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Alle feiern zusammen

VON JÖRG BIALLAS

28.07.2014
2023-08-30T12:26:18.7200Z
2 Min

Vor dem Brandenburger Tor in Berlins Mitte, wo vor 14 Tagen Hunderttausende die Weltmeisterschaft der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gefeiert haben, lagen sich auch vor 25 Jahren die Menschen in den Armen. Trunken vor Glück, das Unfassbare allmählich begreifend und dennoch von der Realität geblendet, erlebten sie Geschichte, wie sie greifbarer nicht sein kann: Die Mauer, jenes als unüberwindbare Hürde angelegte Bollwerk, das Ost und West Deutschlands, Europas, ja der ganzen Welt getrennt hatte, war an diesem 9. November 1989 gefallen. Davon hatten viele Deutsche über Jahrzehnte geträumt, manche immer daran geglaubt, die meisten aber gewiss nicht damit gerechnet. Jetzt war die DDR-Diktatur absehbar zu Ende und der Weg zu einer Vereinigung beider deutscher Staaten frei.

Dieser Weg sollte nicht leicht zu bewältigen sein. Auf der Ostseite der geschleiften Mauer wich die Freude über die neue Freiheit schon bald den Sorgen des Alltags, allen voran die so unbarmherzig einziehende Arbeitslosigkeit. Ganze Regionen wurden nahezu flächendeckend davon heimgesucht. Auf einmal war die eigene Arbeitskraft, in der DDR aus ideologischen Gründen überhöht interpretiert, überflüssig. Nicht wenige zerbrachen an dieser ungewohnten Erfahrung.

In der alten Bundesrepublik wuchs derweil die Erkenntnis, dass es eines enormen Kraftaktes bedarf, Wirtschaft und Infrastruktur der DDR westlichen Standards anzugleichen. Gefragt waren fachkundiges und noch mehr finanzielles Engagement. Davon gab es reichlich. Und doch ging es nicht immer rechtens zu. Vielerorts wurde getrickst, mitunter gar betrogen. Das oft spürbare Gefühl eines nicht nur effektiven, sondern auch bemerkenswert herzlichen Zusammenwirkens von Ost- und Westdeutschen auf Augenhöhe wurde dadurch belastet.

Trotz alledem: Es ist geschafft! Deutschland lebt die Einheit. Die Grenze zwischen Ost und West ist inzwischen in den Köpfen gefallen. Menschen, vor allem auch die jungen, ziehen ebenso selbstverständlich von Dresden nach Darmstadt wie von Essen nach Erfurt. Landsmannschaftliche Herkunft wird nicht mehr mit systemischer Prägung verwechselt; der Bayer ist Bayer und kein "Wessi", der Mecklenburger ein Mecklenburger und kein "Ossi". Und alle feiern zusammen vor dem Brandenburger Tor, auf den Trümmern der Berliner Mauer.