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Vorfahrt für die Infrastruktur

VERKEHR Ministerium hat größten Investitionsetat. Opposition kritisiert "markige Sprüche"

14.04.2014
2023-08-30T12:26:13.7200Z
4 Min

Kein Ministerium hat so viele Investitionsmittel wie das für Verkehr und digitale Infrastruktur: 12,55 Milliarden Euro, bei Gesamtausgaben von 22,78 Milliarden im Regierungsentwurf des Etats 2014 (18/700, Einzelplan 12). Das ist zwar weniger als im vergangenen Jahr, doch sind die Zahlen nicht direkt vergleichbar. Denn das Haus hat unter der neuen Koalition den Bereich Bau und Stadtentwicklung an das jetzige Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit abgeben müssen. Dafür hat es den neugeschaffenen Bereich digitale Infrastruktur dazubekommen.

Steigerung der Investitionen

Bei den verbliebenen Bereichen ist tatsächlich eine Steigerung der Investitionen geplant, so bei den Bundesfernstraßen von 1,45 Milliarden Euro im zurückliegenden Jahr auf 1,94 Milliarden 2014. Dazu sollen 3,06 Milliarden Investitionen aus den Einnahmen der Lkw-Maut kommen. Bei der Bahn sollen die Investitionen von 4,15 auf 4,2 Milliarden wachsen, bei den Bundeswasserstraßen minimal von 881,5 auf 882,86 Millionen.

Für die hinzugekommene digitale Infrastruktur sind für das laufende Jahr lediglich 13,04 Millionen Euro eingeplant. Er habe aber mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vereinbart, dass die Einnahmen aus der Versteigerung von Frequenzen "zu einem Großteil wieder in die digitale Infrastruktur gesteckt werden", sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am vergangenen Freitag im Bundestag. Die Regierung werde deshalb ihr Ziel erreichen, flächendeckend schnelles Internet mit 50 Mbit/s zu gewährleisten.

Dobrindt sagte in seiner Haushaltsrede, eine leistungsfähige Infrastruktur sei "Grundlage für unseren Wohlstand". Wer glaube, er könne Wirtschaftswachstum vom Wachstum der Infrastruktur abkoppeln, "wird uns am Schluss vom Wohlstand abkoppeln". Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen müssten sich an der "verkehrlichen Gesamtwirkung und dem volkswirtschaftlichen Nutzen orientieren". Die Bundesregierung wolle diese Investitionen bis 2017 um fünf Milliarden Euro steigern.

Maßgabe bleibe wie schon in den letzten Jahren: "Erhalt geht vor Neubau", versicherte Dobrindt. Wegen des besonders schlechten Zustands vieler Straßen- und Bahnbrücken kündigte der Minister für die nächste Zeit ein "Sondersanierungsprogramm für Brücken" an. Trotzdem müsse auch in den Neubau investiert werden. Er habe allerdings den Verkehrsministern der Länder mitgeteilt, dass alle Projekte im Bundesverkehrswegeplan, die nicht bis 2015 im Bau sind, neu überprüft würden.

Eine unsichere Größe sind die Einnahmen aus der Lkw-Maut. Ein Gutachten hat hier unlängst Mindereinnahmen von zwei Milliarden Euro prognostiziert, was an der teilweisen Abhängigkeit der Mautzahlungen vom Zinsniveau liegt - ein "ausdrücklicher Fehler", wie Dobrindt sagte, den "wir angreifen und ändern". Obwohl die Maut auf leichtere Lkw sowie schrittweise auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden solle, könne noch eine Finanzierungslücke bleiben, stellte Dobrindt fest. Er habe jedoch mit dem Finanzminister vereinbart, dass diese Lücke aus allgemeinen Haushaltsmitteln ausgeglichen würde.

