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Verkehr : Pünktlicher und schneller

Die Bilanz der Bahnreform fällt zwiespältig aus. Milliardeninvestitionen angekündigt

22.12.2014
2023-08-30T12:26:27.7200Z
4 Min

Vor 20 Jahren wurde aus der vom Staat betriebenen deutschen Bundesbahn die Bahn AG, ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Pünktlich zum Jahrestag debattierte der Bundestag vergangenen Donnerstag über die Bilanz der „Bahnstrukturreform“. Anlass war die Antwort der Bundesregierung (18/3266) auf eine Große Anfrage der Fraktion Die Linke (18/1500).Insgesamt fällt die Bilanz unterschiedlich aus. Für die Bundesregierung und die Koalition hat sich die Bahnstrukturreform mit staatlicher Verantwortung für die Infrastruktur und privatrechtlicher Organisationen der Deutschen Bahn AG (DB AG) insgesamt bewährt. Sie will diese auch fortsetzen.

Trendwende Die negative Entwicklung bis zum Jahr 1993 konnte danach durch die Bahnreform gaestoppt und eine Trendwende eingeleitet werden. So sei die Verkehrsleistung auf der der Schiene in den Jahren 1994 bis 2012 im Personenverkehr um 36 Prozent, davon im Nahverkehr um 68 Prozent und im Fernverkehr um sieben Prozent gestiegen. Im Schienengüterverkehr habe die Verkehrsleistung bis 2013 um 59 Prozent zugenommen. Auch die wirtschaftlichen Ergebnisse der DB AG würden die erfolgreiche Entwicklung belegen. So habe die DB AG ihre Umsatzerlöse, Produktivität und Jahresergebnisse deutlich steigern können. Die DB AG habe sich zu einem wirtschaftlich erfolgreichen und international tätigen Unternehmen entwickelt.

Die Opposition sieht dies anders. Für die Linksfraktion sind zum Beispiel zentrale Ziele der Reform wie die Entlastung der öffentlichen Haushalte, mehr Kundenfreundlichkeit und die Steigerung der Verkehrsanteile der Bahn nicht erreicht worden. Die tatsächlichen Zahlungen sind laut Fraktion etwa gleichgeblieben. Auch der Verkehrsmarktanteil der Bahn sei nur leicht gestiegen. Zudem konnten die Abgeordneten keine ,,erhebliche Steigerung“ der Kundenfreundlichkeit und Servicequalität feststellen. Auch die von den Bahnreformbefürwortern erwartete Senkung der Fahrpreise sei nicht eingetreten. Außerdem sei die zugesagte Beschäftigungssicherung bei der DB AG nicht erreicht worden, da im Inland rund 175.000 Arbeitsplätze seit 1994 abgebaut worden seien. Deshalb forderte die Linksfraktion auch in einem Entschließungsantrag (18/3560) erfolglos, eine Kommission einzurichten, die eine zweite Bahnreform vorbereiten solle.

Neuer Schwung Um der Reform neuen Schwung zu geben, hat das Verkehrsministerium und die DB AG fast gleichzeitig mit der Debatte eines der größten Investitionsprogramme der letzten Jahre vereinbart. Dieser Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II) stimmte nach dem Verkehrsausschuss vergangene Woche auch der Haushaltsausschuss zu. Danach soll die Bahn deutlich pünktlicher und schneller werden. Dafür will der Bund dem Unternehmen von 2015 an jährlich rund vier Milliarden Euro für die Reparatur des Schienennetzes zur Verfügung stellen – mehr als eine Milliarde Euro mehr als bislang geplant. „Das ist ein absolutes Rekordniveau. Das Geld soll dazu dienen, alte Gleise, Weichen oder Signale auszutauschen sowie marode Brücken zu sanieren. Züge könnten dann an vielen Langsamfahrstellen im Netz schon bald wieder schneller fahren.

