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Marketing : Wie die Litfaßsäulen

Sportsponsoring gilt als äußerst effektives Kommunikationsinstrument

25.07.2016
2023-08-30T12:30:05.7200Z
5 Min

Im Jahr 1854 hatte der Berliner Drucker Ernst Litfaß die Idee einer Anschlagsäule, an die Werbeplakate geklebt werden konnten. Zur damaligen Zeit konnte er nicht ahnen, dass es eineinhalb Jahrhunderte später zahlreiche menschliche Litfaßsäulen geben sollte. Menschen, die größtenteils ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, sich dadurch einer exponierten Stellung in der Gesellschaft erfreuen und ihr Geld unter anderem mit dem Tragen von Werbung verdienen: Profisportler.

Verschiedene Mäzene Seit es den Wettkampfsport gibt, gibt es Mäzene, Privatpersonen und Unternehmen, die Vereine und Sportler finanziell unterstützen. Sei es, weil man dem eigenen Lieblingsverein etwas Gutes tun oder den lokalen Sportverein mit finanziellen Zuwendungen etwas weiter nach oben bringen wollte. Und auch heute noch ist diese Art der Sportförderung als "chairman's wife syndrom" (bei der ein Unternehmenschef die Lieblingssportart seiner Frau finanziell fördert) im deutschen Sport zu finden.

Davon abzugrenzen ist allerdings das professionelle und kommerzielle Sportsponsoring, dessen Geburtsstunde in Deutschland in das Jahr 1972 fällt. Damals erkannte der niedersächsische Unternehmer und Jägermeister-Chef Günter Mast als einer der ersten, welche Wirkung der Fußball auf die Bevölkerung hat und wie man dieses Massenphänomen für die eigene Marke nutzen kann. Das Jägermeister-Logo auf den Trikots des damaligen Fußballerstligisten Eintracht Braunschweig sorgte allerdings für einen handfesten Skandal und bedurfte auch eines Tricks: Weil der Deutsche Fußball-Bund damals Werbung auf der Brust der Spieler untersagte und nur das Vereinswappen auf dem Trikot zu sehen sein durfte, wurde das eigentliche Vereinslogo von Eintracht Braunschweig - ein Löwe - kurzerhand in den Jägermeister-Hirsch umgewandelt.

Jägermeister-Aufschrei Als Folge ging ein Aufschrei durch Fußballdeutschland und in Anbetracht der finanziellen Gegenleistung in Höhe von 100.000 Deutsche Mark (DM) warnten damalige Fußballfans schon vor einer nicht aufzuhaltenden Kommerzialisierung des Fußballs. Vielfach wurde befürchtet, dass noch mehr Vereine ihre Seele an profitorientierte Unternehmen verkaufen werden. Sie sollten ein Stück weit recht behalten. Denn in den nachfolgenden Jahren setzte sich das Trikotsponsoring in der Fußballbundesliga durch, das Werbeverbot wurde aufgehoben und es dauerte nicht lange, bis alle Erstligisten einen Unternehmensnamen auf dem Trikot trugen, auch weil sich damit ganz gutes Geld machen ließ. Doch sollte das erst der Anfang sein.

Im Laufe der Jahre hat sich das Sportsponsoring zu einem beliebten und äußerst effektiven Kommunikationsinstrument für Sponsoren und einer nicht mehr wegzudenkenden Einnahmequelle für Sportverbände, Vereine und Individualsportler sämtlicher Sportarten entwickelt.

Zweistellige Millionenbeträge In der Fußball-Bundesliga werden mittlerweile zweistellige Millionenbeträge pro Saison bezahlt. So soll der deutsche Rekordmeister FC Bayern München von seinem Trikotsponsor, der Deutschen Telekom, 35 Millionen Euro jährlich erhalten. Sportausrüster Adidas soll gar 60 Millionen Euro jährlich zahlen, damit die Münchener Bayern in Trikots mit den drei Streifen auflaufen. Rund ein Drittel der Gesamteinnahmen bei den Fußballbundesligisten kommen von den mehr als 300 Unternehmen, die in der Fußball-Bundesliga werben. In anderen Sportarten ist die Bedeutung der Sponsoren für die Vereine noch wichtiger, da in den höchsten Spielklassen des deutschen Handballs, Basketballs und Eishockeys zwar Topleistungen geboten, aber wesentlich weniger Fernsehgelder eingenommen werden. Nicht selten gleichen heutzutage Trikots von Profisportmannschaften den früher weit verbreiteten Litfaßsäulen - Werbung wohin das Auge blickt.

