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LEISTUNGSSCHUTZRECHT : Monopolmacht

Eigentlich sollten Presseverlage geschützt werden. Bislang profitiert aber vor allem Google

09.03.2015
2023-08-30T12:27:58.7200Z
5 Min

Umstritten war die Regelung von Anfang an. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das in der vergangenen Legislaturperiode auf Betreiben von Union und FDP Eingang in das Urheberrechtsgesetz gefunden hat, sollte dafür sorgen, dass Verlage nicht leer ausgehen, während Internet-Suchmaschinenbetreiber mit Produkten aus deren Häusern Einnahmen erzielen. Mit dem Leistungsschutzrecht wurde den Presseverlagen das ausschließliche Recht eingeräumt, ihre Texte zu gewerblichen Zwecken im Internet zu veröffentlichen. Suchmaschinenbetreiber sollen für die Nutzung von Textausschnitten Lizenzen erwerben müssen. Entsprechend einer vom Rechtsausschuss durchgesetzten Änderung sollten „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ – sogenannte Snippets – davon jedoch nicht betroffen sein. Was den Geltungsbereich erheblich einschränkte, da das Nachdrucken ganzer Texte oder die Übernahmen von Zitaten ohnehin urheberrechtlich geregelt sind.

Die Opposition lief Sturm gegen die Regelung. „Der große Medienkonzern Springer ruft, und fast das ganze Regierungslager springt“, kritisierte Petra Sitte (Die Linke) anlässlich der Verabschiedung der Gesetzesnovelle im März 2013. Und Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) prognostizierte, das Gesetz helfe „keinem Verlag, keiner Journalistin und keinem Journalisten“.

Kostenfreie Lizenz  Nicht wissen konnten die beiden Parlamentarier, dass der Riese unter den Suchmaschinenbetreibern, das amerikanische Unternehmen Google, der Bundesregierung und den Verlagen einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ob man denn eine kostenlose Lizenz erhalten könne, fragte Google bei den in der Verwertungsgesellschaft VG Media zusammengeschlossen Verlagen von Axel Springer über Burda bis zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ an. Und verband die Anfrage mit einer unverhohlenen Drohung. Falls die Lizenz nicht erteilt werde, würden Texte aus den Verlagen bei Google News nicht mehr gelistet. Die Drohung erzielte den gewünschten Erfolg. Google erhielt als einziger Suchmaschinenbetreiber eine kostenlose Lizenz.

Seitdem ist die Kritik am Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht leiser geworden. Bei einem Expertengespräch im Bundestagsausschuss Digitale Agenda Ende vergangenen Jahres sprachen sich alle fünf geladenen Sachverständigen dafür aus, die Regelung zu kippen. Und so präsentierten Linke und Grüne wenig später einen gemeinsamen Gesetzentwurf (18/3269) zur Abschaffung des Leistungsschutzrechts. Die ökonomischen Probleme der Verleger seien nicht durch Suchmaschinen im Internet verursacht worden, heißt es im Gesetzentwurf. Vielmehr würden die Suchmaschinen die Online-Angebote der Verlage erst auffindbar machen und somit Besucher und Werbeeinnahmen auf deren Seiten generieren.

Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses über den Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen in der vergangenen Woche wurde erneut Kritik am Leistungsschutzrecht für Presseverleger laut. Es fanden sich aber auch Unterstützer. Zu ihnen gehört Sebastian Doedens von der Hubert Burda Media Holding. Seiner Ansicht nach reklamieren die Verlage kein Sonderrecht für sich. Die Verlage dürften aber nicht schlechter gestellt werden als andere Verwerter wie etwa die Tonträgerhersteller, denen auch ein Leistungsschutzrecht zugebilligt werde, betonte Doedens. „Es ist nur fair, wenn für die weitere Verwertung der Presseerzeugnisse Lizenzen erworben werden müssen“, sagte er. Die von der Opposition geforderte Abschaffung des Leistungsschutzrechts lehnte er ab. Sollte die derzeitige Regelung nicht greifen, müsse sie robuster gefasst werden, forderte er. Gegen eine Abschaffung sprach sich auch Felix Hey, Geschäftsführender Gesellschafter beim juristischen Fachverlag Dr. Otto Schmidt, aus. Auch wenn derzeit die in der VG Media zusammengeschlossenen Verlage Google eine kostenlose Lizenz eingeräumt hätten, sei dies kein Grund, dass sich der Gesetzgeber zurückziehe. Im Falle Google, so räumte Hey ein, habe man sich „der Macht des Faktischen“ gebeugt.