Milliardeninvestitionen Insgesamt will die Bahn so bis zum Jahr 2019 28 Milliarden Euro ausgeben. Bis zu 850 Baustellen gleichzeitig wird es dann im 34.000 Kilometer langen Streckennetz geben, noch einmal 50 mehr als heute. Was eine Herausforderung für das Unternehmen ist, wird so auf jeden Fall für alle Bahnfahrer zu einer täglichen Geduldsprobe werden. Zu den 28 Milliarden steuert der Finanzminister 20 Milliarden Euro hinzu, den Rest muss die Bahn selbst erwirtschaften.

Die Aufstockung der Bundesmittel werden nötig, weil Bahn-Chef Rüdiger Grube in der Vergangenheit mehrfach darüber geklagt hatte, dass das bislang vom Bund für den Erhalt des Netzes zur Verfügung gestellte Geld nicht ausreichen würde. Ähnlich wie in der Straßeninfrastruktur seien viele Brücken wegen ausbleibender Sanierungen in den vergangenen Jahren heute nicht mehr verkehrssicher. Grube drohte sogar mit ersten Sperrungen. Allein 1.300 der insgesamt 25.000 Eisenbahnbrücken seien dringend sanierungsbedürftig. Die Bundesregierung hatte der DB AG im Zuge der Bahnreform das wertvolle Schienennetz zum Betrieb übergeben, bis heute aber die nötigen Rahmenbedingungen für dessen Erhalt vernachlässigt – auf Kosten der Fahrgäste und Steuerzahler.

Bundeszuschüsse Die Aufstockung der Bundeszuschüsse finanziert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun zum Teil aus dem laufenden Haushalt, aber auch aus der Dividende, die die Bahn seit ein paar Jahren an den Bund abführen muss. Für die Jahre 2010 bis 2012 führte das Unternehmen 500 beziehungsweise 525 Millionen Euro ab. Wegen eines Gewinneinbruchs im Jahr 2013 hatte die Bahn die Dividende zuletzt auf 200 Millionen Euro gekürzt. Für 2014 sind rund 700 Millionen Euro vorgesehen

Künftig sollen alle Gewinne aus dem Schienennetz in voller Höhe unmittelbar wieder zurück in die Bahninfrastruktur fließen. Damit soll auch dem Vorwurf begegnet werden, wonach die Bahn einen Teil der vom Bund für das Schienennetz zur Verfügung gestellten Mittel für andere Konzernbereiche abzwackt. Bahninfrastruktur-Chef Volker Kefer verspricht: „Jeder Cent, den wir verdienen, wird an den Bund ausgeschüttet und fließt von dort ohne Abstriche wieder in die Infrastruktur zurück.“ Für die Sanierungsmaßnahmen und die Koordination der verschiedenen Bauarbeiten will die Bahn zudem rund 1.700 Mitarbeiter zusätzlich einstellen. Um ihre Effizienz zu verbessern, sollen zudem die Unternehmen DB Projektbau und DB International vereint werden. Die Bahn erhofft sich dadurch mehrere 100 Millionen Euro an Einsparungen. Die Investitionen sind aber nicht nur nötig, um das Bahnfahren an sich in naher Zukunft wieder attraktiver zu machen. Sie müssen auch vor dem aktuellen Hintergrund eines größer und härter werdenden Wettbewerbs vor allem im innerdeutschen Nah- und Fernverkehr gesehen werden.

Die Bundestagsdebatte findet aber auch vor dem Hintergrund der Kritik des Bundesrechnungshofes über eine unzureichende Kontrolle und über fehlende Anreize für den wirtschaftlichen Mitteleinsatz bei der Sanierung des Schienennetzes statt. Immer wieder haben die Rechnungsprüfer Schwachstellen bei der Finanzierung der Bahn gerügt. Besonders die Grünen kritisieren die Vereinbarung von Bahn und Bund. Sie gewährleiste „weder eine transparente noch eine wirtschaftliche Mittelverwendung“. Der Vertrag solle nicht unterschrieben werden, beantragten sie erfolglos bei den Beratungen im Haushaltsausschuss des Bundestags.

Der Autor ist Wirtschaftsjournalist in Bonn.