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Neue Lage, alter Clinch

INNERES Auch nach dem EuGH-Urteil sorgt die Vorratsdatenspeicherung für Kontroversen

12.05.2014
2023-08-30T12:26:13.7200Z
3 Min

Alles schon mal gehört. Linke und Grüne, erprobte Kämpen im Clinch um die Vorratsdatenspeicherung, wetterten vergangenen Freitag im Bundestag mit Verve gegen diese Ermittlungsmethode, welche die Grundrechte massiv verletze. Erst langsam begreife man, mahnte Katja Keul (Grüne), welche Macht jene hätten, "die über unsere Daten verfügen". Jan Korte (Linke) attackierte die Vorratsdatenspeicherung, weil sie alle Bürger "unter Generalverdacht" stelle. CDU und CSU wiederum verteidigten dieses "wichtige Ermittlungsinstrument" zur Aufklärung von Schwerkriminalität, wie es Patrick Sensburg (CDU) formulierte.

Paukenschlag

Also nichts Neues? Keineswegs. Die Plenardebatte stand im Zeichen des im April vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefällten Urteils, das mit einem Paukenschlag eine neue Situation geschaffen hat: Die Richter erklärten eine Brüsseler Richtlinie, die den 28 EU-Mitgliedsländern die Einführung der Vorratsdatenspeicherung auferlegt hatte, kurzerhand für nichtig. Die Frage, welche Konsequenzen aus dieser Entscheidung sind, sorgte im Vorfeld der Aussprache für Spannung. Der Debatte lagen ein Antrag der Linken (18/302) und zwei Anträge der Grünen (18/381 und 18/1339) zugrunde.

Natürlich verhilft der Spruch aus Luxemburg den Kritikern der Vorratsdatenspeicherung zu Oberwasser. Aus Sicht Keuls bedeutet diese Entscheidung deren "dauerhaftes Ende". Sie rief dazu auf, "dieses Kapitel endgültig abzuschließen". Die Grünen-Politikerin griff die Innenpolitiker der Union an, die trotz des EuGH-Votums in einer "Erfurter Erklärung" eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung forderten: "Was ist das für ein Rechtsstaatsverständnis?"

Korte appellierte an die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, "in sich zu gehen" und darüber nachzudenken, ob sie nicht dem Urteil des EuGH wie der bereits früher gefällten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgen wollten. Er verwies auf Studien des Max-Planck-Instituts, wonach seit dem durch Karlsruhe auf nationaler Ebene verfügten Aus für die Vorratsdatenspeicherung keine Lücke bei der Strafverfolgung entstanden sei. Das Verfassungsgericht wie die Luxemburger Instanz hätten dieses Instrument zwar nicht verboten, aber vom Gesetzgeber auch nicht verlangt, eine reformierte Version zu beschließen.

Dass die Vorratsdatenspeicherung richterlich nicht prinzipiell verworfen wurde, nutzt die Union als politischen Hebel. Aus Karlsruher Sicht könne man mit diesem Instrument durchaus legitime Interessen verfolgen, sagte Sensburg, und auch der EuGH sehe in der Vorratsdatenspeicherung ein "nützliches Mittel". In beiden Urteilen würden konkrete Bedingungen benannt, bei deren Berücksichtigung dieses Instrument zulässig sei. Für Sensburg ist der Königsweg eine verfassungskonforme Neuregelung, die im Blick auf Eingriffe in Grundrechte die Verhältnismäßigkeit wahrt.

Auf dieser Linie argumentierte auch Volker Ullrich. Der CSU-Parlamentarier mahnte zu einem besonnenen Vorgehen. Erst einmal solle man die Prüfung der Luxemburger Entscheidung durch das Innen- und das Justizministerium abwarten; auch solle man schauen, welche Haltung die nach der Wahl zum EU-Parlament neu zu bildende Brüsseler Kommission einnehme. Aufhorchen ließ Ullrich mit dem Vorschlag, zu prüfen, ob es vielleicht "gleichwertige Alternativen" zur Vorratsdatenspeicherung gebe.

Gegen Schnellschüsse wandte sich auch Christian Flisek, der das EuGH-Urteil ausdrücklich begrüßte. Ohne die Union zu erwähnen, lehnte der SPD-Politiker "nationale Alleingänge" ab, wie dies Politiker des Koalitionspartners in den vergangenen Wochen ins Spiel gebracht hatten. Flisek stellte sich mit Blick auf die Opposition aber auch gegen "aktionistische Anträge". Beim komplizierten Thema Vorratsdatenspeicherung helfe "holzschnitzartiges Schwarz-Weiß" nicht weiter, man solle lieber "ideologisch abrüsten". Angesichts grenzübergreifender Datenströme in einer digitalisierten Welt seien Vereinbarungen zum Datenschutz nötig, die auf internationaler Ebene getroffen würden, betonte Flisek, der für einen "intensiven Dialog" auf EU-Ebene über die Folgen des Luxemburger Richterspruchs eintrat.