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Anhören über das Abhören

NSA-AUSSCHUSS Einstimmig beschließen die Abgeordneten, Snowden zu vernehmen. Umstritten bleibt das Wo und Wie

12.05.2014
2023-08-30T12:26:13.7200Z
3 Min

Was für eine Aufregung. Die Frage aller Fragen, ob und wie Edward Snowden in dem zur Aufklärung des Spähskandals um den US-Geheimdienst NSA eingesetzten Untersuchungsausschuss aussagen soll, scheuchte vergangene Woche den politisch-medialen Betrieb gehörig durcheinander. Pressekonferenzen im Vorfeld der Ausschusssitzung waren überfüllt, bei denen die Fraktionsobleute ebenso wie in Interviews nicht mit saftiger Polemik geizten.

Für Konstantin von Notz wäre es ein "Stück aus dem Tollhaus", Snowden nicht persönlich im Ausschuss anzuhören, sondern per Videoschaltung nach Moskau, wo ihm Russland Asyl gewährt. Mit "winkeladvokatischen Zügen", sagte der Grünen-Abgeordnete, wolle vor allem die Union einen Auftritt des Ex-NSA-Mitarbeiters in Berlin verhindern, der die Spionageaffäre mit seinen Enthüllungen ins Rollen gebracht hatte. Martina Renner ortete bei der Koalition "Taschenspielertricks". Der Regierung warf die Linken-Obfrau "implizierte Drohungen" vor, wenn die Abgeordneten unter Verweis auf ein Gutachten von US-Juristen gewarnt würden, sie machten sich durch eine Vernehmung des von den USA per Haftbefehl gesuchten Whistleblowers strafbar. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), hielt der Opposition im Gegenzug vor, um Snowden "Klamauk" zu veranstalten.

Einstimmig

Angesichts des Getöses mutete es erstaunlich an, dass sich die Kampfhähne über die hinter verschlossenen Türen getroffene Entscheidung zur Causa Snowden zuletzt recht zufrieden zeigten: Einstimmig votierte das Gremium dafür, den 30-Jährigen noch vor der Sommerpause anzuhören - aber die Frage zu vertagen, wo und wie die "Schlüsselfigur" (SPD-Obmann Christian Flisek) vernommen werden soll. Dies soll mit Snowdens Anwalt geklärt werden.

Renner zeigte sich "erleichtert". Die Linken-Abgeordnete und Notz freuten sich, dass die Tür für ein Erscheinen Snowdens in Berlin nun im Prinzip offen sei. Von einem "sehr guten Signal" sprach Flisek. Der Unions-Obmann Roderich Kiesewetter (CDU) lobte einen "wesentlichen Fortschritt". Er will weg von der Fixierung auf Snowden und hob hervor, dass der Ausschuss eine lange Liste prominenter Zeugen aufgestellt habe, auf der neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) zahlreiche aktuelle und ehemalige Minister sowie amtierende und frühere Geheimdienstchefs stehen.

Nur aufgeschoben

Doch der Showdown ist nur aufgeschoben. Alle Fraktionen hoffen, sich bei den anstehenden Gesprächen durchsetzen zu können. Kiesewetter proklamierte schon jetzt: "Ich schließe eine Vernehmung Snowdens in Deutschland aus." Damit liegt der CDU-Mann auf der Linie der Regierung, die dem Whistleblower die Einreise verweigern will, um Verwicklungen mit den USA zu vermeiden. Obendrein werde Washington bei einer Einreise Snowdens von Berlin dessen Auslieferung verlangen. Flisek kritisierte diese Position als "sehr einseitig". Schließlich sei bei der Definition des "Staatswohls" auch das Interesse an der Aufklärung der massenhaften Spähaktionen zu berücksichtigen. Der SPD-Abgeordnete strebt "offene Verhandlungen" mit Snowdens Anwalt an; neben einer Visite der Obleute in Moskau oder einer Videoschaltung hält er auch eine Anhörung im Bundestag für denkbar.

Aus Sicht der Opposition leitet sich aus dem Auftrag des Untersuchungsausschusses und aus gesetzlichen Bestimmungen zwingend ab, dass der Zeuge persönlich im Ausschuss erscheinen müsse. Zu bedenken sei auch, dass Snowden in Moskau wegen der Auflage, die Beziehungen zu den USA nicht zu gefährden, "nicht frei reden kann", sagte Renner. Für Notz ist es eine "bizarre Vorstellung", während der Ukraine-Krise zu einer Vernehmung Snowdens nach Russland zu reisen. Renner und Notz wollen die Einschaltung der Gerichte prüfen, falls ein Auftritt dieses Zeugen in Berlin verhindert werden sollte. Ein Gang nach Karlsruhe ist also nicht vom Tisch.

Zank um Merkel

Derweil stritten Koalition und Opposition im Bundestagsplenum über Merkels Umgang mit der NSA-Affäre während ihrer jüngsten Reise nach Washington. Sie habe die Chance vertan, US-Präsident Barack Obama gegenüber Klartext zu reden, und beim Schutz der Bürgerrechte vollkommen versagt, kritisierte Jan Korte (Linke). Omid Nouripour (Grüne) monierte, Merkel habe nicht einmal darauf beharrt, dass ihre eigene Ausspähakte vernichtet wird. Elisabeth Motschmann (CDU) hielt dagegen, die Kanzlerin habe in Washington erneut ein No-Spy-Abkommen gefordert. Das "kritische Thema NSA" dürfe nicht vergessen lassen, was Deutschland dem Bündnis mit den USA verdanke. Rolf Mützenich (SPD) sah die Beziehungen zu den USA durch die NSA-Ausspähungen "nachhaltig beschädigt". Zugleich verteidigte der SPD-Parlamentarier die Kanzlerin, die durchaus auf Meinungsunterschiede hingewiesen habe.