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Integration : Vorbild Kanada

Das Punktesystem prämiert Qualifikationen

05.01.2015
2023-11-08T12:32:56.3600Z
2 Min

Von Willkommenskultur kann John Curtin nicht viel gehalten haben. Er hätte sich sonst kaum gewünscht, sein Land möge für immer ein „Außenposten der britischen Rasse“ bleiben. Freilich, es war zu Beginn der 1940er Jahre, als der Premierminister Curtin Australien regierte. Dass sich Multikulturalismus auch außerhalb Europas nicht von selbst versteht, macht sein Beispiel dennoch deutlich.

USA, Kanada, Australien: Als vor zwei Jahrzehnten hierzulande der Streit wogte, wie sich Deutschland mit seinen Migranten arrangieren sollte, waren die „klassischen Einwanderungsländer“ das allseits zitierte Referenzmodell. Befürworter einer restriktiven Politik argumentierten, dass die Bundesrepublik anders sei, eben „kein Einwanderungsland“. Auf der Gegenseite wurde ein Wandel im Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft angemahnt.

Die Süssmuth-Kommission, die im Juli 2001 ein Reformkonzept für das Zuwanderungsrecht vorlegte, empfahl ein „Punktesystem“ nach kanadischem Vorbild als Steuerungsinstrument. In einer Publikation der Bundeszentrale für Politische Bildung fand sich 2009 der Hinweis, dass unter jüngeren Migranten in Kanada der Anteil von Hochschulabsolventen mit über 50 Prozent doppelt so hoch liegt wie unter den im Land Geborenen.

Bei näherem Zusehen zeigt sich, dass das Leitbild einer homogenen Gesellschaft historisch keine deutsche Besonderheit ist. Kanada etwa machte schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Schotten dicht, um „Wirtschaftsflüchtlinge“ fernzuhalten. Australien folgte 1901 mit einer Regelung, die sich vor allem gegen Zuwanderer aus China und dem Südseeraum richtete. Zugleich wurde das Aufenthaltsrecht erstmals an eine formale Bildungsvoraussetzung geknüpft: Wer sich in Australien niederlassen wollte, musste ein Englisch-Diktat bestehen. In den USA ist die legale Zuwanderung seit 1921 strikt limitiert.

Diskriminierung Jahrzehntelang wurden zudem in allen drei Ländern Zuwanderer nichtweißer Hautfarbe, in Kanada sogar Italiener, diskriminiert. Einen Wandel bewirkte schließlich die Einsicht in die Realität: Mit hellhäutigen Zuwanderern allein war der Bedarf immer weniger zu decken. Kanada verzichtete 1967, Australien 1973 auf die Hautfarbe als Auswahlkriterium. Die USA ersetzten 1978 die „nationale Herkunftsformel“ durch ein weltweites Quotensystem.

In diesem Rahmen finden Jahr für Jahr Zuwanderer in begrenzter Zahl einen legalen Weg in die USA. Wer keinen Anspruch auf Familiennachzug geltend machen kann, benötigt ein Arbeitsplatzangebot eines im Land ansässigen Unternehmens, das dafür wiederum einer Erlaubnis der Arbeitsverwaltung bedarf. Ausnahmen gelten für Höchstqualifizierte. Auch wer als Unternehmer in einer strukturschwachen Gegend mindestens zehn Arbeitsplätze schafft, kann mit einem Daueraufenthalt belohnt werden. Rund 50.000 von den Aufenthaltsgenehmigungen schließlich werden jährlich weltweit verlost.

Vergleichsweise einfach haben es Arbeitsmigranten mit den Punktesystemen in Kanada und Australien: Sie prämieren individuelle Qualifikationen, Ausbildung, Sprachkompetenz, Berufserfahrung, nicht zuletzt ein möglichst jugendliches Alter. Zuwanderung soll sich rentieren.