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Kurz rezensiert

11.07.2016
2023-08-30T12:30:04.7200Z
2 Min

Hans Kundnanis Fazit mag etwas Beruhigendes haben: Deutschland, so attestiert er, sei "nicht nur nicht willens, sondern auch nicht in der Lage" ein "europäischer Hegemon" zu sein. "Kurz gesagt: Europa kann nicht von Berlin aus regiert werden." Doch hat sich diese Frage überhaupt gestellt? Der britische Politikwissenschaftler legt in seinem lesenswerten Buch über das "Paradox deutscher Stärke" durchaus überzeugend dar, warum sich die "deutsche Frage" rund 20 Jahre nach der Wiedervereinigung stellt. Und liefert die Antwort auch gleich prompt mit.

Kundnani zeiht einen Vergleich zwischen dem Deutschen Reich in den Jahren zwischen 181 und 1945 mit dem wiedervereinigten Deutschland. Das mag gewagt sein, spiegelt aber durchaus Ängste, die im Zug des Einheitsprozesses vor einem übermächtigen Deutschland in Europa kursierten. Doch Kundnani gibt bis zu einem gewissen Grad Entwarnung: Die Stärke Deutschlands trete heute nicht mehr in geopolitischer Form zutage, sondern in geoökonomischer Form. Und es sei eben kein Hegemon, wie in diversen europäischen Hauptstädten behauptet, sondern allenfalls ein "Halbhegemon". In dieser Rolle gleiche es aber dem Deutschen Reich und dies führe erneut zu Instabilitäten auf dem Kontinent.

Kundnani versucht seine These am Beispiel der Euro-, der Ukraine- und der Flüchtlingskrise zu belegen. Scharten sich etwa im Fall der Euro-Krise vor allem die osteuropäischen EU-Staaten hinter Kanzlerin Angela Merkel bei ihren Sparauflagen für das überschuldete Griechenland, so kündigten sie diese Gefolgschaft in der Flüchtlingskrise auch gleich wieder auf.

Streiten lässt sich sicherlich über Kundnanis These, dass eine neue Form des deutschen Nationalismus entstanden sei, der auf dem Export der Idee des "Friedens" und einem erneuten Gefühl einer "deutschen Mission" beruhe. Auch in London und Paris werden die eigenen nationalen Interessen gerne mit dem Verweis auf die hehre Ziele von Frieden, Freiheit und Menschrechten verbrämt.