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GESUNDHEIT : Teurer Flitzer auf der Datenautobahn

Streit über die elektronische Gesundheitskarte und sensible Patientendaten

19.01.2015
2023-11-08T12:33:07.3600Z
3 Min

Wenn es um Autos geht, kennen die Deutschen ja bekanntlich keinen Spaß. Was die neue elektronische Gesundheitskarte (eGK) damit zu tun hat? Eigentlich nichts, es sei denn, die Abgeordneten im Bundestag beraten gerade bildreich über Wohl und Übel einer chancenreichen, in jedem Fall kostspieligen und mit Datenschutzrisiken behafteten Zukunftstechnologie im Gesundheitswesen. Und so war in der vergangenen Woche in der Debatte über einen Antrag der Linksfraktion (18/3574) mit dem Ziel, die eGK zu stoppen, auf einmal von Sportwagen, Datenautobahnen und Gangwechseln die Rede.

Die elektronische Gesundheitskarte, ein Projekt von 2004, ist nach allerlei Verzögerungen erst Anfang 2015 verbindlich eingeführt worden. Die alte Versichertenkarte hat ihre Gültigkeit verloren, was die Linken ganz schlecht finden und am liebsten zurückdrehen würden. Das Projekt habe schon rund 1,2 Milliarden Euro verschlungen und das für eine Karte, die bisher nicht mehr könne als die alte, somit unwirtschaftlich und unzweckmäßig sei, sagte Kathrin Vogler von der Linksfraktion. Die Karte habe nicht einmal genügend Platz, um einen Medikationsplan abzuspeichern, rügte Vogler und hielt der Regierung vor, einen Sportwagen gebaut zu haben, der nicht mal genügend Platz im Kofferraum habe, um eine Getränkekiste abzustellen.

Digitale Vernetzung  Auf der neuen Gesundheitskarte ruhen große Hoffnungen, soll sie doch in der Zukunft alle Basisinformationen über die Versicherten enthalten, verschlüsselt zugänglich für alle wichtigen Akteure im Gesundheitswesen. Über eine Telematikinfrastruktur soll zudem das gesamte Gesundheitswesen elektronisch vernetzt werden, um Zeit und Wege zu sparen und damit Geld. So könnte auch die Möglichkeit geschaffen werden, in ländlichen Gebieten die medizinische Versorgung jederzeit zu gewährleisten, unter anderem mit Hilfe der Telemedizin. In diesem Jahr will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein sogenanntes E-Health-Gesetz vorlegen, in das die neuen technischen Standards einfließen sollen.

Die Datensicherheit spielt eine zentrale Rolle bei dem Projekt und wird gerade vor dem Hintergrund immer neuer Hackerangriffe kontrovers diskutiert. Aus Sicht der Linken ist ein Datenmissbrauch in diesem sensiblen Bereich geradezu unausweichlich. Die CDU-Gesundheitsexpertin Katja Leikert hielt der Linksfraktion vor, „völlig überzogene Schreckensszenarien zu zeichnen“ und „Obstruktionspolitik“ zu betreiben im Hinblick auf ein „national bedeutendes Großprojekt“, bei dem 70 Millionen Versicherte, 2.100 Krankenhäuser, 21.000 Apotheken und 208.000 Ärzte miteinander vernetzt würden.

Die fortschreitende Digitalisierung sei im Gesundheitswesen angekommen und biete Vorteile gegenüber der alten Vorgehensweise, Karteikarten auszufüllen, Befunde zu faxen und Arztbriefe per Post zu verschicken. Leikert räumte ein, dieses Projekt habe bereits „sehr viel Geld“ gekostet, aber im Bau sei nun eine Datenautobahn, auf der bald „viele Sportwagen flitzen“ könnten. Die Daten würden nicht auf einem Zentralserver gespeichert, sondern dezentral. Zudem dürften die Versicherten entscheiden, welche Daten über die Karte abrufbar seien und wem sie diese zugänglich machen wollten.

Die Grünen teilen die Sorgen der Linken, was die Datensicherheit angeht, wollen sich den Schlussfolgerungen aber nicht anschließen. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink forderte, die Gesundheitsdaten mit den „höchstmöglichen Standards“ zu sichern. Es sei aber nicht der richtige Weg, die Gesundheitskarte zu stoppen. Die Linken stellten zwar die richtigen Fragen, gäben aber die falschen Antworten. Klein-Schmeink mahnte beschleunigte Verfahren und klare Zeitpläne an. Das Projekt sei sinnvoll, habe aber bisher „eine erbärmliche Ausbeute“ erbracht.

Der SPD-Abgeordnete Dirk Heidenblut versicherte, der Datenschutz sei gewährleistet. Aus seiner Sicht sei eine funktionierende Telematikinfrastruktur der künftige „Schlüssel für die Kommunikation im Gesundheitswesen“. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen hat nach Ansicht von Union und SPD das Projekt in der Vergangenheit eher blockiert als gefördert. Heidenblut mahnte daher: „Wir müssen einen Gang zulegen.“.