Schiedsgerichtsverfahren  Neben den beiden Verlagsvertretern sprach sich auch die Rechtswissenschaftlerin Eva Ines Obergfell von der Humboldt Universität Berlin gegen eine Aufhebung der Regelung aus. Weder verstoße sie gegen die Informationsfreiheit noch sorge sie für mangelnde Rechtssicherheit. Obergfell plädierte dafür, das laufende Schiedsgerichtsverfahren beim Patent- und Markenamt abzuwarten und eine Evaluierung des Gesetzes einzuleiten.

Philipp Otto, Redaktionsleiter des Onlineportals „iRights.info“, will jedoch nicht solange warten. „Das Gesetz muss so schnell wie möglich aufgehoben werden, da es angesichts der gravierenden Folgen nicht hinnehmbar ist, das Ganze auszusitzen“, sagte er. Die Rechtsprechung in derartigen Fällen könne bis zu zehn Jahren dauern, argumentierte Otto. Folge des Gesetzes sei zum einen Rechtsunsicherheit, die insbesondere auf Start-Up-Unternehmen Auswirkungen habe und so ein Innovationshemmnis darstelle. Außerdem stärke das Leistungsschutzrecht die Monopolstellung von

Google, kritisierte Otto.

Investitionshemmnis  Der Rechtswissenschaftler Gerald Spindler von der Universität Göttingen verwies auf eine Stellungnahme des IT-Branchenverbandes Bitkom, wonach schon elf Startups angesichts der Regelung den Versuch aufgegeben hätten, im Suchmaschinenmarkt aktiv zu werden. Zugleich kritisierte er, dass die eigentlichen Urheber nicht von der Regelung profitierten. Das bewertete auch der IT-Fachanwalt Thomas Stadler so. Das Leistungsschutzrecht sei ein Investitionsschutzrecht, sagte er und urteilte: „Das eigentliche Ziel der Vorlage ist mit der Regelung nicht erreichbar.“ Auch der Rechtswissenschaftler Malte Stieper von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sprach sich gegen die geltende Regelung aus. Grundsätzlich sei ein Leistungsschutzrecht für Verleger zwar denkbar. „Aber nicht so, wie es im Gesetz geregelt ist“, fügte er hinzu. „Es ist noch nicht einmal klar definiert, was eigentlich das Schutzgut ist.“

Es ist eine der kuriosesten Geschichten aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, die der amerikanische Militärhistoriker und Journalist Stephen Harding in seinem Buch „Die letzte Schlacht“ anhand offizieller Dokumente, und Zeitzeugen-Interviews zu erzählen weiß.

Nur vier Tage vor der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs liefern sich amerikanische Soldaten unter dem Kommando von Captain John „Jack“ Lee in der Bergen Tirols ein Gefecht mit versprengten SS-Einheiten um das Schloss Itter im Brixental. Die mittelalterliche Festung diente zwischen 1943 und 1945 als Außenlager des Konzentrationslagers Dachau, in dem die SS eine Reihe prominenter Gefangener inhaftiert hatte – unter ihnen die ehemaligen französischen Premierminister Edouard Daladier und Paul Reynaud sowie die Schwester von General Charles de Gaulle.

Das Kuriose an der Geschichte ist aber vor allem, dass an der Seite der amerikanischen GIs ein Trupp Wehrmachtssoldaten unter dem Befehl von Major Josef Gangl kämpfte. Der hochdekorierte Wehrmachtsoffizier, der längst seinen Glauben an „Reich und Führer“ und den „Endsieg“ verloren hatte, wollte das Leben seiner Soldaten nicht länger für die falsche Sache opfern und hatte sich kurzerhand dem österreichischen Widerstand angeschlossen. Er war es, der die Amerikaner nach Schloss Itter lotste, um die französischen Inhaftierten vor ihrer möglichen Erschießung durch die SS zu retten. Seine 14 Soldaten unterstellte Gangl dem Kommando von US-Captain Lee, der somit als einziger amerikanischer Offizier in die Geschichte eingehen sollte, der während des Krieges Wehrmachtssoldaten befehligte.

Die Geschichte über diese „letzte Schlacht“ im Mai 1945 stellt im gewissen Sinne auch ein Symbol für die Gemütszustände der Deutschen dar, die von fanatischem Gehorsam über zerstörte Illusionen bis hin zu einem letzten Aufbegehren gegen das NS-Regime reichten. aw