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NSA-Untersuchungsausschuss : »Keine besondere Entscheidung«

Als Kanzleramtsminister ließ Thomas de Maizière die USA im Jahr 2008 mit dem Vorschlag abblitzen, gemeinsame Lauschaktivitäten zu intensivieren

22.06.2015
2023-08-30T12:28:04.7200Z
2 Min

Der Zeuge legt Wert auf sein unbeschwertes Verhältnis zu den USA: "Ich bin", sagt Thomas de Maizière, "wie Sie wissen, Atlantiker." Eigentlich hätte er sich also die Sache damals zu Herzen nehmen müssen. Hat er aber nicht: "Ich habe das nicht als besondere Entscheidung empfunden."

Die Episode, über die der Bundesinnenminister am Donnerstagabend dem NSA-Untersuchungsausschuss berichtete, hat sich Anfang 2008 abgespielt. Für SPD-Obmann Christian Flisek markierte sie eine "Zäsur" in der Kooperation des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem US-Geheimdienst: Der damalige Kanzleramtschef de Maizière ließ auf Anraten des BND die Amerikaner mit dem Vorschlag abblitzen, die gemeinsamen Lauschaktivitäten zu intensivieren.

Die Episode ist mittlerweile von Spekulationen umrankt. Hatte das Kanzleramt damals bereits konkrete Erkenntnisse, dass die NSA in der Kooperation mit dem BND eigene, mit deutschen und europäischen Interessen nicht unbedingt vereinbare Anliegen verfolgte? Gab es womöglich konkrete Hinweise auf verdächtige "Selektoren", also Suchmerkmale beim Abhören?

Das Kanzleramt sei spätestens 2008 gegenüber den Absichten der US-Geheimdienste "bösgläubig" gewesen, hatte der damalige BND-Chef Ernst Uhrlau im Ausschuss angedeutet. Dem widersprach am Donnerstag außer de Maizière noch ein Zeuge, der für die Geheimdienste zuständige Staatssekretär im Kanzleramt, Klaus Dieter Fritsche. Mit Misstrauen gegen die Amerikaner habe die damalige Entscheidung nichts zu tun gehabt, betonte Fritsche, der im Kanzleramt bereits unter de Maizière die Geheimdienste koordiniert hatte.

Stein des Anstoßes war die Operation "Eikonal", bei der BND und NSA zwischen 2004 und 2008 gemeinsam einen Glasfaserknotenpunkt der Telekom anzapften, um den kabelgestützten internationalen Datenverkehr zu überwachen. Das Problem dabei war nach Fritsches Worten, jene Teilnehmer herauszufiltern, die als deutsche Staatsbürger unter dem Schutz des grundgesetzlich verbürgten Fernmeldegeheimnisses standen.

Es habe aber noch zwei weitere Gründe gegeben, Anfang 2008 auf den amerikanischen Wunsch nach Ausdehnung der Zusammenarbeit nicht einzugehen, sagte Fritsche: Zum einen die "industriepolitisch" motivierte Sorge, durch allzu enge Kooperation und daraus resultierende Abhängigkeit eigene Fähigkeiten auf die Dauer einzubüßen. Zum anderen das Gefühl auf deutscher Seite, dass die Partner nicht auf Augenhöhe zusammenarbeiteten.

De Maizière berichtete, er habe von "Eikonal" und gemeinsamen Lauschaktivitäten erstmals im Dezember 2007 erfahren bei einem Besuch des damaligen Geheimdienstkoordinators im Weißen Haus. In dem Gespräch sei es hauptsächlich um das iranische Nuklearprogramm gegangen. Nebenbei sei der Gast aus Washington auf die Frage zu sprechen gekommen, ob sich die Geheimdienstkooperation nicht noch intensivieren lasse. Er habe sich, berichtete de Maizière, dann beim BND kundig gemacht und sei auf Skepsis gestoßen. Nicht, weil es bereits Hinweise gegeben hätte, dass die NSA die Zusammenarbeit missbrauche, wohl aber "auf der Grundlage allgemeiner, nicht konkreter Einschätzungen über damit verbundene Risiken". Im Ergebnis sei "auf den Wunsch der US-Seite nicht eingegangen worden". Was de Maizière nach wie vor für keine große Sache hält: "Ich will nicht dicke tun, ich hätte entschieden, Eikonal einzustellen. Das trifft nicht zu."