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netzausbau I : Breite für die Bandbreite

Regierung und Koalition setzen auf Kostensenkungen. Opposition zweifelt an Zahlen

17.05.2016
2023-08-30T12:30:01.7200Z
3 Min

Der Breitbandatlas gibt Auskunft. Ende 2015 standen 70,1 Prozent aller deutschen Haushalte Internetverbindungen mit einer Mindestübertragungsrate von 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung. Knapp 30 Prozent fehlen also noch, um das in der Digitalen Agenda der Bundesregierung zu findende Ziel zu erreichen, bis Ende 2018 alle mit einer Mindestgeschwindigkeit von 50 Megabit auszustatten. Ja - wir schaffen das, ist die Auffassung von Bundesregierung und Koalition. Deutlich skeptischer sind da Linke und Grüne. Das gilt auch für die Frage, ob der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf "zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze" (DigiNetzG) (18/8332) tatsächlich einen Beitrag zur Kostensenkung beim Ausbau der digitalen Infrastruktur leisten kann.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich bei der ersten Lesung der Vorlag vergangenen Donnerstag überzeugt davon und untermauerte dies auch gleich mit einer Zahl. 20 Milliarden Euro, so der Minister, ließen sich einsparen, wenn Synergien genutzt werden und mehr Transparenz herrscht. Ein "Meilenstein in der Gigabit-Strategie der Bundesregierung" sei das Gesetz, schwärmte Dobrindt. Wenn bei jedem öffentlichen Straßenbauprojekt künftig Glasfaserkabel gleich mitverlegt werden, "schafft jede Baustelle Bandbreite". Bandbreite, die im Wettbewerb der Regionen der Welt wichtig sei. Denn: "Wer die Netze hat, der erreicht die Wertschöpfung." Wer hingegen nicht komplett digitalisiert sei, verliere im internationalen Wettbewerb. Der Minister erläuterte den Abgeordneten auch, wie sich die Einsparung errechnet. Jede Verlegung eines Meters Glasfaser koste durchschnittlich etwa 80 Euro. "Wenn wir die Glasfaser bei unseren Investitionen in die Infrastruktur gleich mitverlegen, sinken die Kosten auf 17,50 Euro", sagte er.

Andere Zahlen Herbert Behrens (Die Linke) sah das komplett anders. Laut des Verbandes der kommunalen Unternehmen sei die konventionelle Verlegung oft kostensparender als die im Gesetz angedachte. Behrens nannte auch völlig andere Zahlen als der Minister. Wie ein Netzbetreiber ihm gesagt habe, koste ein Meter klassischen Tiefbaus zwischen 20 und 30 Euro. Die komplizierte und technisch sehr aufwendige Idee, Ver- und Entsorgungsstrukturen zu nutzen, koste hingegen 80 Euro. "Wer hier von Kosteneinsparungen spricht, der hat irgendetwas nicht mitbekommen", urteilte Behrens. Seiner Ansicht nach kommt Deutschland mit dem Gesetz "keinen Schritt voran". Statt Unternehmen zu unterstützen, in der Hoffnung, sie würden in den Netzausbau investieren, müsse der Breitbandausbau mit Glasfaser als öffentliche Aufgabe begriffen werden, die Investitionen aus dem Bundeshaushalt braucht, sagte Behrens.

Es werde im parlamentarischen Verfahren genau geprüft, wo noch Nachbesserungsbedarf besteht, entgegnete Martin Dörmann (SPD) seinem Vorredner. Grundsätzlich setze der Entwurf aber an der richtigen Stelle an, sagte er. Dörmanns Fraktionskollege Lars Klingbeil machte deutlich, dass auch im ländlichen Bereich schnelles Internet vorhanden sein müsse. Dies sei auch für die Standortentscheidung von Unternehmen von immer größerer Bedeutung. "Wenn ich in meinem Wahlkreis in der Lüneburger Heide auf Bürgermeister treffe, dann ist der Zugang zum schnellen Internet häufig das Thema Nummer eins", sagte er. Klingbeil zeigte sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, die 50 Megabit bis Ende 2018 flächendeckend zu erreichen.

Diesen Optimismus teilte Tabea Rößner (Grüne) nicht. "Wie sollen die restlichen 30 Prozent geschafft werden?", fragte sie. Das vorgelegte Gesetz werde mit Sicherheit "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein". Es werde nicht dafür sorgen, dass Deutschland über Nacht zum Gigabit-Land wird. Dafür bräuchte es Investitionen in Milliardenhöhe.

Was das angeführte Einsparvolumen von 20 Milliarden Euro angeht, so sei das eine "Milchmädchenrechnung". Es gebe keine Aussage dazu, in welchem Ausmaß die bisher unterversorgten Gebiete durch Mitverlegung erschlossen werden können. Nach Ansicht Rößners drohen zudem Fehlinvestitionen, wenn bei allen Baumaßnahmen Glasfaserkabel verlegt werden sollen, obwohl es noch gar keinen Betreiber für die Netze gibt. Ihr Fazit: "Deutschland wird bis 2018 kein schnelles Internet haben weil es keine schnelle Regierung hat."

Schnelle Funknetze Es sei keine kluge Strategie der Opposition, Deutschland schlecht zu reden, entgegnete Thomas Jarzombek (CDU) (siehe auch Interview auf Seite 2). Er verwies auf eine Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom, wonach die tatsächliche Breitbandnutzung in Deutschland mit 85 Prozent über dem EU-Durchschnitt liege. Jarzombek machte deutlich, dass es richtig sei, künftig bei Baumaßnahmen unbeschaltete Glasfaserkabel mitzuverlegen, auch wenn noch nicht klar sei, wer diese wann nutzt. Ziel sei schließlich das schnelle 5G-Funknetz, wofür alle 200 Meter mit einem Glasfaserkabel verbundene Masten benötigt würden.

Ob und in welcher Form der Gesetzentwurf eine Mehrheit im Bundestag findet, wird sich zum Abschluss der Beratungen zeigen. Dann gilt es noch den Bundesrat zu überzeugen, was nicht leicht sein dürfte. "Da gibt es noch einige ungeklärte Differenzen", hatte Tabea Rößner im Verlauf der Debatte gesagt. Widersprochen hat ihr niemand.