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Finanzen II : Zwischen Millionen-Überschüssen und leeren Kassen

Es gibt enorme Disparitäten zwischen reichen und armen Kommunen. Vor allem die Sozialausgaben steigen flächendeckend. Ein Blick auf Ausgaben und Einnahmen

07.03.2016
2023-08-30T12:29:57.7200Z
3 Min

Der Putz bröckelte von den Wänden, durch die Fenster zog es und die Sanitäranlagen waren eigentlich unzumutbar - dennoch musste Schulleiter Ralf Drögemöller Eltern, Lehrer und Schüler fünf Jahre lang hinhalten. Dann erst gab es Handwerker-Aufträge zur Sanierung der Grundschule Rußheide in Bielefeld. Und das war nur eine von vielen renovierungsbedürftigen Schulen in einer von vielen finanziell klammen Städten in Deutschland.

Da wirkt es wie die Nachricht aus einer auf dem Kopf stehenden Parallelwelt, wenn das Statistische Bundesamt für 2012 bis 2014 verkündet: Die kommunalen Kernhaushalte hätten mit einem Überschuss von 4,6 Milliarden Euro abgeschnitten. Dabei ist das nicht einmal ein statistischer Ausreißer. In neun der vergangenen 15 Jahre erwirtschafteten die Kommunen Überschüsse. Zum Vergleich: Dem Bund gelang der Etatausgleich 2014 - zum ersten Mal seit 1970. Die Bundesländer meldeten zwischen 1970 und 2014 nur drei Mal schwarze Zahlen: 2007, 2008 und 2014.

Der Rückblick zeigt: Mit deutschlandweiten Durchschnittswerten werden Einnahmen und Ausgaben, Schulden und Investitionsstau in den Kommunen verschleiert und nicht analysiert. Zu unterschiedlich sind die realen Lebensverhältnisse. Im Jahr 2014 waren die Kommunen in sieben Bundesländern im Plus, in sechs im Minus. Wie die Bertelsmann-Stiftung zusammentrug, reichte der Finanzierungssaldo von minus 319 Euro pro Bürger im Saarland bis plus 127 Euro je bayerischem Ureinwohner. Solch enorme Disparitäten fallen unter den Tisch, wenn Durchschnittswerte gebildet werden.

Auf der Ausgabenseite gibt es einen einheitlichen Deutschlandtrend: Die Sozialausgaben steigen rasch und flächendeckend. Sie betrugen 2014 rund 78 Milliarden Euro, das sind gut 40 Prozent aller städtischen Gesamtausgaben. Auch dies ist bloß ein Durchschnittswert. Je strukturschwächer eine Region ist, desto höher wird der Anteil der Sozialausgaben. Für Städte wie Duisburg oder Hagen nennt die Bertelsmann-Stiftung einen Wert von mehr als 50 Prozent.

Niveau und Struktur der Ausgaben aber müssen allerdings wieder Bundesland für Bundesland betrachtet werden. Zu unterschiedlich ist der Kommunalisierungsgrad staatlicher Aufgaben, als dass eine Stadt in der norddeutschen Tiefebene einfach so verglichen werden könnte mit einem Pendant im Hochschwarzwald. Soviel lässt sich für 2014 sagen: Die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben hatten Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit rund 3.000 Euro, die niedrigsten solche in Thüringen mit 2.300 Euro pro Einwohner.

Das eingangs erwähnte Schulbeispiel steht exemplarisch für einen enormen Investitionsstau auf kommunaler Ebene. Marode Schulen, kaputte Straße, löchrige Abwasserkanäle summieren laut dem Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, zu einer Gesamtsumme von rund 132 Milliarden Euro auf. Vor diesem Hintergrund müssen jene fünf Milliarden Euro bewertet werden, die der Bund den Kommunen bis 2018 zugesagt hat. Investitionen und Personalausgaben sind neben den Sozialkosten die größten Posten auf der kommunalen Ausgabenseite.

Die nach Zahl und Bedeutung herausragende Einnahmequelle sind die gemeindlichen Steuereinnahmen. Hierzu zählen die Gewerbe- und Grundsteuern, deren Höhe die Kommunen über die Hebesätze selbst festlegen. Dabei haben finanzwirtschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass Kämmerer und Regierende in den Städten oftmals dem Landesdurchschnitt wie einem Geleitzug folgen und nur selten versuchen, sich über einen Steuerwettbewerb von anderen Kommunen abzusetzen. Von den Einnahmen zur Gewerbe- und Grundsteuer müssen die Kommunen Ausgleichszahlungen für schwache Kommunen leisten.

Daneben stehen den Städten und Gemeinden direkte Beteiligungen in Höhe von 15 Prozent am Aufkommen der Einkommensteuer, zwölf Prozent am Aufkommen der Abgeltungssteuer und 2,2 Prozent an der Umsatzsteuer zu. Alles zusammen macht im Mittel etwa 40 Prozent der Einnahmen aus. Die ostdeutschen Gemeinden hinken bei der Steuerkraft hinter den westdeutschen Gemeinden her - sie bringen es wie beim Bruttoinlandsprodukt auf etwa 60 Prozent. Die Steuerkönige sitzen in Hessen und Bayern mit 1.300 Euro Einnahmen pro Einwohner - was mehr als dem Doppelten dessen entspricht was in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern auf den Habenseiten erscheint.

Die zweitwichtigste Einnahmequelle für Kommunen sind die Zuweisungen aus den Länderhaushalten. Diese sind entweder an bestimmte Zwecke gebunden oder frei verwendbar - da gibt es je nach Bundesland in Höhe und Ausgestaltung starke Unterschiede.

Abgaben und Gebühren sind der dritte große Posten, der den Kämmereien Bares in die Kassen bringt. Allerdings freuen sich die Bürgermeister bereits, wenn Gebühren und Beiträge den Aufwand für eine kommunale Leistung decken. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young) hat im vergangenen Jahr 300 deutsche Kommunen mit mindestens 20.000 Einwohnern befragt. Dabei gaben vier von fünf Städten an, dass sie die Gebühren erhöhen wollen. Zu allererst wurden dabei Kita- und Friedhofsgebühren genannt. l