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auslandseinsätze : Öfter mal ohne Mandat

Koalitionspläne zur Änderung der Parlamentsbeteiligung stoßen auf Kritik

01.02.2016
2023-08-30T12:29:54.7200Z
3 Min

Volker Rühe wirkte zufrieden. Der ehemalige Verteidigungsminister saß vergangenen Freitag auf der Tribüne des Bundestages, als unten im Saal die von Union und SPD in einem Gesetzentwurf (18/7360) vorgelegten Änderungen in Sachen Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen erstmals diskutiert wurden. Rühes Zufriedenheit rührte möglicherweise daher, das in dem Entwurf so gut wie alle Empfehlungen der von ihm geleiteten "Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr" (18/5000) enthalten sind. Dass die Opposition an der Vorlage heftige Kritik übte, dürfte ihn nicht überrascht haben. Hatten doch Grüne und Linke von Anfang an wenig Sympathie für das Vorhaben erkennen lassen, Änderungen bei den Parlamentsrechten vorzunehmen. Einer Mitarbeit in der Rühe-Kommission hatten sie sich verweigert, was ihnen im Verlauf der Debatte immer wieder Vorwürfe aus den Reihen der Koalition einbrachte.

Sevim Dagdelen (Die Linke) entgegnete darauf: "Das war keine Parlamentskommission, sondern eine Regierungskommission." Es könne nicht sein, dass die Regierungskoalition eine Kommission gründe, ihr einen eigenen Auftrag gebe und dann der Opposition sage, "ihr könnt gern mitmachen". Katja Keul (Grüne) sah das genauso. "Das parlamentarische Verfahren beginnt jetzt. Und daran werden wir uns auch beteiligen", kündigte sie an.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die konstitutive Zustimmung des Bundestages - der Parlamentsvorbehalt - "auch bei den multilateralen militärischen Verbundfähigkeiten Voraussetzung für ihren Einsatz im Rahmen einer bewaffneten Unternehmung bleiben". Zugleich zählt er Einsatztypen auf, für die eine Zustimmung des Bundestages nicht erforderlich sein soll. Dazu gehören laut Entwurf humanitäre Hilfsdienste und Hilfeleistungen der Streitkräfte, logistische Unterstützung ohne Bezug zu Kampfhandlungen, die Bereitstellung medizinischer Versorgung außerhalb des Gebiets eines bewaffneten Konfliktes sowie Ausbildungsmissionen in sicherem Umfeld, wenn Waffen lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung oder zu Ausbildungszwecken mitgeführt werden.

Es gehe um die Handlungsfähigkeit Deutschlands im internationalen Verbund und um Verlässlichkeit, sagte Roderich Kiesewetter (CDU) vor dem Plenum. Ziehe sich Deutschland von Aufgaben zurück, die nur gemeinschaftlich zu finanzieren seien, wie etwa die Luftaufklärung, "wären weder EU noch Nato handlungsfähig". Die der Bundesregierung eingeräunmte Handlungsfähigkeit habe aber ihren Preis, betonte Kiesewetter. "Wir erwarten bessere Informationen und eine andere Beteiligung des Parlaments." Daher sei im Entwurf die Verpflichtung zur Evaluierung und Bewertung von Einsätzen enthalten. Zugleich sei geregelt, dass die Regierung jährlich dem Parlament über die wechselseitigen Abhängigkeiten bei den Verbundfähigkeiten berichten muss. Kiesewetter machte zugleich deutlich, dass "nicht unbedingt jeder Einsatz mandatiert werden muss". Insbesondere, wenn es um Ausbildungsmissionen oder niedrigschwellige Beobachtermissionen in nicht-bewaffneten Konflikten gehe.

Nebelkerzen Eine Evaluierung müsse im Grunde eine Selbstverständlichkeit sein, zeigte sich Alexander S. Neu (Die Linke) wenig beeindruckt. Seiner Ansicht nach will die Koalition mit dem Gesetz "parlamentarisch demokratische Rechte beschneiden". Dies werde mit "Nebelkerzen einer besseren Informationspolitik" kaschiert. Seine Fraktionskollegin Dagdelen warnte, das Gesetz sei "der Anfang vom Ende der Parlamentsbeteiligung". Die Koalition wolle die Bundesregierung allein über die wichtige Frage Krieg oder Frieden entscheiden lassen. "Wer diesem Gesetz zustimmt, entmachtet das Parlament", sagte Dagdelen.

Sonja Steffen (SPD) räumte ein, dass die Regelung, wonach die Mitwirkung von Soldaten der Bundeswehr "in Stäben und Hauptquartieren der Nato, der EU und anderer Organisationen der kollektiven Sicherheit" mandatierungsfrei sein soll, wenn es sich nicht um eine Tätigkeit in einem Gebiet eines bewaffneten Konflikts handelt, "auf den ersten Blick wie eine Beschneidung der Parlamentsrechte wirkt". Indirekt sei dies aber schon im Parlamentsbeteiligungsgesetz geregelt und werde jetzt gesetzlich klargestellt. Was den Negativkatalog für nichtzustimmungspflichtige Einsätze angeht, so sei aus Sicht der SPD noch eine genauere verfassungsrechtliche Überprüfung erforderlich, erklärte Steffen.

Bei aller Freude über erweiterte Informationsrechte und den Verzicht auf Vorratsbeschlüsse überwog bei Frithjof Schmidt (Grüne) die Kritik. Im Zentrum des Entwurfes stehe der Versuch, Einsatztypen zu definieren, die nicht mandatspflichtig sein sollen, sagte er. Ein Versuch, die von Bundesverfassungsgericht geforderte Einzelfallprüfung zu unterlaufen, müsse jedoch scheitern. Schmidts Fazit: "Ein Gesetz zur Stärkung der Exekutive und Schwächung der Legislative - und da besonders der Opposition - lehnen wir ab."