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DEUTSCHLAND : Auf dem schmalen Grad zwischen Freiheit und Sicherheit

Sicherheitsgesetze in Deutschland seit den Terrorangriffen des 11. September 2001

19.01.2015
2023-11-08T12:33:07.3600Z
3 Min

„Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war.“ Dieser Satz, der in den Wochen nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 oft zu hören und zu lesen war, galt auch für das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, zwischen Sicherheits- und Freiheitsbedürfnissen. So schränkte der bereits im Oktober 2001 vom US-Kongress verabschiedete Patriot Act die Bürgerrechte in einem in den Vereinigten Staaten bis dahin undenkbaren Umfang ein.

»Otto-Katalog « Auch in Deutschland reagierten Regierung und Gesetzgeber auf die terroristische Bedrohung. Etliche der gesetzlichen Neuregelungen führten zu innenpolitischen Kontroversen und zu Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Bereits wenige Wochen nach dem 11. September verabschiedete der Bundestag eine Reihe von Gesetzen, die der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) vorgelegt hatte. Mit diesem Sicherheitspaket I wurde die Mitgliedschaft in ausländischen Terrorvereinigungen oder deren Unterstützung unter Strafe gestellt. Bislang galt dies nur für inländische Terrorgruppen. Damit wurde auf den Umstand reagiert, dass Deutschland von führenden Attentätern des 11. Septembers als so genannter „Ruheraum“ genutzt worden war. Zudem wurde das Religionsprivileg gestrichen. Dies sah vor, dass Religionsgemeinschaften nicht als Vereine im Sinne des Vereinigungsgesetzes angesehen wurden und deshalb auch nicht deren Einschränkungen unterlagen.

Im Dezember 2001 verabschiedete der Bundestag schließlich das Sicherheits- paket II, das als „Otto-Katalog“ für Furore sorgte. Es räumte dem Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt deutlich höhere Befugnisse bei der Beschaffung von Informationen ein, etwa bei Telekommunikationsunternehmen, Banken und der Post. Die Regelungen waren zwar zeitlich begrenzt, wurden 2006 und 2011 jeweils verlängert, zuletzt bis 2015.

Rasterfahndung  Für heftige innenpolitische Auseinandersetzungen sorgte die im Jahr 2002 durchgeführte bundesweite Rasterfahndung nach islamistischen Terroristen in Deutschland. In deren Verlauf wurden die Daten von mehr als acht Millionen Menschen erfasst und rund 1.700 Personen näher überprüft. Die Fahndung brachte jedoch keine Ergebnisse. Im Jahr 2006 schränkte das Bundesverfassungsgericht die Rasterfahndung erheblich ein. Eine präventive Überprüfung ohne konkreten Verdacht sei verfassungswidrig, urteilte es.

Flugzeugabschuss  Zu den umstrittensten Gesetzen gehört neben dem über die Vorratsdatenspeicherung auch das von Schily vorgelegte und vom Bundestag verabschiedete Luftsicherheitsgesetz, das im Januar 2005 in Kraft trat. Das Gesetz sollte es ermöglichen, ein entführtes Passagierflugzeug abzuschießen, um einen Terrorangriff nach dem Vorbild des 11. Septembers zu verhindern. Das Gesetz war verfassungsrechtlich von Anfang an umstritten. Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnete es nach langer juristischer Prüfung durch sein Amt trotz „erheblicher Zweifel“, regte zugleich jedoch seine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an. Dieses erklärte in seinem Urteil vom Februar 2006 die Abschussermächtigung als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen, weil der Einsatz der Streitkräfte in Friedenszeiten im Inland nicht erlaubt sei, zum anderen, weil er gegen die Grundrechte auf Leben und die Unantastbarkeit der Menschenwürde verstoße.

Im Jahr 2012 revidierte Karlsruhe seine Entscheidung jedoch in Teilen. Der Einsatz der Bundeswehr im Inland sei dann erlaubt, wenn eine „Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ vorliege. Darüber habe die Bundesregierung zu befinden.

Biometrische Daten  Seit dem Jahr 2005 werden gemäß einer Einigung zwischen den EU-Staaten nur noch Reisepässe mit einem biometrischen, digitalisierten Passbild ausgegeben. Zwei Jahre später wurde der digitalisierte Fingerabdruck hinzugeführt.

Vorratsdatenspeicherung  Ebenfalls für verfassungswidrig erklärte Karlsruhe im Februar 2010 das im November 2007 vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, mit dem entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt werden sollte. Das Gesetz sah eine sechsmonatige Speicherung von Verbindungsdaten bei der Telefon-, Mail- und Internetnutzung durch die jeweiligen Anbieter vor. Das Verfassungsgericht ordnete die sofortige Löschung aller bislang gespeicherten Daten an. Im April 2014 kippte der Europäische Gerichtshof zudem die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Sie sei nicht vereinbar mit der Europäischen Grundrechtecharta. Aus der politischen Diskussion ist die Vorratsdatenspeicherung hingegen nicht verschwunden.

Anti-Terror-Datei  Im Dezember 2006 verabschiedete der Bundestag das vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgelegte Gesetz zur Schaffung einer Anti-Terror-Datei. Diese Datenbank kann von 38 unterschiedlichen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern genutzt werden. Im April 2013 forderte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil jedoch Nachbesserungen am Gesetz, um unbescholtene Bürger besser zu schützen.

Online-Durchsuchung  Umstritten war auch die Novellierung des Bundeskriminalamtgesetzes im Dezember 2008, mit der das BKA neue Befugnisse bei der Terrorabwehr eingeräumt bekam. Waren dafür bislang die Länder zuständig, darf jetzt auch das BKA tätig werden – zumindest bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Zudem wurden dem BKA eine Reihe neuer Befugnisse eingeräumt, zum Beispiel die so genannte Online-Durchsuchung. Das Verfassungsgericht billigte dies, „wenn es Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut“ gibt.