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Flüchtlinge : Bund gibt Eilpaket auf

Große Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für umstrittene Asylrechtsreformen

19.10.2015
2023-08-30T12:28:11.7200Z
4 Min

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist es "eine gute Botschaft an die Menschen": Nur drei Wochen nach dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern haben Bundestag und Bundesrat vergangene Woche ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs über die parlamentarischen Hürden gehoben. Das "zeigt, dass unser Land nicht nur in Finanzkrisen schnell, flexibel und im Geiste des Miteinanders reagieren kann", freute sich Merkel im Bundestag in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel (siehe Seite 4). Bund und Ländern sei es gemeinsam gelungen, ein "gutes nationales Gesamtpaket zu vereinbaren".

Im Bundestag stimmten 475 von 599 Abgeordneten für das "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz" (18/6185) in modifizierter Fassung (18/6386). 68 Parlamentarier - darunter geschlossen die Linksfraktion - votierten dagegen. 56 Abgeordnete, zu denen die meisten Grünen-Parlamentarier zählten, enthielten sich. Im Bundesrat stimmte auch eine Reihe von Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung der Vorlage zu und verhalfen ihr so zur erforderlichen Mehrheit.

»Neue Wege« Merkel betonte, mit dem "in kürzester Zeit erarbeiteten Paket" werde zum 1. November die Voraussetzung dafür verbessert, "dass diejenigen, die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen und sich daher zu Unrecht auf unser Grundrecht auf Asyl berufen, unser Land schneller als bisher wieder verlassen", damit die tatsächlichen Kriegsflüchtlinge besser und effizienter als bislang Hilfen bekommen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wertete den Gesetzentwurf im Bundestag als "größte und umfassendste Veränderung des Asylrechts seit Anfang der 90er Jahre" (siehe Text unten). Damit gehe man "neue Wege", um der "großen Herausforderung" der Flüchtlingskrise gerecht zu werden, sagte der Ressortchef. Die Zahl derer, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, sei "einfach zu hoch". Man arbeite "international, europäisch und national" mit Hochdruck daran, sie zu verringern. Dazu leiste das Gesetzespaket einen wichtigen Beitrag. "Die Alternative ist nicht totale Abschottung oder totale Öffnung - es ist eines Frage des Maßes", fügte der Minister hinzu. Zugleich stellte er klar: "Wir bekennen uns zur Aufnahme und Integration der schutzbedürftigen Flüchtlinge."

SPD-Fraktionsvize Eva Högl betonte, Deutschland sei ein starkes, weltoffenes und reiches Land, das die Menschen willkommen heiße und hilfsbereit sei. Auch brauche die Bundesrepublik Einwanderung. Um aber auch helfen zu können, dürften nicht dauerhaft 10.000 Flüchtlinge täglich nach Deutschland kommen. Daher müsse man die Zuflucht begrenzen.

»Offener Verstoß« Für die Fraktion Die Linke äußerte ihr stellvertretender Vorsitzender Jan Korte scharfe Kritik an der Gesetzesvorlage. Die Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung sechs statt drei Monate zu leben, nannte Korte ebenso "inakzeptabel" wie den Wechsel von Bargeld- zu Sachleistungen für Flüchtlinge. Zugleich warf er der Koalition einen "offenen Verstoß gegen ein klares Urteil des Bundesverfassungsgerichtes mit Blick auf die Leistungskürzungen" vor.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sah in dem Gesetzespaket "gute Instrumente", aber auch "zahlreiche schlechte, verfassungsrechtlich problematische und vielfach einfach untaugliche". Seine Fraktion bejahe eine strukturelle und dauerhafte finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen sowie ein einfacheres Planungsrecht, "das möglichst viele Flüchtlinge vor dem kommenden Winter hoffentlich aus den Zelten holt", sagte Notz. Zugleich wandte er sich wie Korte entschieden gegen die Einstufung weiterer Westbalkan-Staaten als sichere Herkunftsländer sowie die vorgesehenen Leistungskürzungen und den Wechsel von Geld- zu Sachleistungen.

Demgegenüber mahnte Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU), man könne nur so viele Flüchtlinge aufnehmen, "wie wir integrieren können, ohne unsere Kultur, unsere Identität zu gefährden". "Allerwichtigstes Ziel" sei es jetzt, "die Außengrenzen Europas wirksam und lückenlos zu schützen und dafür zu sorgen, dass nur so viele nach Europa kommen, wie wir verkraften können".

Die Kanzlerin kündigte in der Debatte an, dass den Maßnahmen des Gesetzespakets "weitere folgen" werden: Derzeit rede man über die Umsetzung zweiter EU-Richtlinien "inklusive der Option eines Transitverfahrens im Landgrenzenbereich", fügte sie hinzu.

Streit um Transitzonen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich von dieser Option "wenig überzeugt". Man sei sich "einig, dass die Flüchtlinge mit Bleiberecht schnell integriert und die ohne Bleiberecht schnell zurückgeführt werden sollen" und "die Geschwindigkeit, mit der die Flüchtlinge zu uns kommen, deutlich verringert werden muss", sagte er. "Grenzhaftlager für Tausende von Flüchtlingen" seien aber mit der SPD nicht zu machen. Auch Korte warnte für Die Linke, wenn man das mache, "schafft man Massenhaftanstalten". Auch mache dies nur Sinn, "wenn die Grenzen komplett geschlossen und neue Mauern gebaut werden". Dagegen betonte CSU-Mann Friedrich, Transitzonen an den deutschen Grenzen würden gebraucht, "weil das ein notwendiges Stoppsignal" sei, "das gesendet werden muss, damit es verstanden wird".