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Die neue Schweiz

Steuerhinterziehung Das Geld ist weiter auf der Flucht. In Asien lockt Singapur mit niedrigen Steuern

07.07.2014
2023-08-30T12:26:17.7200Z
4 Min

Steuern sparen geht ganz einfach: Mit den richtigen Beratern dienen sie plötzlich "nicht mehr der Renovierung von Schulen, sondern dem Innenausbau von 300-Fuß-Yachten, nicht mehr der Pflege Kranker, sondern der Preisexplosion am Kunstmarkt". Dies schreibt Achim Doerfer, ein promovierter Rechtsphilosoph und Inhaber einer auf Steuerrecht spezialisierten Anwaltskanzlei in dem Buch "Die Steuervermeider - wie wir um Milliarden betrogen werden". Doerfer kennt sich im Metier aus: Seine Kanzlei beriet unter anderem einen Mandanten, der Daten Schweizer Bankkunden an die deutschen Steuerbehörden verkauft hatte. Im politischen und medialen Sprachgebrauch heißt das Steuer-CDs, obwohl die Silberscheiben inzwischen als Datenspeicher aus der Mode gekommen sind.

Aggressive Steuervermeidung

Mit viel Witz, oft auch einem Schuss bissiger Ironie beschreibt Doerfer, wie Leute mit richtig viel "Kohle" und besonders Großkonzerne vermeiden, dass das Finanzamt seinen ihm eigentlich zustehenden Teil der Einnahmen bekommt. Der "normale" Millionär wird noch von Steuerberater und Hausbank betreut, "das Know-how zur aggressiven, illegitimen oder gar illegalen Steuervermeidung ist aber gerade wegen der typischerweise auch internationalen Beratungskompetenz bei den ganz großen Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angesiedelt" - mit Stundensätzen bis zu 1.000 Euro. In diesen Kreisen gilt eine Steuerzahlung als "Schaden". Die Branche - Doerfer zählt dazu PricewaterhouseCoopers, KPMG, Ernst & Young und Deloitte, die in Deutschland 83 Prozent ihres Umsatzes mit den 160 größten Aktiengesellschaften machen - sei "ihren Kontrolleuren stets einen Schritt voraus… Kein national agierender Fachbeamter im Finanzministerium kann vorhersehen, was einer mit Milliarden gefütterten Industrie einfällt, deren Experten zehnmal besser bezahlt sind, die global operieren und 70 Stunden in der Woche arbeiten". Steuerschlupflöcher zu finden sei für solche Leute "motivierender und faszinierender als sie in einem trägen parlamentarischen Prozess zu stopfen".

Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist das sogenannte Dividendenstripping: Der Trick bei diesen "Cum-Ex-Trades" besteht in einer Art Karussellgeschäft, das rund um den Ausschüttungstag der Dividenden erfolgt und Käufer und Verkäufer im Inland und Ausland einbezieht: Durch das kurzfristige Hin und Her zwischen den Inhabern von Aktien, Leerverkäufern und den Käufern bescheinigten Banken gleich mehreren Personen für dasselbe Wertpapier, sie hätten Kapitalertragsteuern bezahlt. Damit konnten diese die Steuern zurückverlangen oder verrechnen. Der Fiskus erstattete mehrfach Steuern, die nur einmal abgeführt wurden. Dieses Dividendenstripping war bereits 2002 sogar durch ein Schreiben einer Bank bekannt geworden. Das Stripping soll in großen Teilen der Bankenbranche praktiziert worden sein, bis es vor zwei Jahren eine Gesetzesänderung gab. Der Streit zwischen Anwälten und Finanzbehörden ging jedoch weiter, so dass in diesem Sommer erneut eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgt.

Zwar sind viele Steueroasen inzwischen weitgehend geschlossen, und der Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden ist weit verbreitet. Steuern lassen sich aber immer noch vermeiden, und wie das funktioniert, wurde zum Beispiel noch im vergangenen Jahr im Bundestag in einem Fachgespräch, auf das auch Doerfer hinweist, deutlich. Durch das geschicktes Ausnutzen des unterschiedlichen Steuerrechts in verschiedenen Ländern und interne Verrechnungen gelingt es internationalen Konzernen, ihre Steuerlast erheblich zu senken.

Der Fall Google

Der in den USA beheimatete Internetkonzern Google ist so ein Fall. Google verfügt über Niederlassungen in Irland, den Niederlanden und auf den Bermudas. In Irland sind etwa 2.000 Personen beschäftigt. Dort werden Lizenzgebühren aus Geschäften in Europa kassiert. Lizenzausgaben in ähnlicher Höhe werden wiederum an die Niederlassung in den Niederlanden gezahlt, und von dort wird das Geld auf die Bermudas transferiert. Es gibt mehrere Gründe, warum das funktioniert: In den Niederlanden fällt keine Steuer auf Lizenzgebühren an, und auch in Irland gibt es keine Steuerpflicht. Die USA wiederum unternehmen nichts gegen Googles Bermuda-Gesellschaft. Es wird geschätzt, dass allein Google 33 Milliarden Dollar steuerfrei gebunkert hat. Auch für Amazon und Apple werden Milliardenbeträge genannt. Doerfer zitiert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die für Deutschland von einem jährlichen Volumen der Steuerhinterziehung von 100 Milliarden Euro ausgeht. Die Gesamtsteuereinnahmen betragen rund 620 Milliarden. "Steuerhinterziehung erhöht so die Steuerlast für jeden Bürger, vom Baby bis zum Greis , um durchschnittlich 1.250 Euro", rechnet Doerfer vor. Der Autor geht ausführlich auf das "Steueridyll Schweiz" ein und natürlich auf den Fall Uli Hoeneß sowie auf das gescheiterte deutsch-schweizerische Steuerabkommen, das er für amateurhaft verhandelt hält. Er macht aber keine Hoffnung, dass alle Schlupflöcher geschlossen sind: "Singapur ist die neue Schweiz". Kapitalerträge seien steuerfrei, und die Einkommensteuer für Ausländer liege bei 15 Prozent.

Achim Doerfer:

Die Steuervermeider. Wie wir um Milliarden betrogen werden

Hoffmann u. Campe, Hamburg 2014; 256 S., 19,99 €