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EU-GRENZEN : Verschärfte Kontrollen auf See

Die neue Mission »Triton« soll die europäische Mittelmeerküste sichern – und Flüchtlinge abschrecken

05.01.2015
2023-11-08T12:32:56.3600Z
3 Min

Einige Wochen lang schien es, als herrsche relative Ruhe vor den Küsten Süditaliens. Die unwirtlichere Jahreszeit und die Anfang November unter der Bezeichnung „Triton“ im südlichen Mittelmeer angelaufene Mission der EU-Grenzschutzagentur Frontex schienen Wirkung zu zeigen. Zwar kamen seitdem abermals mehr als 3.000 Menschen aus Nordafrika nach Italien. Flüchtlinge wie auch Schleuser schienen jedoch verstärkt die mit der Überfahrt verbundenen Risiken zu scheuen.

Dann kam der 5. Dezember und die Schreckensnachricht, dass 17 Flüchtlinge bei dem Versuch ertrunken seien, mit einem Schlauchboot von Libyen die Mittelmeerinsel Lampedusa zu erreichen. Ausgerechnet Lampedusa, in dessen unmittelbar Nähe im Oktober vergangenen Jahres 366 Menschen ihr Leben gelassen hatten. Die Insel ist zum Symbol der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung geworden. Unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse hatte Italien damals das Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“ beschlossen. 150.000 Menschen wurden seither vor dem Ertrinken bewahrt.

Die Kosten für die Operation – 9,3 Millionen Euro monatlich – trug Italien allein. Als die im Sommer unüberhörbaren Appelle aus Rom an die Partner, einen Teil der Kosten zu übernehmen, nichts fruchteten, beschloss die italienische Regierung, das Programm Anfang November bis Jahresende 2014 einzustellen.

Während „Mare Nostrum“ vorrangig die Aufgabe hatte, Menschenleben zu retten, endet der Aktionsradius von Triton rund 55 Kilometer südlich der europäischen Küsten. Obwohl Tausende von Menschen, auch durch nach wie vor im Mittelmeer patrouillierende italienische Schiffe, gerettet worden sind, liegt der Schwerpunkt des Programms auf Abschreckung und dem wirksameren Schutz von Europas Südgrenze. Zudem stehen für „Triton“ monatlich nur 2,9 Millionen Euro und damit weniger als ein Drittel der für zuletzt für „Mare Nostrum“ bereitgestellten Mittel zur Verfügung. Die seit 2005 mit Hauptquartier in Warschau ansässige EU-Agentur ist relativ knapp bei Kasse: Für ihre Aufgaben bei der Sicherung der EU-Außengrenzen und dem Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten stehen derzeit jährlich nicht einmal 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Große Hoffnungen ruhen auf dem seit 2013 aufgebauten europäischen System zur Grenzüberwachung (Eurosur). Schon länger hatte sich gezeigt, dass die Flüchtlingsrouten und der Umgang der Mitgliedstaaten damit wie kommunizierende Röhren wirken. So gab es wieder mehr Versuche, angesichts der verschärften Kontrollen vor Italien über weiter östlich im Mittelmeer gelegene Routen das rettende europäische Ufer zu erreichen.

Flüchtlingshilfsorganisationen, die sich besorgt über die zunehmende Abschottung der südlichen EU-Außengrenzen zeigen, haben die Entscheidung zur Beendigung von „Mare Nostrum“ scharf kritisiert. Beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière Anfang Dezember argumentiert, das italienische Programm sei zwar „im Prinzip richtig“ gewesen, habe sich aber in der Praxis als „Brücke nach Europa“ erwiesen. „Die Starken setzen sich durch, die Frauen und Mädchen landen in Bordellen in Europa, Menschen ertrinken im Mittelmeer, Menschenhändler machen wahnsinnige Gewinne“, beklagte de Maizière. Der Minister sprach sich für eine stärkere Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern aus.

Umstrittener ist seine Forderung nach Auffanglagern für Flüchtlinge in Nordafrika – obgleich er im Gegenzug und für den Fall einer gerechteren Verteilung von Migranten zwischen den EU-Partnern die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen in Aussicht stellte.

Anders als in der Vergangenheit, als Italien die meisten Flüchtlinge ungehindert in andere europäische Länder weiterreisen ließ, wird dort inzwischen ein Großteil registriert. Dies soll dem EU-rechtlich verankerten Grundsatz Nachdruck verleihen, wonach das Land der Einreise in die Europäische Union für das Asylverfahren zuständig ist.

Der Autor ist Korrespondent der FAZ in Brüssel.