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PARLAMENTARISMUS : Komfortable Ausgangslage

Weißes Haus und Kongress sind in der Hand der Republikaner. Durchregieren geht aber nicht

27.12.2016
2023-08-30T12:30:13.7200Z
5 Min

Es gab Zeiten im vergangenen Wahlkampf, da hatten die Demokraten ganz große Hoffnungen: Nicht nur sahen sie Hillary Clinton schon im Weißen Haus, auch im Senat wollten sie nach zwei Jahren in der Minderheit wieder das Ruder übernehmen. Und mancher träumte - als Donald Trumps Skandale und Fehltritte im Spätsommer Schlag auf Schlag folgten - schon davon, auch das Repräsentantenhaus, wo die Republikaner seit 2010 den Ton angeben, erneut unter Kontrolle der Demokraten zu bringen. Es wären perfekte Startbedingungen für Präsidentin Clinton gewesen.

Es kam anders. Statt im Weißen Haus und in den Büros der Mehrheitsführer im Senat und Repräsentantenhaus müssen sich die Demokraten nun in der "Political Wilderness", der politischen Wildnis, einrichten. Auf nationaler Ebene geben künftig die Republikaner komplett den Ton an. Im Repräsentantenhaus musste die "Grand Old Party" zwar leichte Verluste einstecken: Mit 241 Sitzen ist die Mehrheit (218 Sitze) aber noch sehr komfortabel. Die Demokraten haben 194 Sitze. Im Senat halten die Konservativen mit 52 Senatoren eine Mehrheit. 46 Senatoren sind Demokraten. Zwei weitere sind offiziell Unabhängige, machen aber mit den Demokraten gemeinsame Sache - darunter Bernie Sanders, der Herausforderer von Clinton im Vorwahlkampf.

Kann Präsident Donald Trump also durchregieren? Rein systemisch gesehen ist das nicht vorgesehen oder gewollt. Das politische System setzt auf "Checks & Balances", das Regieren soll kompliziert, Macht verschränkt sein. Der Präsident hat zwar in der Außenpolitik relativ viele Freiheiten und kann - bis auf den unwahrscheinlichen und komplizierten Fall einer Amtsenthebung - nicht abberufen werden. Umgekehrt kann der Präsident formell kein Gesetz einbringen und so die parlamentarische Agenda setzen. Dafür braucht er im Kongress einen Verbündeten.

Die magische Zahl Aber auch der Kongress selbst ist komplex. Gesetze müssen von zwei Kammern verabschiedet werden. Repräsentantenhaus und Senat unterscheiden sich dabei in Hinblick auf Legislaturperioden, Wählerschaft und Verfahren. Die 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses müssen sich alle zwei Jahre den Wählern in ihren Wahlbezirken stellen. Es herrscht quasi permanenter Wahlkampf, auch wenn viele Sitze nicht zwischen den Parteien, sondern maximal während der Vorwahlen innerhalb der Parteien umstritten sind. Ein Grund dafür ist der parteiische Zuschnitt von Wahlbezirken ("Gerrymandering"). Die Wahlperiode der 100 Senatoren, zwei pro Bundesstaat, dauert sechs Jahre. Es wird versetzt gewählt, sodass alle zwei Jahre ein Drittel des Senats zur Wahl steht.

Und dann gibt es noch die Regeln: Während das Repräsentantenhaus auf die simple Mehrheit setzt, 218 Stimmen reichen, um zu arbeiten, ist die Lage im Senat komplizierter. Dort ist bei strittigen Themen häufig 60 die magische Zahl. So viele Stimmen braucht es, um eine Debatte zu einem Punkt für beendet zu erklären, um überhaupt über die Sache abstimmen zu können. Einfach ist anders.