Pkw-Maut

Der Verkehrsminister kündigte an, die umstrittene Pkw-Maut zum 1. Januar 2016 einzuführen. Wie sie ausgestaltet sein soll, ließ er offen. Roland Claus (Die Linke) kreidete ihm das an: "Was überhaupt nicht geht, ist Ihr öffentliches Schwadronieren über eine Pkw-Maut für Ausländer, und im Parlament dazu kein Wort zu sagen." Der Redner der größten Oppositionsfraktion verwies in seiner Erwiderung auf ständige Probleme bei Verkehrsprojekten wie dem Bau des neuen Berliner Flughafens und der Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals und folgerte: "In Ihrem Ministerium ist das viele Geld leider nicht in guten Händen." Angesichts der erwarteten Lücke bei den Maut-Einnahmen, die er auf eine halbe Milliarde Euro bezifferte, bezweifelte Claus, dass dieser Betrag aus den allgemeinen Haushaltsmitteln ausgeglichen werden könne. Zur Bahn verwies Claus darauf, dass in den Privatisierungsberichten der Bundesregierung noch immer das Ziel eines Börsengangs stehe. Er glaube Dobrindt und Bahnchef Grube, wenn sie versicherten: "Niemand hat die Absicht...", sagte Claus mit hoher Stimme zum Gelächter seiner Fraktionskollegen. Aber, an Dobrindt gewandt: "Haben Sie doch den Mut zu sagen: Wir haben da einen Fehler gemacht, die Privatisierung und der geplante Börsengang sind vom Tisch."

"Unser Motto heißt: Wir reparieren Deutschland", so fasste Sören Bartol (SPD) plakativ den Verkehrsetat 2014 zusammen. Er enthalte "die höchste Summe, die jemals für die Sanierung unserer Straßen und Schienen ausgegeben wurde". Bis 2017 sollten diese Mittel weiter wachsen. Mit der in der Vorwoche vorgestellten neuen Konzeption des Bundesverkehrswegeplans 2015 gehe die Große Koalition "einen mutigen Schritt nach vorne". Der Bund werde künftig vorrangig dort investieren, wo es von überregionaler, nationaler Bedeutung ist.

Kein Lob erhielt Dobrindt von Bündnis 90/Die Grünen. Sven-Christian Kindler hielt ihm vor, die Infrastruktur weiter auf Verschleiß zu fahren. Es gebe ein riesiges Defizit beim Erhalt und der Sanierung von Verkehrswegen, doch "im Haushalt gehen Sie das Problem überhaupt nicht an". Die zusätzlichen fünf Milliarden, die Dobrindt jetzt für vier Jahre in den Haushalt einstellen wolle, seien überwiegend für den Neubau von Straßen vorgesehen. Man müsse aber vor allem in den Erhalt investieren, sowie in "sinnvolle Zukunftsprojekte, die auch wichtig für den Klimaschutz sind". Zu Dobrindts Plänen für den Ausbau der digitalen Infrastruktur sagte Kindler: "Bis jetzt ist das alles nur virtuelle Realität." In Dobrindts Haushaltsrede wollte der Grüne "null Substanz, nur markige Sprüche" erkannt haben. "Der Bundestag ist kein CSU-Parteitag", hielt er Dobrindt entgegen. Dieser betreibe "CSU-Klientelpolitik". Kindler warnte vor einer "Bevorzugung Bayerns" im neuen Bundesverkehrswegeplan. Weil er in diesem Zusammenhang von einer blau-weißen Fahne gesprochen hatte, wies im Anschluss Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) darauf hin, dass die Fahne Bayerns weiß-blau sei. Blau-weiß seien die Farben von Schalke und Dobrindt sei gewiss kein Schalke-Fan.

Reinhold Sendker (CDU) verwies auf die Aufgabe der Verkehrspolitik, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Die Zahl der Verkehrstoten pro Tag sei seit 1970 von 58 auf neun zurückgegangen. Man sei "erkennbar auf einem guten Weg, diese Zahl weiter zu senken".