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NSU : Kiesewetter als Zufallsopfer des NSU

04.10.2016
2023-08-30T12:30:08.7200Z
2 Min

Mit den Taten der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) ist kaum jemand so vertraut wie die Oberstaatsanwältin Anette Greger. Sie ist eine der Anklagevertreterinnen im NSU-Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer am Oberlandesgericht in München. Vergangene Woche sagte sie als Zeugin vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages aus, der offene Fragen zur Arbeit der Behörden bei den Ermittlungen im Umfeld des NSU klären soll.

Es sei nach wie vor nicht klar, wie bei den Ermittlungen etwa mit den anonymen DNA-Spuren umgegangen worden sei, die an den NSU-Tatorten gefunden wurden, sagte der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU). Greger, die die Ermittlungen selbst geführt hatte, antwortete, dass nach ihrer Kenntnis alle im NSU-Komplex angefallene Spuren mit den DNA-Mustern der Beschuldigten abgeglichen worden seien. Das reichte Binninger aber offenkundig nicht. Er verwies darauf, dass von den insgesamt 100 Personen, die zum erweiterten Kreis der Verdächtigen zählen, lediglich 19 in der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts (BKA) erfasst seien, darunter nur sieben der 14 Beschuldigten, die als dringend tatverdächtig gelten. Er könne nicht nachvollziehen, dass zumindest von den dringend Tatverdächtigen noch immer keine Probe verlangt worden sei, sagte Binninger. Seltsam sei auch: An keinem der Tatorte wurden DNA-Spuren der mutmaßlichen Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gefunden.

Keine Augenzeugen Die Abgeordneten befragten Greger auch zu dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Kiesewetter und ihr Kollege Martin Arnold waren am 25. April 2007 auf einem Parkplatz von mindestens zwei Tätern - mutmaßlich Böhnhardt und Mundlos - überfallen und aus kurzer Distanz in den Kopf geschossen worden. Kiesewetter war sofort tot, Arnold überlebte schwerverletzt. Sie sei während der Ermittlungen selbst in Heilbronn gewesen, sagte Greger. Der viel frequentierte Parkplatz sei eigentlich ein undenkbarer Ort für einen Mord. Hätten die Mörder ihre Tat geplant, hätten sie die Polizisten woanders abgepasst, meinte Greger. Allen Erkenntnissen nach seien Kiesewetter und Arnold Zufallsopfer gewesen. Auch gebe es trotz zahlreicher offener Spuren keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der NSU aus mehr als dem bekannten Trio bestanden habe. Allerdings sei bis heute kein Augenzeuge aufgetaucht, der einen der NSU-Morde an neun türkisch und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie an Kiesewetter gesehen hat.

Ergebnislos verlief die anschließende Befragung des Verfassungsschützers Lothar Lingen, der schon einmal 2012 vor dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss als Zeuge ausgesagt hat. Er gilt als Hauptverantwortlicher für die Vernichtung von V-Mann-Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kurz nach der Enttarnung des NSU im November 2011. Wie bisher schon schwieg Lingen auch vor dem Ausschuss zu den Gründen für die Aktenvernichtung. Seinen Anwalt ließ er gleich zu Beginn erklären, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache und sich zu der Schredderaktion nicht äußern werde. Der Ausschuss konnte so nur allgemeine Fragen etwa zu Arbeitsabläufen im BfV stellen. Erhellendes kam nicht zu Tage.