"Der Kongress kann arbeiten, wenn er es will. Aber der Kongress kann auch sehr dysfunktional sein, wenn er es nicht will", sagt Molly Reynolds von der Brookings Institution, einer Washingtoner Denkfabrik mit Neigung zum politischen Spektrum der Demokraten. In den vergangenen Jahren habe die Legislative zur Dysfunktionalität geneigt. Das war teils Kalkül: Die Republikaner nutzten die parlamentarischen Instrumente, um Präsident Barack Obama das legislative Leben schwer zu machen. Die Anti-Obama-Strategie zeigte bis zuletzt Wirkung: Der Senat verweigerte Obama seit März 2016 eine Anhörung für seinen Kandidaten für den vakanten Sitz am Obersten Gerichtshof. Nun kann Trump einen Kandidaten nominieren.

Unkonventionelle Ansätze Ob Trump in seiner Amtszeit auf die Unterstützung der Republikaner im Kongress zählen kann, hängt laut Reynolds vom jeweiligen Thema ab: "Bei manchen Dingen wie etwa Steuersenkungen besteht zwischen Trump und den Republikanern im Kongress Einigkeit darüber, sie anzugehen." Konkretes müsse noch ausgearbeitet werden. Spannender könnte es bei Themen werden, bei denen Trump einen im Vergleich zur konservativen Dogmatik der Republikaner unkonventionellen Ansatz vertritt oder gar keine wirkliche Priorität setzt. Ein Beispiel: Der Umgang mit Obamas Gesundheitsreform (siehe Beitrag rechts unten), bei der Trump von seiner Maximalkritik zumindest rhetorisch schon Abstand genommen hat. Das Thema könnte bei den Republikaner im Kongress als Spaltpilz wirken. Reynolds verweist darauf, dass etwa der "Freedom Caucus", eine Gruppe von besonders radikalen Konservativen, auf eine zügige Abwicklung der damit verbunden Programme setzt. Andere Republikaner favorisieren längere Übergangszeiten, auch weil noch keine Alternative absehbar ist. Konflikte zwischen Konservativen und Noch-Konservativeren prägten die Fraktion im Repräsentantenhaus schon in den vergangenen Jahren. Auch die von Trump angekündigten Investitionen in die Infrastruktur der Vereinigten Staaten könnten gerade den "Defizit-Falken" bei den Republikanern sauer aufstoßen, sprechen sie sich doch gegen überbordende Staatsausgaben aus. Das müsse es aber nicht zwangsläufig, denn die Kontrolle über den Kongress und das Weiße Haus könne solche Differenzen übertünchen, meint Reynolds. Manch ein Prinzipienreiter könnte einknicken.

Ganz ohne Demokraten wird es allerdings nicht gehen. 52 Sitze im Senat sind zwar eine Mehrheit, aber wenn die Demokraten wollten, könnten sie vieles blockieren. Obstruktion könnte bei manchen Themen eine Möglichkeit sein, bei anderen seien Kompromisse zu erwarten, prognostiziert die Kongress-Expertin. Denn die Wahlen von 2018 werfen ihre Schatten voraus. Mancher Senator der Demokraten steht dann in einem Bundesstaat zur Wiederwahl, den Trump gerade erst gewonnen hat. Komplett gegen Trump zu arbeiten, könnte sich am Wahltag rächen. Diese Überlegungen setzten aber eine halbwegs normale Präsidentschaft voraus. Wenn Trump zu einem Nixon-ähnlichen Albtraum würde, dann könnte die Kontrollfunktion des Kongresses im Mittelpunkt stehen, mal ganz abgesehen von der Möglichkeit der Amtsenthebung. Ausschüsse haben die Möglichkeit, sich intensiv und öffentlichkeitswirksam mit Fehlverhalten der Administration auseinanderzusetzen, Gesetze könnten das Handeln von Trump und seinem Team einschränken. Und der Kongress hat die Budgethoheit - "the power of the purse". Im Zweifel wird der Geldhahn zugedreht. Ein erstes Schlaglicht auf dieses Potenzial wirft die Debatte um den Einfluss Russlands auf die Wahl. Während Trump die Vorwürfe von CIA und FBI zur Seite wischt, fordern Republikaner im Kongress Untersuchungen. Generell sehe sie aber nicht, dass die Republikaner im Kongress schon in diese Richtungen gehen würden, sagt Reynolds. Auch hier gelte: "Es gibt viele Wege, wie der Kongress die Exekutive kontrollieren kann. Er muss es aber wollen."