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NSU : Mit Akribie

Detailliert spürt der Untersuchungsausschuss den letzten Minuten der beiden Rechtsterroristen nach

02.05.2016
2023-08-30T12:30:00.7200Z
4 Min

Konnte sich Uwe Mundlos im Sitzen erschießen? Das war eine der Fragen, als es im NSU-Untersuchungsausschuss vergangene Woche um die sicherlich hektischen Minuten im Wohnmobil der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) ging. Nach dem Bankraub am 4. November 2011 in Eise- nach waren Mundlos und sein Komplize Uwe Böhnhardt in das Fahrzeug geflüchtet. Sie bekamen mit, dass sich die Fahndungsschlinge immer enger um sie zog. Schließlich schoss aus dem Dach des Wagens eine Flamme hoch. Die Feuerwehr löschte den Brand. Die Leichen der beiden Männer wurden in dem völlig verwüsteten Innenraum entdeckt.

War es möglich, dass sich Mundlos auf der Bank sitzend erschossen hat, wie es in den Akten steht? Könne doch gar sein - sonst müsste es ein anderes Spurenbild geben. Das wurde Kriminaloberkommissar Manfred Nordgauer bei der Zeugenvernehmung unter Leitung von Clemens Binninger (CDU) vorgehalten.

Der Kriminaltechniker des Landeskriminalamtes (LKA) Baden-Württemberg widersprach nicht. Plausibel sei nur, dass Mundlos sich im Stehen das Leben genommen habe. Und Nordgauer wartete zusätzlich mit einem rein "persönlichen Eindruck" auf: Mundlos habe vielleicht, als er nach draußen feuern wollte, "aus Versehen" seinen Mittäter erschossen. "So viele Waffen im Wagen - und jetzt erschießen sie sich einfach": Nordgauer mag es nicht so ganz glauben.

Hartnäckig durchgearbeitet Was war wirklich los im Wohnmobil? Dass möglichst auch das letzte Detail zur Sprache kommt, ist Verdienst des zweiten NSU-Ausschusses des Bundestags. Hartnäckig und präzise hat er sich durch das Aktenkonvolut gearbeitet, gleicht die Erkenntnisse jetzt mit Zeugenbefragungen ab. Und kam bei Nordgauer auch mit spontanen Schilderungen in Berührung. Der Beamte berichtete, dass er bei der erkennungsdienstlichen Behandlung der Freundin der beiden Männer, Beate Zschäpe, in Thüringen zugegen war. Wie wirkte sie denn? "Verängstigt - wie jemand, der lange im Untergrund gelebt hat." Der sich "ständig verfolgt" gefühlt habe, "nicht mal sein Kaugummi in den Papierkorb" habe werfen wollen.

Von Beate Zschäpe, der Dritten in der Terror-Gruppierung, war am 4. November schon rasch die Rede, als die Identität von Mundlos und dann auch die von Böhnhardt feststand. So sagte es Nordgauer, so berichtete es auch sein Kollege aus dem LKA Baden-Württemberg, Diplom-Chemiker Tilmann Halder, damals dort Brandsachverständiger. Warum die beiden aus Stuttgart angereist waren, dafür gibt es einerseits einen plausiblen Grund: Weil in dem Wohnmobil die Waffe der in Heilbronn ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter gefunden worden war. Andererseits erschloss sich Halder nicht so ganz, warum er allein damals sein Fachgebiet vertrat. Auf seine Frage, warum Thüringen keine eigenen Brandsachverständigen einsetzte, habe er nur ausweichende Antworten erhalten.

Sein Sachverständigen-Job sei eben keine Ermittler-Arbeit, erläuterte er. Weshalb er nach seinem Eintreffen im Lagezentrum Gotha - für Eisenach zuständig - auch nur eine kurze Einweisung bekommen habe. Den Ausschuss interessierte, ob auch der Verfassungsschutz im Lagenzentrum vertreten war. Das wisse er nicht, sagte Halder. Allerdings sei ihm ein Satz des damaligen Gothaer Polizeichefs in Erinnerung, der in etwa gesagt habe, ihm sei egal, was der Staatsschutz mache: "Ich ziehe das jetzt durch." Worauf der Einsatzleiter dabei abhob, darauf konnte sich Halder keinen Reim machen.

Unfreundlich seien er und seine baden-württembergischen Kollegen von den Beamten vor Ort nicht aufgenommen worden. Dass die Maßnahmen des Polizeichefs, die in der Kritik stehen, negative Auswirkungen auf seine Arbeit gehabt hätten, verneinte Halder: "Das hatte für mich keine Bewandtnis."

Abtransport verteidigt Der Stuttgarter Brandsachverständige beteiligte sich seiner Aussage nach quasi als Amtshilfe für Thüringen an der Untersuchung des Wohnmobils. Es war zügig in eine Halle gebracht worden, wo die beiden Leichen geborgen wurden. Dies war Halder zufolge "sinnvoll", weil sonst das Fahrzeug gar nicht hätte betreten werden können. Veränderungen am Tatort habe es ohnehin im Vorfeld seiner Untersuchungen schon gegeben - nicht zuletzt durch das Löschwasser.

Mit Halder war Nordgauer nach Gotha und Eisenach gereist, weil er zur "Soko Parkplatz" gehörte. In deren Händen lag die Untersuchung nach dem Heilbronner Kiesewetter-Mord. Er wurde dann auch nach Zwickau beordert, wo Zschäpe die gemeinsame Wohnung der drei NSU-Mitglieder nach dem Selbstmord ihrer Komplizen am Nachmittag des 4. November 2011 in die Luft gesprengt hatte.

Nordgauer erläuterte dem Ausschuss, dass er Untersuchungen nach Tötungsdelikten durchführe. Deshalb sei seine Herangehensweise womöglich gründlicher, als dies nach dem ersten Tatbefund in Thüringen - Raub mit Suizid - erfolgt wäre. Grundlegende unterschiedliche Auffassungen über die Ermittlungen habe es aber nicht gegeben. Dass das Wohnmobil eventuell zu früh - vor einer eingehenden Untersuchung am Tatort - in eine Halle transportiert worden sei, sah Nordgauer nicht so: "Die Verlagerung war kriminaltechnisch unschädlich."