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AUF STREIFE : Der Polizist

Heiko Höpner sucht den Kontakt zum Bürger

29.08.2016
2023-08-30T12:30:06.7200Z
3 Min

Mein schlimmster Moment als Polizist war, als ich gesehen habe, wie sich ein Mann selbst erschossen hat. Er saß an einer Straßenecke im Auto. Irgendwas war daran seltsam. Mein Kollege und ich haben ihn angesprochen. Da zog er eine Waffe und hielt sie sich an den Kopf. Er sagte: "Das gilt nicht euch" - und drückte ab. Die Kugel ging durchs Dach, nur knapp an mir vorbei.

So etwas ist mir nie wieder passiert. Seit 1989 bin ich Polizist, davor war ich beim Bundesgrenzschutz, und habe auch öfter eine Waffe in der Hand gehabt. Abgefeuert habe ich sie zum Glück nie. Von Anfang an habe ich im Polizeikommissariat 16 in der "Schanze", dem Hamburger Schanzenviertel, gearbeitet. In dieser Gegend bin ich teilweise aufgewachsen, mein Vater war Hausmeister an der Schule nebenan. Ich habe mich da sofort wohlgefühlt.

Heute bin ich Polizei-Oberkommissar und seit acht Jahren "Bünabe", also Bürgernaher Beamter - so hieß das zumindest früher. Das ist ein besonderer Fußstreifendienst, den man erst ab 40 machen darf. Wir leisten Präventionsarbeit in Schulen und sind Ansprechpartner für die Menschen im Viertel. Man kennt sich, trinkt auch mal einen Kaffee zusammen. Unsere Aufgabe ist es, Vertrauen zu schaffen. Wir zeigen den Bürgern, dass die Polizei nicht nur ein Verwaltungsapparat ist, sondern dass dort Menschen arbeiten. Das ist eine wirklich schöne Aufgabe, die Leute erzählen uns viel, gerade die Älteren fassen Vertrauen zu uns. Man könnte sagen, ich habe die angenehmere Seite des Jobs erreicht.

Da die Polizei chronisch unterbesetzt ist, kommt es allerdings zu Situationen, wo wir im Streifenwagen zu Einsätzen mitfahren müssen. Das bringt uns in der Vertrauensfrage in eine schwierige Situation. Plötzlich müssen wir da durchgreifen, wo wir sonst Kaffee trinken. Zum Glück ist das aber selten.

Früher war das anders, da war ich Zivilfahnder auf dem Hamburger Dom und gehört zu den szenekundigen Beamten vom FC St. Pauli. In dieser Szene ist das Verhältnis zur Polizei nicht so gut. Bei normalen Fans waren wir gern gesehen und hatten gute Kontakte, aber bei den Hooligans natürlich nicht. Heute sind die Krawall-Fans von damals erwachsen, viele haben selbst Kinder, und manchmal trifft man sich wieder - dann ist es schon witzig, sich zu unterhalten.

Anfang der 1990er-Jahre war ich bei der zivilen Truppe, war für die "Rote Flora" zuständig, die linke Szene. Wir hatten damals Zwölf-Stunden-Dienste und waren gerade bei Großveranstaltungen, Demos und auch Hausbesetzungen im Einsatz. Auch beim Schanzenfest war ich in zivil im Einsatz. Heute bin ich nur tagsüber da, sehe nach dem Rechten und unterhalte mich. Wenn am Abend die Stimmung umschlägt, stehen die Einsatztruppen schon bereit. Die Situation in der Schanze ist schon besonders, bis heute. Aber als Konflikt mit den Bürgern dort würde ich es nicht bezeichnen. Der Hass kommt nicht aus dem Viertel, wenn es Krawalle gibt, sind viele gar nicht von dort.

Klar, für einige Leute ist der Polizist einfach das Feindbild, aber das ist mein Beruf, das gehört dazu. Man muss einfach damit leben, dass die Menschen immer nur schlechte Erlebnisse und Erfahrungen mit der Polizei erzählen. Kaum einer lobt eine positive Begegnung. Wir sind die, die immer Schuld sind, auch bei jedem Strafzettel fürs Falschparken - obwohl wir die gar nicht verteilen.

Bei der Polizeiarbeit begegnen einem immer wieder schlimme Dinge, vor allem die Drogentoten aus den Hochzeiten sind mir in Erinnerung geblieben. Da hat man den Dreck und das ganze Elend gesehen. Die guten Dinge sind nicht so eindrucksvoll, sie sind mir aber besonders wichtig. Wenn man den Leuten helfen kann, sie einem Vertrauen schenken. Als "Bünabes" machen wir manchmal die Arbeit von Sozialarbeitern. Wenn es um Einsparungen geht, wird häufig die Frage gestellt, ob das, was wir machen, überhaupt noch Polizeiarbeit ist. Aber das ist es, und es ist wichtig, dass wir da sind. Ich bin 53, sieben Jahre sind es noch bis zur Pensionsgrenze, und ich habe vor, die auf der Straße zu verbringen, um für die Menschen da zu sein. Am Schreibtisch sitzen kommt für mich nicht in Frage.

Aufgezeichnet von Mirjam Rüscher

Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.