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RechtsTERRORISMUS : Fehler der Vergangenheit als Lehren für die Zukunft

Erneut soll sich ein Untersuchungsausschuss den vielen noch ungeklärten Fragen zum NSU widmen

19.10.2015
2023-08-30T12:28:10.7200Z
3 Min

Parteiübergreifend und allein mit dem Ziel der Aufklärung soll der neue Untersuchungsausschuss arbeiten, den der Bundestag zu den Verbrechen der rechtsradikalen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) einsetzen will. Das bekräftigten Abgeordnete aller vier im Parlament vertreten Fraktionen am vergangenen Freitag in einem Pressegespräch. Der Ausschuss mit dem Namen "Terrorgruppe NSU II" ist der dritte Untersuchungsausschuss in dieser Legislaturperiode und der zweite des Bundestags zu diesem Komplex.

An dem Gespräch nahmen die vier Berichterstatter zum Thema NSU aus dem Innenausschuss des Bundestages teil. Wie der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger sagte, sei man gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die noch offenen Fragen dazu "nicht allein mit den Instrumenten des Innenausschusses klären" ließen. Er verwies darauf, dass auch zu zeitlich noch viel weiter zurückliegenden Terrortaten wie der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 oder dem Oktoberfest-Anschlag 1982 bis heute vieles unklar sei. Man wolle jetzt "Zeit und Gelegenheit" nutzen, so viel Licht wie möglich in den NSU-Komplex zu bringen. Als einen Schwerpunkt der Ausschusstätigkeit nannte Binninger die Vorgänge in Eisenach und Zwickau nach der Enttarnung der Terrorgruppe am 4. November 2011.

"Totales Staatsversagen" Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) schloss sich Binningers Einschätzung an und sagte, zu keinem der zehn Morde, die dem NSU angelastet werden, könne man bisher "die abschließende Geschichte erzählen". Die Verbrechensserie der Terroristen sei ein "Desaster", das auch auf "totales Staatsversagen" zurückgehe. Sie kritisierte, dass man im ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, der von Januar 2012 bis zum Sommer 2013 tagte, bei Zeugen aus den Sicherheitsbehörden eine "Schwarmdemenz" habe feststellen müssen. Sie verwies zudem auf Parallelen in der Gegenwart. So ähnelet die Radikalisierung der Pegida-Bewegung nach Paus Einschätzung gefährlich der NSU-Entstehungsgeschichte. Wie später auch die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic erinnerte Pau an die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Staatsakt für die NSU-Opfer am 23. Februar 2012, in der die Regierungschefin den Angehörigen eine umfassende Aufklärung der Verbrechen versprochen hatte.

Es sei eine "schwerwiegende Entscheidung" gewesen, zu dem Thema einen weiteren Untersuchungsausschuss einzurichten, sagte die SPD-Abgeordnete Eva Högl. Auch sie verwies auf die aktuelle Situation, in der man eine gefährliche "Vernetzung und Radikalisierung von Rechtsextremen" feststellen könne. Es müsse auch von Seiten des Bundestags alles dafür getan werden, aus den NSU-Taten die richtigen Lehren zu ziehen. Högl gab bekannt, dass sich der neue Ausschuss im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch die Möglichkeit offen halten wolle, V-Leute als Zeugen zu hören.

Auch für Eva Mihalic von den Grünen ist das Agieren der V-Leute im Umfeld des NSU-Trios von hohem Interesse. In diesem Zusammenhang müsse zudem die Strategie des Verfassungsschutzes im Umgang mit der rechtsradikalen Szene näher beleuchtet werden. Mihalic sieht ebenfalls eine Parallele zwischen der Radikalisierung der späteren NSU-Mitglieder und den aktuellen Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Zentrales Ziel sei es, alles dafür zu tun, damit sich so etwas wie die Verbrechen des NSU nie wiederholen könne.

Erste Sitzung im Dezember Einig waren sich die vier Berichterstatter auch darin, dass die politische Verantwortung für die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden nicht erneut geklärt werden soll. "Noch mal Otto Schily, Günther Beckstein oder Volker Bouffier gäbe zu wenig her", sagte Binninger. Das gemeinsame Interesse aller vier Fraktionen an weiterer Aufklärung bedeute aber nicht, dass politische Differenzen verschwänden. So gebe es weiterhin unterschiedliche Einschätzungen zu der Frage, ob der Verfassungsschutz und das Instrument der V-Leute reformiert oder ganz abgeschafft werden sollen, wie es die Linke fordert. Der Antrag zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses soll in der nächsten Sitzungswoche Anfang November ins Parlament eingebracht und in der Folgewoche beschlossen werden. Die erste Sitzung ist für Dezember geplant.