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BRÜSSELER VORGABEN : »Der Korridor für nationale Extratouren wird enger«

Ob Autos, Kühlschränke oder Gebäude - mit zahlreichen Richtlinien prägt die EU die Klimapolitik ihrer Mitgliedsländer

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
3 Min

Vor genau zehn Jahren, am 20. Juni 2005, trat in Brüssel ein sehr erleichterter EU-Umweltkommissar vor die Presse. "Es kann losgehen", verkündete Stavros Dimas. Jahrelang hatte die EU an ihrem Emissionshandelssystem ("Emissions Trading System", ETS) gefeilt, das sie zum Herzstück ihrer Klimaschutzpolitik erklärt hatte. Nun war der letzte der 25 nationalen Zuteilungs-Pläne fertig: der aus Griechenland.

Also legte die EU los. Die Idee hinter dem ETS klang bestechend und gefiel im Grundsatz auch Umweltverbänden wie Greenpeace: Je mehr Kohlendioxid ein Industrieunternehmen produziert, umso mehr "Verschmutzungsrechte" muss es kaufen. Bis zum heutigen Tag ist das ETS der wichtigste Eckpfeiler der europäischen Klimaschutzstrategie.

Doch nicht nur die Schwerindustrie, sondern auch die europäischen Bürger bekommen die europäische Klimaschutzpolitik unmittelbar zu spüren. Den vom ETS nicht erfassten Emissionen rückt die EU mit einer Vielzahl anderer Instrumente und Gesetze zu Leibe. Zum Beispiel hat sie Regelungen erlassen, um den CO2-Ausstoß von Autos und Nutzfahrzeugen zu drosseln. Seit 2015 dürfen neue PKW nur noch 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen, dieser Wert soll noch weiter sinken. Auch Biokraftstoffe werden gefördert - allerdings wegen ihrer unklaren Klimaschutzbilanz nicht so stark wie zunächst geplant.

Ökodesign-Richtlinie Zur Klimastrategie gehört auch ein Regelwerk, das bei einigen Bürgern gemischte Gefühle auslöst: die Ökodesign-Richtlinie. Glühbirnen, Staubsauger, Kaffeemaschinen, Kühlschränke - unzählige Produkte verbrauchen aufgrund von EU-Vorgaben weniger Strom als früher. Je strengere Zielvorgaben die EU sich zur Energieeffizienz gebe, umso mehr dieser "planwirtschaftlichen" Maßnahmen würden nötig, schimpfen einige EU-Parlamentarier wie etwa der CDU-Mann Herbert Reul. Fachbehörden wie das Umweltbundesamt befürworten die Richtlinie.

Auch bei Gebäuden sei wesentlich mehr Energieeffizienz nötig, findet die EU-Kommission. Im Immobilienbereich bestehe "erhebliches Potenzial" dafür. Ab 2021 müssen Neubauten laut EU-Recht energieautark sein, also ebenso viel Energie produzieren, wie sie verbrauchen. Ob Solarpanels auf dem Dach oder eine bessere Wärmedämmung - längst lenken die europäischen Regierungen die Hausbesitzer in die entsprechende Richtung. Auch öffentliche Gebäude in Europa müssen Energiespar-Standards einhalten.

Für die Industrie hat die EU ebenfalls eine ganze Reihe von Klimaschutz-Vorgaben erlassen. Um ihre Ziele zu erreichen, nimmt die EU viel Geld in die Hand: Zwischen 2014 und 2020 sollen rund 200 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen. Das besagt zumindest eine Absichtserklärung der EU-Staats- und Regierungschefs. Die EU hilft dabei auch Entwicklungsländern, damit diese ihre Emissionen drosseln und mit den gefährlichen Folgen des Klimawandels besser fertig werden können.

Gemischte Bilanz Trotz der Vielzahl europäischer Initiativen sei der nationale Spielraum der 28 EU-Länder im Moment noch erheblich, unterstreicht der Europaabgeordnete und Umweltexperte Jo Leinen (SPD). So hätten nicht alle Länder gleich strenge Auflagen hinsichtlich des EU-Gesamtziels, bis zum Jahr 2020 20 Prozent des Kohlendioxids gegenüber 1990 einzusparen. Länder mit schwacher Wirtschaft dürften ihre Emissionen sogar erhöhen, erläutert er. Auch die Entscheidung über den Energiemix falle in nationales Hoheitsrecht. Auf dem Weg zu den EU-Zielmarken für 2030 und 2050 werde die Harmonisierung der Politiken dann immer größer, sagt Leinen: "Der Korridor für nationale Extratouren wird immer enger."

Die Erfolgsbilanz der EU-Klimaschutzpolitik freilich ist bisher durchwachsen. Einige positive Ergebnisse bei der CO2-Eindämmung kann Europa vermelden - die aber zum Teil der wirtschaftlichen Krise geschuldet sind. Gleichzeitig rutschte der Klimaschutz in den Krisenjahren auf der politischen Prioritätenliste nach unten. Verantwortlicher EU-Kommissar ist inzwischen der Spanier Miguel Arias Cañete, auch für Energie zuständig. "Überzeugender war seine Vorgängerin Connie Hedegaard", meint eine Fachbeamtin der EU-Kommission aus dem Bereich Klimaschutz. "Sie wollte wirklich etwas erreichen, sie war kämpferisch."

Die Autorin ist Korrespondentin der Nachrichtenagentur epd in Brüssel.