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INTERNET : Unverzügliches Löschen

Provider haften für anonyme User-Kommentare

22.06.2015
2023-08-30T12:28:05.7200Z
2 Min

Der Streitwert war minimal und von eher symbolischem Charakter. Doch die Konsequenzen des Rechtstreits um die Providerhaftung sind enorm. Ein kommerzielles estnisches Online-Portal war von der Justiz des Landes zur Zahlung von 320 Euro Schadensersatz an den Besitzer einer Fährgesellschaft verpflichtet worden, der im Zusammenhang mit einem Konflikt um neue Fährrouten in der Ostsee auf der Webseite des Betreibers Delfi in anonymen Kommentaren beschimpft und beleidigt worden war. Der Menschenrechtsgerichtshof bestätigte jetzt die Verurteilung von Delfi und wies eine von Medienunternehmen wie Reuters, Guardian und Google unterstützte Klage zurück.

Nach der Straßburger Entscheidung müssen europaweit Provider damit rechnen, für diffamierende Stellungnahmen ihrer User künftig finanziell belangt zu werden: Die Europaratsrichter urteilten, dass die Betreiber kommerzieller Nachrichtenportale im Internet für beleidigende und rechtswidrige Kommentare anonymer Nutzer verantwortlich sind. Nach diesem Spruch sind Anbieter verpflichtet, bösartige Attacken nach der Veröffentlichung "unverzüglich" wieder zu entfernen: Delfi hatte die Tiraden gegen den Fährunternehmer erst sechs Wochen nach dessen Antrag auf Löschung vom Netz genommen. Der estnische Provider hatte in Straßburg geltend gemacht, dass man lediglich eine technische Plattform für die Publikation von Meinungsäußerungen zur Verfügung stelle, für die deren Verfasser verantwortlich seien. Das Straßburger Gericht warf Delfi jedoch vor, anonym auftretende User nicht zu registrieren und auch ansonsten keine Möglichkeit zu eröffnen, diese Nutzer zu identifizieren - weswegen sich die Opfer von Beleidigungen nicht direkt gegen deren Autoren wehren könnten.

Provider sind also fortan gut beraten, diffamierende Kommentare rasch zu entfernen und für eine Identifizierung anonymer User im Fall von Rechtsstreitigkeiten zu sorgen. Die Europaratsrichter betonen, dass ihr Urteil für kommerzielle Internetportale gilt, nicht aber für andere Diskussionsforen oder für Plattformen sozialer Medien.