Sportsponsoring ist aber nicht nur auf Vereine begrenzt. Gesponsert kann so gut wie alles werden: Ligen (DKB Handball Bundesliga), Spielstätten (Allianz Arena München), Vorbereitungsturniere (Audi Cup), Wettkampfserien (Smart Beachvolleyball Tour) oder auch Individualsportler wie Tennisspielerin Angelique Kerber (unter anderem Porsche und Adidas) oder Turner Fabian Hambüchen (unter anderem O2 und Erima). Aber auch Vertreter klassischer Mannschaftssportarten treten seit jeher als Testimonial in Werbekampagnen großer Marken und Unternehmen auf. Franz Beckenbauer war einer der ersten, der in den 1960er Jahren 12.000 DM Gage bekam, um im Werbefilm für Knorr die Suppe auszulöffeln. Heute sieht man Spieler wie Thomas Müller (Barilla, VW, Gillette, Rewe sowie Weber Grill) und Trainer wie Jogi Löw (Tui, Nivea) in Werbespots über den Fernseher flimmern.

Dabei stellt sich die Frage, warum der Sport im Allgemeinen und Sportler im Besonderen ein so beliebtes Sponsoringobjekt sind. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich bei Sportsponsoring um ein mittlerweile etabliertes Kommunikationsinstrument handelt, mit dem Sponsoren diverse Unternehmensziele erreichen wollen. Als Unternehmensziele von Sportsponsoring werden meistens zunächst die Steigerung der Bekanntheit und die Verbesserung des Images genannt. Im Sportbusiness gibt es beispielsweise das ungeschriebene Gesetz, dass man als neue Marke nur zwei Jahre auf das Trikot eines Fußballbundesligisten gehen muss, um bundesweit bekannt zu werden. Und tatsächlich klappt das auch. So konnte die damals neu eingeführte Targobank aufgrund ihres damaligen Trikotsponsorships bei Werder Bremen einen bundesweiten Bekanntheitsgrad von 69 Prozent erreichen - und das innerhalb von nur sieben Monaten. Was die Verbesserung des Image betrifft, ist die Allianz ein gutes Beispiel. Der Versicherungskonzern war zwar schon lange wohlbekannt, wurde in der Bevölkerung aber eher als langweilige Marke angesehen. Durch Sportsponsoring (etwa in der Formel 1, beim FC Bayern München und nicht zuletzt durch das Namenssponsoring der Münchener Fußballarena) wird die Allianz mittlerweile als attraktive Marke wahrgenommen. Doch Sportsponsoring bietet Unternehmen viel mehr und eignet sich aufgrund des Livecharakters hervorragend zur Kundenpflege, Mitarbeitermotivation und Personalrekrutierung. Vor allem weil der Sport etwas bietet, was für Unternehmen in der Kommunikation elementar wichtig ist: authentische Emotionen! Was die werbetreibende Industrie normalerweise mit viel Geld in Werbekampagnen künstlich erzeugen muss, bekommt sie vom Sport frei Haus - denn sportliche Wettkämpfe bieten natürliche Spannung, menschliche Gefühlsausbrüche sowie echte Gewinner.

Nachteile Die Beliebtheit des Sportsponsorings als Kommunikationsinstrument führt allerdings auch zu einem gewaltigen Nachteil: Da immer mehr Marken Werbung mit Sport machen, wird es für einzelne Sponsoren immer schwieriger, aus der breiten Sponsorenmasse herauszustechen. Im Sportbusiness ist längst schon die Rede vom "sponsorship clutter" (auf gut Deutsch: Sponsoringmüll). Viel zu viele Sponsoren nehmen sich gegenseitig die Aufmerksamkeit weg, in den Kopf der Konsumenten schaffen es nur ein paar wenige Marken. Fast jede Sponsorenabfrage liefert die gleichen üblichen Verdächtigen: Coca-Cola, Adidas, McDonalds - und damit nur die wirklich großen und finanzkräftigen Sponsoren, die schon sehr lange dabei sind. Die meisten anderen Sportsponsoren fallen hinten runter, obwohl sie selbst einige Millionen für ihre Engagements ausgeben, auch weil man als Sportsponsor mehr machen muss als nur sein Logo auf ein Trikot oder eine Werbebande zu platzieren. In der Fachsprache spricht man von Aktivierung, das heißt, dass man das für viel Geld eingekaufte Sponsoringrecht sinnvoll in die eigene Kommunikationsstrategie einbauen sollte. Und dafür sollte man dann mindestens noch einmal genau so viel ausgeben wie für das entsprechende Sponsoringrecht. Große Sponsoren wie Coca-Cola investieren gar das Dreifache für Aktivierungsmaßnahmen wie die Herstellung von speziellen Getränkedosen oder groß angelegten Gewinnspielen, bei denen Konsumenten beispielsweise Eintrittskarten für die gesponserten Sportereignisse gewinnen können. Auch für die diesjährigen Olympischen Spiele in Rio de Janeiro - übrigens die seit jeher einzige Sportgroßveranstaltung, die zwar von Sponsoren finanziert wird, zugleich aber keine Werbung in den Stadien und Arenen zulässt. Aus den menschlichen Litfaßsäulen werden dann vier Wochen lang wieder reine Sportler.

Der Autor ist Direktor des Deutschen Institut für Sportmarketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen.