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BUNDESWEHR : »Der Kampf wird noch lange dauern««

Die Bundesregierung will weiter kurdische Sicherheitskräfte im Nordirak ausbilden lassen. Die Opposition warnt vor einer Verlängerung des Einsatzes

18.01.2016
2023-11-08T12:41:31.3600Z
4 Min

Die Bundesregierung will ihre Beteiligung an der internationalen Ausbildungsmission im Nordirak um ein weiteres Jahr verlängern. Bis zu 150 statt wie bisher bis zu 100 Bundeswehrsoldaten will sie 2016 in die Region Kurdistan-Irak entsenden. Sie sollen die kurdischen Sicherheitskräfte ("Peschmerga") weiter ausbilden und damit in ihrem Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) unterstützen, schreibt die Koalition in einem Antrag (18/7207), über den der Bundestag am vergangenen Donnerstag in erster Lesung debattierte. Am 28. Januar soll der Bundestag über den Einsatz abstimmen.

»Erfolge fortsetzen« Seit das Parlament vor einem Jahr zum ersten Mal das Mandat für die Mission erteilt habe, seien im Nordirak und auch in Deutschland mehr als 6.000 heimische Kräfte ausgebildet worden, berichtete Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der Debatte. Die Peschmerga schlügen sich tapfer, doch wüssten alle: "Der Kampf wird noch lange dauern." Teile Nord- und Westiraks litten noch immer unter dem Joch des IS. Umso wichtiger sei es jetzt, betonte von der Leyen, den Erfolg zu verstetigen und fortzusetzen. Daher wolle die Bundesregierung das Kontingent auch erhöhen. Die Ausbildung soll um ABC-Fähigkeiten, also dem Umgang mit atomaren, biologischen und chemischen Kampfmitteln, erweitert werden, um Fähigkeiten im Sanitätsdienst und in der Logistik, erklärte die Verteidigungsministerin.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), bezeichnete die Kombination aus gut ausgebildeten und ausgerüsteten Bodentruppen und Luftschlägen der internationalen Anti-IS-Koalition als "ein Erfolgsmodell". Vor allem im Norden des Irak sei es den kurdischen Sicherheitskräften und den Regierungstruppen mit Unterstützung der internationalen Allianz gelungen, den IS in die Defensive zu drängen. Die Terrororganisation habe zuletzt wichtige Teile der von ihm kontrollierten Gebiete im Irak verloren, etwa die Jesidenstadt Sindschar (siehe Text oben). "Zu diesem militärischen Erfolg haben wir in Deutschland einen Beitrag geleistet", zeigte sich Roth überzeugt. Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Waffenlieferungen, mit denen Deutschland die Peschmerga seit September 2014 unterstützt. Aus ihren Beständen hat die Bundeswehr bisher bisher 1.800 Tonnen Waffen, Munition und Ausrüstung an die kurdischen Streitkräfte geliefert, darunter 30 Milan-Panzerabwehrraketen und 8.000 G36-Sturmgewehre inklusive Munition. Mit der Entscheidung, Waffen in das Krisengebiet zu schicken, hatte der Bundestag damals hart gerungen. Aber, urteilte Ursula von der Leyen jetzt: "Diese Entscheidung war richtig." Es sei gelungen, die Flüchtlinge zu schützen, dem IS empfindliche Niederlagen beizubringen und Territorium zurückzugewinnen. Hätten die Peschmerga vorher ohnmächtig zusehen müssen, wie die Extremisten ihre mit Sprengstoff gefüllten Lastwagen als rollende Bomben in die kurdischen Dörfer fuhren, um sie dort zur Explosion zu bringen, könnten sie die Bomben nun auf Distanz halten und ihre eigenen Leute schützen.

Beide, Roth wie von der Leyen, stellten aber klar, dass die Strategie der Bundesregierung im Irak nicht allein auf das Militärische fokussiert. So erklärte Roth, dass der Irak in diesem Jahr ein Schwerpunktland des deutschen humanitären Engagements bleiben werde. Bis zu 70 Millionen Euro werde die Bundesregierung für Hilfsprogramme bereitstellen, um die Not der Flüchtlinge und der Vertriebenen im Irak zu lindern.

Bedenken der Koalition Während die Bundesregierung auf Erfolge verweist und ihre Strategie im Irak aufgehen sieht, bleibt die Opposition kritisch. Schon im vergangenen Jahr hatte die Linksfraktion geschlossen gegen die Ausbildungsmission gestimmt, die Grünen hatten sich mehrheitlich enthalten. Das wird diesmal nicht anders sein, wie die Redner beider Fraktionen ankündigten.

Christine Buchholz (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, mit ihren Waffen und Ausbildern eine Regionalregierung zu stärken, "die ihre Macht nicht auf das Parlament, sondern auf die Waffen ihrer Streitkräfte stützt". Sie bezog sich dabei auf den Umstand, dass der Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masud Barzani, im Oktober vergangenen Jahres Oppositionsvertreter aus Regierung und Parlament geworfen hatte. Hintergrund ist der Streit um eine weitere Amtszeit Barzanis. Buchholz warnte die Bundesregierung: "Es ist nicht transparent, was mit den Waffen passiert, die Sie liefern." Sie erinnerte daran, dass der Präsident des kurdischen Regionalparlaments, Yusuf Mohammed, jüngst in Berlin die Befürchtung geäußert habe, die deutschen Waffen könnten für den innerkurdischen Machtkampf instrumentalisiert werden. "Aber diese Probleme interessieren Sie nicht sonderlich, weil Sie nicht in Ihre Erzählung hineinpassen", warf Buchholz der Koalition vor.

Auch Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf die Probleme in der Region hin. "Die Entwicklungen in den kurdischen Gebieten geben aktuell Anlass zur Sorge", sagte sie. Es gebe große Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen. "Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, dass Sie genau schauen, wen Sie unter welchen Bedingungen womit und

woran ausbilden", forderte Brugger.

Sie äußerte zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Bundeswehreinsatz. "Dass Sie mich nicht falsch verstehen", betonte Brugger, "die kurdischen Kräfte sind unser wichtigster und bester Partner in der Region." Deshalb halte die Grünen-Fraktion ihre Ausbildung auch "grundsätzlich für richtig und sinnvoll". Doch werde die Bundeswehr im Irak im Rahmen einer Koalition der Willigen eingesetzt, obwohl sie nur innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit handeln dürfe. Diesen Fehler müsse die Bundesregierung rückgängig machen, appellierte Brugger. Sie forderte die Koalition zudem auf, mehr zu tun, "um die politischen Weichen in der Region so zu stellen, dass es langfristig eine Chance auf Stabilität, Frieden und Sicherheit gibt". An die Verteidigungsministerin gewandt, sagte sie: "Dann können Sie hoffentlich in ein paar Jahren wirklich sagen, dass die Ausbildung im Nordirak ein Erfolgsmodell war."