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KLIMASCHUTZ : Eine Frage der Verantwortung

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gibt sich zuversichtlich. Opposition fordert deutlich mehr Einsatz in der nationalen Klimapolitik

07.12.2015
2023-08-30T12:28:14.7200Z
5 Min

Dass der Klimawandel eine Gefahr ist und von der UN-Klimakonferenz ein Aufbruch für den Klimaschutz ausgehen muss, darin sind sich Koalition und Opposition im Deutschen Bundestag einig. Ob Deutschland aber die oft proklamierte Vorreiterrolle bei dem Thema übernimmt oder doch noch mehr tun muss, das ist zwischen CDU/CSU und SPD auf der einen und Grünen und Linken auf der anderen Seite umstritten. Vergangene Woche hatte die Parlamentarier gleich zweimal die Gelegenheit, darüber zu streiten: Während am Donnerstag der Klimaschutzbericht 2015 der Bundesregierung (18/6840) und die Antwort (18/6763) auf eine Große Anfrage der Grünen (18/5489) auf der Tagesordnung stand, ging es am Freitag vornehmlich um den Pariser Klimagipfel.

Es gehe in der französischen Hauptstadt um nichts weniger "als die Zukunft unseres Planeten", betonte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) während der Regierungserklärung am Freitag. Sie zeigte sich zuversichtlich und verwies auf erste Erfolge im Vorfeld der Konferenz. So hätten beispielsweise die meisten Länder nationale Minderungsziele vorgelegt.

Verhandlungsziele Doch die Staatengemeinschaft befinde sich nun in den "härtesten zwei Wochen des Klimaprozesses", sagte Hendricks. Die Ministerin benannte klare Verhandlungsziele (siehe auch Beitrag auf Seite 4): Verbindlichkeit zumindest in Sachen Messung und Transparenz und ein Mechanismus zur Ambitionssteigerung samt Überprüfung alle fünf Jahre. Staaten dürften nicht hinter ihre Zusagen zurückgehen. Zudem reichten die bisher gemachten Zusagen nicht aus, um das verbindlich festzuschreibende 2-Grad-Ziel zu erreichen. Ebenfalls wichtig sei die Klimafinanzierung: Ärmere Staaten müssten bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützt werden. Die Staatengemeinschaft solle sich zudem auf die "Grüne Null" einlassen und bis Ende des Jahrhunderts auf fossile Energieträger verzichten. Paris bedeute nicht den Endpunkt der Klimadiplomatie, sondern müsse als "Ausgangspunkt" für eine neue, erfolgreiche Phase gesehen werden, betonte die Ministerin. Klimapolitik sei auch Entwicklungs- und Friedenspolitik. "Von der Konferenz in Paris hängt die Existenz ganzer Völker ab", sagte Hendricks. Für manche Inselstaaten sei daher auch das 2-Grad-Ziel zu viel. Auch Konflikte um Wasser, Böden und Nahrungsmittel könnten entstehen, werde dem Klimawandel nicht Einhalt geboten.

Ähnlich argumentierte Andreas Jung (CDU). Er schlug den Bogen zum Syrien-Einsatz, der just davor beschlossen wurde. "Auch die Bedrohung durch den Klimawandel ist konkret", sagte der Christdemokrat. Menschen seien deswegen schon gestorben. Deutschland stehe hierbei in der Verantwortung. So sei der Wohlstand des Lande auch auf Kohle und CO2-Ausstoß zurückzuführen. Die Bundesrepublik sei zudem trotz aller Fortschritte immer noch unter den zehn größten Emittenten von Treibhausgasen. "Dieser Verantwortung werden wir gerecht", betonte Jung und bezog damit auch das Wirken früherer Bundesregierungen mit ein. Deutschland gebe nicht nur Absichterklärungen zu Protokoll, sondern zahle beispielsweise bei der Klimafinanzierung in "harter Währung".

