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NSA-Ausschuss : Die NSA half dem BND bei der technischen Ertüchtigung

Ex-BND-Präsident Uhrlau schildert deutsch-amerikanische Geheimdienstkooperation nach dem Terror vom 11. September 2001

18.01.2016
2023-11-08T12:41:31.3600Z
3 Min

Was könnte der Mann nicht alles erzählen: jahrelang Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), noch etwas länger Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, zuvor Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, ein Beamtenleben in der Welt der Schlapphüte. Schade nur, dass vergangene Woche vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) des Bundestages das Gedächtnis Ernst Uhrlau immer wieder im Stich ließ. "Das vermag ich Ihnen aus der Erinnerung nicht zu sagen", war ein Satz, den die Abgeordneten so oder ähnlich öfter zu hören bekamen.

Insbesondere zu der Frage, die vor allem sozialdemokratische Mitglieder des Ausschusses brennend interessierte, ob und inwieweit die jeweiligen Chefs des Kanzleramts, Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Uhrlaus Zeit als Geheimdienstkoordinator, Thomas de Maizière (CDU) in den späteren Jahren, an umstrittenen Entscheidungen in der Kooperation mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) beteiligt waren, wusste Uhrlau nichts Definitives zu berichten.

Über das gemeinsame Abhörprojekt "Eikonal" etwa sei Steinmeier wohl "inhaltlich unterrichtet" gewesen, aber "zu welchem Zeitpunkt", sei "offen". Hat er im November 2003 an der entscheidenden Besprechung im Kanzleramt teilgenommen? "Ob Steinmeier bei der Präsidentenrunde dabei gewesen ist, kann ich Ihnen nicht beantworten. Er hat die Präsidentenrunde eher nicht geleitet." Was wusste Steinmeiers Nachfolger de Maizière von der Beendigung des Projekts im Jahr 2008? "Ich bin nicht sicher, dass das Auslaufen von Eikonal dem Kanzleramt nicht mitgeteilt wurde."

Große Einigkeit So bekamen die Abgeordneten im Wesentlichen das zu hören, was ihnen Uhrlau schon bei seinem ersten Auftritt vor diesem Ausschuss im Juni 2015 geboten hatte, einen historischen Abriss der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit im Geheimdienstwesen.

Ihre Anfänge reichen in die Zeit unmittelbar vor den Terrorattacken des 11. September 2001 zurück, als im Juli des Jahres BND und NSA im Grundsatz einig waren, die bislang ausschließlich von den Amerikanern genutzte Abhöranlage in Bad Aibling künftig gemeinsam zu nutzen. Uhrlau betonte, dass dies auch im Sinne der "Ertüchtigung" des BND gewesen sei, der etwa in Bad Aibling Zugang zu Technologien der Überwachung satellitengestützter Kommunikation erhalten habe. Die NSA habe Möglichkeiten bieten können, "über die der BND noch gar nicht verfügte".

Nach den Attentaten des 11. September und der Entdeckung der Hamburger Terrorzelle habe es an der "Notwendigkeit, mit der NSA eine intensive Zusammenarbeit zu entwickeln", keine Zweifel mehr geben können. Das sei die "politische Gesamtposition im Kanzleramt im Herbst 2001 gewesen".

Zwei Jahre später war Uhrlau persönlich beteiligt, ein gemeinsames Projekt, nämlich "Eikonal", auf den Weg zu bringen. BND und NSA zapften damals einen Glasfaserknoten der Telekom in Frankfurt am Main an, um kabelgestützten Datenverkehr aus dem Nahen und Mittleren Osten zu überwachen. Der Geheimdienstkoordinator Uhrlau unterzeichnete im Dezember 2003 ein Schreiben, mit dem das Kanzleramt die Unbedenklichkeit des Vorhabens bescheinigte, um juristische Einwände der Telekom auszuräumen.

Zugriff auf den Glasfaserknoten erhielten die Geheimdienste dank einer "G10-Anordnung", die in der Regel die Rechtsgrundlage bildet, um in bestimmten Einzelfällen den Schutz des Fernmeldegeheimnisses für als Straftäter verdächtige deutsche Staatsbürger aufzuheben.

Keine Brandmauer Auf die Frage, ob der damalige Kanzleramtschef Steinmeier entschieden habe, so vorzugehen, antwortete Uhrlau wieder: "Das weiß ich nicht." Den Vorwurf der "Lüge" gegenüber der zuständigen G10-Kommission wies er jedenfalls zurück. Die Kommission genehmige Suchmerkmale, um aus dem Datenstrom die relevante Information herauszufiltern. Gleichwohl werde immer der gesamte Datenstrom abgegriffen: "Zwischen Routineverkehren und G10-Erfassung gibt es keine Brandmauer." Das sei der Kommission bewusst: "Die G10-Kommission wissentlich täuschen zu wollen, ist nicht die Absicht gewesen."

In einer Gedächtnislücke Uhrlaus verschwunden ist auch die Erinnerung an eine Weisung, die er als BND-Präsident im Sommer 2006 erlassen hatte. Darin hatte er angeordnet, Geodaten aus Syrien, dem Libanon und den Palästinensergebieten, die als Zielkoordinaten militärisch nutzbar sein könnten, nur noch in verunklarter Form an ausländische Dienste weiterzugeben. Was war damals der Anlass? Der Drohnenkrieg der USA, wie die Opposition hartnäckig vermutet?

Ach, meinte der Zeuge, man erteile als BND-Präsident so viele Weisungen. In einem Punkt war sich Uhrlau aber ganz sicher: "Das Thema Drohnen ist mit BND-Informationen nicht in Verbindung zu bringen."