzentwurf wird jetzt im Ausschuss für Kulturfragen der Länderkammer beraten. Sollte er bei den anderen Ländern Zustimmung finden, muss er anschließend im Bundestag beraten und abgestimmt werden.