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Nsu : Vor dem Knall war Zschäpe stundenlang im Internet

Ermittler des Bundeskriminalamts sagen vor dem zweiten Untersuchungsausschuss zur Terrorgruppe aus

21.03.2016
2023-08-30T12:29:58.7200Z
3 Min

"Fleisch von freilaufenden Tieren Zwickau" lautete der Name der letzten Web-Seite, die Beate Zschäpe am Nachmittag des 4. November 2011 auf ihrem Computer aufgerufen hat. Wenig später sprengte sie nach den Erkenntnissen der Ermittler die Wohnung, in der sie jahrelang zusammen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Zwickau gelebt hatte, in die Luft (siehe auch Seite 11). In der jüngsten Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses "Terrorgruppe NSU II" am vergangenen Donnerstag sorgte es für Verwunderung, dass Zschäpe damals auf ihrem Computer zahlreiche Internet-Seiten besucht hat, die keinerlei Bezug zu den Vorgängen in Eisenach hatten, von denen sie in der Zwischenzeit erfahren haben musste. Auf welche Weise sie erfuhr, dass sich ihre Komplizen das Leben genommen hatten oder nehmen wollten, ist unbekannt. Von 11.34 Uhr bis 14.28 Uhr, also fast drei Stunden, besuchte sie unter anderem Seiten von Greenpeace, des Diakonie-Zentrums Zwickau, einer Obdachlosenhilfe, von Lokalradios und eben die Web-Seite für Fleisch von freilaufenden Tieren.

»Bis unter die Dusche« Als erster Zeuge sagte am Donnerstag Kriminaldirektor Frank Heimann aus. Er leitete ab November 2011 in der im Bundeskriminalamt (BKA) gebildeten Sondereinheit den Abschnitt Zentrale Ermittlungen für den Fall. Heimann bezeichnete es vor dem Ausschuss als plausibel, dass die drei NSU-Mitglieder für den Fall einer Entdeckung die Zerstörung der gemeinsamen Wohnung vereinbart hatten. Er versicherte, dass das BKA große Anstrengungen darauf verwandt habe, das Unterstützer-Umfeld aufzuklären. Dabei habe man nicht allgemein nach Rechtsextremisten an den Wohn- und Tatorten des NSU gesucht, sondern sei den Kontakten des Trios in der rechtsradikalen Szene nachgegangen.

Er habe den Eindruck gewonnen, dass die drei Neonazis nach ihrem Untertauchen im Februar 1998 in Jena zunächst auf einen großen Unterstützerkreis zurückgreifen konnten. Später hätten sie sich aber immer weiter abgeschottet. Grund dafür seien vermutlich die schweren Verbrechen gewesen, die sie seit 2000 begangen hatten. Als Beispiel für die zunehmende Abschottung des Trios führte Heimann an, dass Mundlos am Ende keinen gültigen Personalausweis mehr besaß, da sich offenbar kein Unterstützer dafür gefunden hatte. Heimann äußerte sein Bedauern darüber, dass man bis heute nicht wisse, nach welchen Kriterien der NSU die Tatorte und Opfer ausgesucht habe. Nach der Enttarnung des Trios hätten er selbst und seine Kollegen im BKA permanent über diese Fragen diskutiert und nachgedacht, "bis in die Mittagspause hinein und nachts unter der Dusche auch noch". Doch alle Ermittlungen und Überlegungen dazu hätten nicht zum Ziel geführt.

Unvollständige Nummern Gegenüber einem weiteren Zeugen des BKA, Kriminaloberkommissar Sascha Allendorf, kritisierte der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) die Ermittlungen zum Mobiltelefon Zschäpes. Binninger sagte, er hätte es für erforderlich gehalten, auch die Inhaber jener Telefonnummern zu ermitteln, die der Polizei von den Anbietern nur unvollständig übermittelt worden waren. Allendorf, der im BKA mit der Auswertung von Zschäpes Mobiltelefon-Daten befasst war, wies die Kritik zurück. Zur Überprüfung der über Zschäpes Handy geführten Telefongespräche wurden in den Wochen nach dem 4. November 2011 die jeweiligen Provider kontaktiert. Allendorf wies darauf hin, dass es damals keine gesetzliche Grundlage für eine Vorratsdatenspeicherung gab und die Verbindungsdaten von den Anbietern daher auf unterschiedliche Weise gespeichert worden waren. In 42 Fällen wurden der Polizei nur Nummern übermittelt, bei denen die letzten drei Stellen durch "x" ersetzt waren. Laut Allendorf wäre der Aufwand zu groß gewesen, die Inhaber dieser Nummern zu ermitteln, da man im Extremfall fast 42.000 Nummern hätte überprüfen müssen. Allein die Überprüfung der 412 Nummern, die der Polizei vollständig vorlagen, habe sechs Monate benötigt. Binninger ließ das nicht gelten, zumal einige der unvollständigen Nummern als Behördenanschlüsse erkennbar gewesen seien und gleich hätten aussortiert werden können. Die übrigen hätte das BKA zumindest darauf überprüfen lassen sollen, ob polizeibekannte Rechtsextremisten zu den Inhabern gehörten.

Als letzte Zeugin sagte Kriminaloberkommissarin Janett Arnhold aus, die bei den Ermittlungen die zahlreichen Zeitungsausschnitte zu den NSU-Verbrechen auswertete, die in dem Brandschutt gefunden worden waren. Darauf seien zahlreiche Fingerabdrücke von Zschäpe zu finden gewesen, berichtete Arnhold.