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REGIONALMÄCHTE : Ziemlich feste Feinde

Die erbitterte Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hat eine lange Vorgeschichte. Im Moment ist sie eine der größten Bedrohungen für den Nahen Osten

04.04.2016
2023-08-30T12:29:59.7200Z
4 Min

Der Streit beginnt bereits bei den Begriffen: Persischer Golf, Arabischer Golf, "islamischer Golf" - das Gewässer, dass die arabische Halbinsel vom iranischen Hochland trennt, trägt viele Namen. Diplomaten zwingt es regelmäßig zum Navigieren zwischen begrifflichen Untiefen. Seit Jahrzehnten konkurrieren Saudi-Arabien und der Iran offen um die Rolle als Führungs- und Gestaltungsmacht am Golf. Stets geht es dabei auch um den hohen Anspruch, für die gesamte muslimische Welt zu sprechen: Das vorwiegend sunnitische Saudi-Arabien als Hüter der heiligen Stätten von Mekka und Medina, der schiitisch geprägte Iran mit seinem Emanzipationsversprechen und seinem islamischen Revolutionsexport. Während sich Saudi-Arabien als Stabilitätsfaktor sieht, als Fürsprecher sunnitischer Muslime weltweit und als einer der engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten, versammelte der Iran lange Zeit all jene Akteure in der Region, die in den USA nichts anderes als den "den großen Satan" sehen wollten. Er verstand und versteht sich in diesem Sinne auch als Anwalt jener schiitischen Minderheiten, denen die mit den USA verbündeten sunnitischen Herrscher am Golf die Partizipation verweigern. Genau diesen Versuch einer konfessionellen Patenschaft wertet aber insbesondere Saudi-Arabien als Einmischung in innerarabische Angelegenheiten und als Beweis iranischer Expansionsgelüste. In Riad fürchtet man nichts mehr als eine von außen gesteuerte Mobilisierung der eigenen schiitischen Minderheit, die im Osten des Königreiches - und damit über den größten Ölfeldern - zu Hause ist. Iran, so der Vorwurf, wolle die Aufstände in der arabischen Welt gegen die vom Westen unterstützten autoritären Regime und damit gegen die Saudis vereinnahmen. Teheran wiederum kontert, dass man den Iran schwerlich für Korruption, die Unterdrückung religiöser Minderheiten und schlechte Regierungsführung verantwortlich machen könne, die zu eben diesen Aufständen geführt hätten.

Geländegewinne Ins Rutschen gekommen sind die Dinge allerdings schon vorher. Als in der Folge des Einmarschs von US-Truppen im Irak und des Sturzes Saddam Husseins 2005 eine schiitisch geprägte und iranfreundliche Regierung in Bagdad ins Ruder kam, sah Riad darin bereits einen Geländegewinn für den Erzkonkurrenten Teheran. Hinzu kam in dieser Zeit die Befürchtung, dass sich der Iran mit seinem Atomprogramm tatsächlich zur Nuklearmacht am Golf aufschwingen könnte - später abgelöst durch die Sorge, dass man dem Iran bei den E3+3 Verhandlungen viel zu weit entgegenkomme. Seit 2011 erlebten die Saudis zudem, dass langjährige Verbündete wie Ägyptens Präsident Husni Mubarak vom Volk in die Wüste geschickt wurden. Besonders irritiert war man in Riad offenbar, dass man das in Washington achselzuckend zur Kenntnis nahm oder offen begrüßte. Gerade das Beispiel Ägyptens stellte 2012/2013 das saudische Königshaus außerdem vor eine durchaus auch machtpolitische Herausforderung. Dort demonstrierte Präsident Mohammed Mursi als Vertreter der Muslimbrüder, wie man auf demokratischem Wege eine Mehrheit hinter sich versammelt - ein womöglich attraktiveres Modell des politischen Islams, als es die feudale Erbmonarchie am Golf bieten kann. Heute bringen die aus dem Ölpreisverfall und aus verschleppten Reformen resultierenden wirtschaftlichen Probleme die saudische Führung innenpolitisch zusätzlich in Erklärungsnot. Dazu kommen Kosten, die sich das Land für die offen ausgetragene Rivalität mit dem Iran leistet: Einerseits finanziell und militärisch etwa im Krieg im Jemen gegen die vom Iran unterstützen Huthi-Milizen, andererseits politisch, etwa durch die offene Unterstützung des sunnitischen Herrscherhauses in Bahrain gegen die dortige schiitische Bevölkerungsmehrheit.

Außenpolitisch zeigt das Beispiel Syriens und der Aufstieg des "Islamischen Staats" (IS), wie eng der Spielraum für die saudische Führung ist: Sie möchte die Achse Syrien-Iran aufbrechen, kann aber anderseits nicht akzeptieren, dass sich auf dem syrischen Trümmerfeld mit dem IS ein islamistischer Akteur mit Kalifatanspruch etabliert. Offensiver gegen den IS vorzugehen, verbietet sich jedoch wiederum, um sich im eigenen Land nicht dem Vorwurf wahhabitischer Hardliner auszusetzen, die "sunnitischen Brüder" des IS mit ihrer verwandten Auslegung des Islams ans Messer zu liefern.

Für den Iran stellt sich die Situation unterdessen womöglich weit weniger günstig dar, als man es in Saudi-Arabien annimmt: De facto hat das Land bis auf das Assad-Regime, den Irak und die Hisbollah-Milizen im Libanon keine wirklichen Verbündeten in der Region. Knapp drei Viertel aller iranischen Exporte gehen in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach China. Ob sich das Land mit dem möglichen Ende der Atomsanktionen in diesem Jahr von dieser Abhängigkeit befreien kann und seinen großen, bisher isolierten Markt internationalen Investoren öffnet, ist längst noch nicht ausgemacht: Zu eng sind die einflussreichen Revolutionsgarden mit den einträglichsten Geschäften im Lande verflochten, zu stark womöglich auch die ideologischen Beharrungskräfte, zu wirkungsmächtig die Ablehnung der USA als Ordnungsmacht in der Region. Der "Oberste Religionsführer" Ali Khamenei hat kurz nach dem Abschluss der Atomverhandlungen klargestellt, dass eine Annäherung an den Erzfeind USA keinesfalls gewünscht ist.

Nicht ausgemacht ist zudem, ob frei werdende Gelder nach dem Ende der Sanktionen für die Entwicklung des Landes eingesetzt werden, so wie es der moderate Präsident Hassan Rohani offenbar anstrebt, - oder ob Hardliner die Mittel nicht für den Revolutionsexport nutzen wollen. Klar ist, dass auch der Iran einen hohen Preis für die Rivalität im Nahen Osten zahlt - finanziell und militärisch etwa für das Assad-Regime, aber auch politisch, wenn die iranische Führung die Aufstände in der arabischen Welt zwar begrüßt, sich andererseits aber zum Komplizen der Brutalitäten Assads macht.

Beide Seiten, Iran und Saudi-Arabien, dürften eigentlich ein gemeinsames Interesse an einer politischen Lösung für Syrien haben und vor allem auch daran, den IS in die Schranken zu weisen. Die Gemeinsamkeit scheint sich aber bisher vor allem in der Feststellung zu erschöpfen, dass diese Ziele jeweils nur mit Iran und mit Saudi-Arabien und nicht gegen sie zu erreichen sind.