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NSA-AUSSCHUSS : Intensivkurs Drohnenkrieg

Ein ehemaliger US-Pilot liefert Einblicke in seinen Arbeitsalltag

19.10.2015
2023-08-30T12:28:10.7200Z
4 Min

Zwei Stunden waren verflossen, als Konstantin von Notz offenbar begann, sich Sorgen zu machen. Er habe ja jetzt, wandte sich der grüne Abgeordnete an den Zeugen, eine ganze Zeitlang offenherzig über die vertraulichsten Dinge Auskunft gegeben: "Ist das ein rechtliches Problem für Sie? Müssen wir damit rechnen, dass Ihnen am Pariser Platz eine Kapuze über den Kopf gezogen wird?"

Immerhin: Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden sitzt im russischen Exil, der Ex-Soldat Bradley Manning im Gefängnis. Sich mit den Geheimschutzinteressen der Vereinigten Staaten anzulegen, kann Folgen haben. Und auch Brandon Bryant ist aufs Schärfste verwarnt worden, als er Anfang 2011 der US-Luftwaffe den Rücken kehrte: Sieben Jahre lang müsse er striktes Stillschweigen über seine Tätigkeit bewahren, wurde ihm bedeutet. "Sieben Jahre oder Tod, das waren ihre Worte", berichtete Bryant am vergangenen Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss ("NSA").

Der Ausschuss, der geheimdienstliche Verflechtungen zwischen Deutschland und den USA zu entwirren trachtet, nähert sich einem neuen Untersuchungsfeld. Die Frage lautet, inwieweit deutsche Behörden in den Drohnenkrieg der USA verstrickt sind, in "extralegale Tötungen" mutmaßlicher radikalislamischer Freischärler aus der Luft. Der frühere Luftwaffen-Sergeant Bryant bescherte den Abgeordneten einen Intensivkurs darüber, was das ist, der Drohnenkrieg. Und was er mit den Menschen macht, die ihn führen.

"Wir waren nicht sehr hoch angesehen. Alle anderen Flieger haben uns gehasst. Die Leute, die diese Einsätze durchführen, werden misshandelt. Letztlich nimmt man uns unsere Menschlichkeit." Die Luftwaffe habe ihm 109.000 Dollar geboten, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Doch Bryant hatte genug, nach fünf Jahren und fünf Tagen im Drohneneinsatz, so genau hat er die Dauer seiner Dienstzeit im Kopf. Er brachte es in diesen Jahren auf 6.000 Flugstunden und war an 1.626 Todesschüssen beteiligt, wie ihm seine Vorgesetzten zum Abschied bescheinigten. Seither ist Bryant als Kritiker der "geheimen Kriegführung" seiner Regierung unterwegs.

Es gab wenig Freiwillige Vielleicht wäre es nie so weit gekommen, hätte er nicht nach dem High-School-Abschluss 2005 im heimatlichen Montana einen Freund zum Rekrutierungsbüro der Armee begleitet, wo ihm die Vorzüge einer Luftwaffenkarriere in leuchtenden Farben geschildert wurden. Die Armee finanziere die Ausbildung, man komme in der Welt herum: "Wenn man 19 Jahre alt ist, klingt das gut."

Beim Aufnahmetest schnitt Bryant vorzüglich ab, eine Verwendung im Nachrichtendienst der Luftwaffe stand in Aussicht. Stattdessen landete er auf einem Stützpunkt in Nevada und geriet an einen Captain, der ihm eröffnete: "Okay, euer Job ist es, Menschen zu töten." Bryant protestierte. Er glaube nicht, dass er dazu in der Lage sei. Man habe ihm versichert, dass er beim Nachrichtendienst nie auf jemanden werde schießen müssen. "Bryant, du hast einen Eid geleistet", war die Antwort.

Als "Sensor Operator" hatte Bryant die Kamera der Drohne zu steuern und die Ziele zu markieren. Neben ihm vor Bildschirmen und Monitoren "in einer isolierten Box" saß der Pilot, dem es oblag, das Gerät in der Luft zu halten und gegebenenfalls den Abzug zu bedienen. In der Regel ein ausgebildeter Kampfflieger, der aus irgendeinem Grund strafversetzt war: "Es gab wenige, die freiwillig ins Drohnenprogramm gingen." Warum auch? Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche auf Bildschirme starren: "Ich habe zugesehen, wie Menschen auf der anderen Seite des Globus ihr Leben führen. Wie Frauen Wäsche waschen, Kinder spielen, Menschen Sex hatten auf dem Dach."

Zentrale in Ramstein Über 100 Leute seien beteiligt, berichtete der Zeuge, um die Drohne fliegen zu lassen. Unter ihnen Pilot und Kopilot in der Box. Fünf "Screener", die die von der Drohne gelieferten Bilder zu beobachten und auszuwerten haben. Der Einsatzkoordinator, ein Funkaufklärer. Und irgendwo die Befehlsgeber, von denen die Drohnenpiloten als von ihren "Kunden" zu sprechen pflegten.

Und die deutsche Verstrickung? Das Thema, dem der Ausschuss nachspürt? "Deutschland ist der größte Verbündete der USA. Deutschland hat Einfluss darauf, in welche Richtung mein Land geht", betonte Bryant. Nach seiner Erfahrung wäre der Drohnenkrieg in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten ohne Unterstützung von deutschem Boden aus gar nicht zu führen. Die wichtigste Signal-Relais-Station für diese Region sei die US-Luftwaffenbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein.

"Jede einzelne Dateninformation, die zu Fluggeräten und Mannschaften übertragen wird, lief über Ramstein", berichtete Bryant. Über ein transatlantisches Glasfaserkabel gelangen die Signale von dort in die USA. Bei jedem Dienstantritt musste Bryant erst in Ramstein anrufen, um sich zu vergewissern, dass die Leitung stand. Seine Vorgesetzten hätten im versichert, dass die Amerikaner in Ramstein nichts hinter dem Rücken der deutschen Regierung täten. Diese sei über die Bedeutung des Stützpunkts für den Drohnenkrieg im Bilde.

Zu der Frage, ob der Bundesnachrichtendienst (BND) den USA möglicherweise Handynummern genannt hat, die dann bei Drohneneinsätzen Verwendung fanden, wusste der Zeuge aus eigenem Erleben nichts zu sagen. Er bestätigte freilich die enorme Wichtigkeit dieser Daten, um Ziele zu orten. Jede Drohne sei mit einem Gerät zur Erfassung des Mobilfunkverkehrs ausgestattet. Er selbst sei einmal am Beschuss eines Hauses beteiligt gewesen, aus dem heraus mit einem als verdächtig identifizierten Handy telefoniert wurde: "Wenn die deutsche Regierung eine Mobilfunknummer kennt und an die USA weitergibt, kann man sie nutzen, um ein Individuum zu exekutieren."

Bryant hat an Drohnenflügen über Afghanistan, Pakistan, Somalia, dem Irak und dem Jemen mitgewirkt. In diesen Einsatzgebieten galt jede männliche Person über zwölf Jahren als legitimes Ziel. Nur auf Frauen und Kinder, "Raben" und "Krähen" im Militärjargon, durfte nicht geschossen werden.