Der Traum ist aus Linken-Vorsitzende Katja Kipping wurde grundsätzlich. Sie stellte die Systemfrage: "Kapitalismus oder Klima", vor dieser Entscheidung stehe die Welt, sagte Kipping mit Bezug auf die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein. Der Traum vom "Grünen Kapitalismus" sei ausgeträumt. Die Auswirkungen des Klimawandels reihten sich ein in den Reigen "großer globaler Ungerechtigkeiten", da sie vor allem die armen Länder mit "besonderer Härte" träfen. "Rein unverbindliche Zielvorgaben" seien daher nicht ausreichend, sagte Kipping mit Blick auf Paris. Ebenso seien die "Klimakiller" TTIP und CETA abzulehnen, da sie Klimaschutz zu einem "Investitionshemmnis" erklärten.

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, dass den Reden der versammelten Staatschefs auch Handlungen folgen müssten. Denn bei vielen Menschen sei die "Klimakrise" schon angekommen. "Klimaschutzkonferenzen sind wichtig und bedeutsam, am Ende muss der Klimaschutz aber vor Ort umgesetzt werden", sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende. In Deutschland bestehe dabei ein "gigantisches Umsetzungsdefizit".

Bei aller Kritik drückte Anton Hofreiter auch seine Hoffnung aus, dass es der Bundesumweltministerin gelingen möge, einen "guten Klimavertrag" auszuhandeln. Die Welt solle Paris 2015 nicht wegen des Terrors in Erinnerung behalten, sondern weil dort ein "gemeinsames Fundament für eine bessere Zukunft" gelegt worden sei, sagte Hofreiter.

Zwei Entschließungsanträge der Opposition zur Klimakonferenz lehnte der Bundestag mit Stimmen der Koalition ab. Ein gemeinsamer Antrag von Linken und Grünen (18/6882) forderte, einer Entschließung des Europäischen Parlaments zur EU-Klimapolitik zu folgen. Ein weiterer Linken-Antrag (18/6881), die Grünen enthielten sich bei der Abstimmung, beinhaltete zahlreiche klimapolitische Forderungen an die Bundesregierung auf internationaler und nationaler Ebene.

Die nationale Klimapolitik, die auch in der Debatte zur Regierungserklärung aufgegriffen wurde, bildete den Schwerpunkt der Diskussion am Tag zuvor zum Klimaschutzbericht 2015. Der Bericht gibt Auskunft über das Fortschreiten des "Aktionsprogramms Klimaschutz 2020", das die Bundesregierung vergangenes Jahr beschlossen hatte. Damit soll eine Lücke von fünf bis acht Prozentpunkten geschlossen werden, damit Deutschland sein 40-Prozent-Ziel für 2020 erreicht.

Die Bedeutung des Klimaschutzziels sei erheblich, sagte Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD). "Wenn wir international ambitionierte Ziele wollen und uns dafür einsetzen, dann müssen wir daheim auch unsere Hausaufgaben machen. Und das tun wir." Die Umsetzung fast aller über 100 Maßnahmen des Aktionsprogramms sei in Gang gesetzt worden und werde kontinuierlich und transparent begleitet. Man müsse aber auch die Wirkung abwarten, konterte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Kritik der Opposition.

Der Klimaschutz sei bei Regierung und Koalition "bestens aufgehoben", sagte Carsten Müller (CDU). Er mahnte aber mehr Geschwindigkeit beim "Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz" an, einem wichtigen Bestandteil des Aktionsprogramms. Enttäuscht zeigte sich Müller über die Umsetzung der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Hier stünden vor allem die Bundesländer auf der Bremse, sagte der Christdemokrat.

Mehr Anstrengungen Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) forderte wesentlich mehr Anstrengungen von der Bundesregierung. "Schöne Worte allein reichen nicht", sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses. Außer im Verkehrsbereich müsse auch im Energiebereich nachgesteuert werden. Das mache die Bundesregierung aber nicht. Ganz im Gegenteil: Der Ausbau von Photovoltaik werde blockiert, gleichzeitig würden Braunkohlekonzerne subventioniert, kritisierte Höhn.

Eva Bulling-Schröter (Die Linke) stellte der Bundesregierung bei der Umsetzung des Aktionsprogramms ein Zwischenzeugnis mit der Note "sehr mangelhaft" aus. Der "größte Rückschlag" sei das Scheitern der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung. In diesem Bereich hätte eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden müssen. Das Anreizprogramm der Bundesregierung in Höhe von 145 Millionen Euro sei im Vergleich dazu ein "Witz", sagte die Linken-Politikerin. Ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6900) zum Thema Kohleausstieg wurde in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Sören Christian Reimer