Piwik Webtracking Image

STIFTUNG KREISAU : Einer friedlichen Zukunft in Europa verpflichtet

Auf dem früheren Gut der Familie Moltke in Niederschlesien ist eine Jugendbegegnungsstätte entstanden

11.08.2014
2023-08-30T12:26:18.7200Z
3 Min

Der prominente Name wirkt noch heute als Mahnung und Verpflichtung, ist aber seit einiger Zeit auch beispielgebend für einen neuen Aufbruch in den deutsch-polnischen Beziehungen. Der sogenannte Kreisauer Kreis steht ursprünglich für jene zivile Widerstandsgruppe, die sich schon ab 1940, also zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, mit der Frage befasste, wie Deutschland nach dem Sturz des diktatorischen Nazi-Regimes politisch, wirtschaftlich und sozial grundlegend erneuert werden könnte.

Die rund 20 Aktivisten trafen sich in Berlin und München, aber auch auf Gut Kreisau in Niederschlesien (heute Polen), dem Familienbesitz des Grafen von Moltke, um ihre Pläne detailliert auszuarbeiten. Insbesondere der Jurist Helmuth James Graf von Moltke (1907-1945), Begründer der Initiative, hatte den von Berlin gesteuerten Zentralismus des Dritten Reiches für sich selbst früh infrage gestellt und diesem Konstrukt ein Grundgerüst der kommunalen Selbstverwaltung entgegen gesetzt.

Visionen

Der Kreisauer Kreis entwickelte sich in den Kriegsjahren zu einem intellektuellen Mittelpunkt des Widerstandes gegen das Nazi-Regime, ohne feste Strukturen aufzuweisen. Mitglieder und Sympathisanten kamen aus der bürgerlichen Zivilgesellschaft, den Kirchen und auch der Sozialdemokratie. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten fanden ihre gemeinsame Basis in der Ablehnung des auf Adolf Hitler eingeschworenen Terrorregimes und in christlichen Grundwerten. In ihren Thesen befürworteten die Aktivisten einen föderal organisierten, demokratischen Rechtsstaat. Im Sommer 1943 verständigten sich die Akteure auf außenpolitische Ziele und erwogen vorausschauend eine europäische Föderation mit "innereuropäischer Einheitswährung und Wegfall der Zollschranken".

Der Kreisauer Kreis nahm schließlich auch Kontakt auf zu Aktivisten des Widerstandes in den von Deutschland besetzten Ländern Niederlande, Dänemark und Norwegen, zu den Alliierten und zum militärischen Widerstand in Deutschland. Nachdem Moltke im Januar 1944 verhaftet worden war, schlossen sich einige "Kreisauer" der Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg an. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wurden viele der Kreisauer Aktivisten hingerichtet, darunter auch Moltke, aber ihre Ideen lebten fort.

Versöhnungsmesse

Überlebt hat auch der bekannte Name Kreisau (polnisch Krzyzowa). Mit der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung, die ihren Sitz auf dem ehemaligen Gutshof der Adelsfamilie Moltke hat, soll "die Tradition des Widerstandes, des Nonkonformismus und der Zivilcourage", wie es heißt, weiter geführt werden. Als in Berlin die Mauer fiel, feierten nur wenige Tage später, am 12. November 1989, Polen und Deutsche mit dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) auf Gut Kreisau eine Versöhnungsmesse (siehe Seite 7). In der Folge konnte mit Unterstützung beider Regierungen das in den Jahren herunter gekommene Gut renoviert und als Standort der Stiftung ausgebaut werden. Wichtiger Projektpartner der Stiftung ist die bereits im Sommer 1989 von Berlinern gegründete Kreisau Initiative.

Begegnungsstätte

Die kommunistische Regierung Polens hatte das Familiengut nach Kriegsende verfallen lassen und den früheren Adelssitz schließlich für eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft freigegeben. Nach der politischen Wende und den finanziellen Zusagen aus beiden Nachbarländern wurde 1998 in Kreisau eine internationale Jugendbegegnungsstätte eröffnet, die von der Stiftung betrieben wird. Auf dem weitläufigen Gelände befinden sich heute neben dem restaurierten Schloss Kreisau auch Gästezimmer und Konferenzräume, ein Cafe, Sportflächen und ein Grillplatz. Eine Dauerausstellung im Schloss widmet sich der Geschichte des Widerstandes und der Opposition im 20. Jahrhundert und bietet damit auch eine Rückbesinnung auf die einstigen Visionen des Kreisauer Kreises.