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NSA : »Was regt ihr euch so auf?«

Zeugen berichten vom Abhören unter Freunden

01.02.2016
2023-08-30T12:29:55.7200Z
2 Min

"Abhören unter Freunden, das geht gar nicht." Es war der 24. Oktober 2013, als Angela Merkel diesen mittlerweile geflügelten Kommentar abgab zu der Neuigkeit, dass die US-amerikanische National Security Agency (NSA) ihr Handy belauscht hatte. Vier Tage später erhielt beim Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach Unterabteilungsleiter D.B. einen Anruf seines Präsidenten Gerhard Schindler.

Von diesem Telefonat berichtete D.B. dem NSA-Untersuchungsausschuss in der vorigen Woche. Schindler habe gesagt, er komme gerade aus dem Kanzleramt und bringe von dort "folgende Weisung zur sofortigen Umsetzung" mit: "Wir sollen alle Steuerungen bezüglich der Partnerstaaten deaktivieren." Mit anderen Worten, keine EU- und Nato-Länder mehr abhören.

Bis zum Sommer 2013 hatte der BND bei der Überwachung internationaler Datenverkehre allein darauf geachtet, dass keine "deutschen Grundrechtsträger", also Bundesbürger unter dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses, ins Netz gingen. Bürger oder Institutionen anderer, auch befreundeter, Länder erfreuten sich solcher Fürsorge nicht. Bis Anfang August 2013 Unterabteilungsleiter D.B. die Idee hatte, die Suchmerkmale überprüfen zu lassen, die die NSA in die gemeinsam betriebene Abhöranlage in Bad Aibling eingespeist hatte.

Es fanden sich knapp 40.000 Selektoren, die zur Ausspähung europäischer Ziele geeignet waren und aussortiert wurden. Nicht, wie der Zeuge betonte, weil sie "rechtswidrig" gewesen wären. Im Lichte der damaligen Snowden-Affäre erschienen sie aber aus politischen Gründen auf einmal als "kritisch". Als ein knappes Vierteljahr später BND-Präsident Schindler bei D.B. anrief, war diesem klar, dass nicht die NSA-Selektoren gemeint sein konnten: "Wir haben es so verstanden, dass es zunächst und unmittelbar auf unsere eigenen Selektoren anzuwenden sei."

Ist es da so überraschend, was der andere Zeuge der vorigen Woche, Botschafter Dirk Brengelmann, über seinen Antrittsbesuch in Washington im September 2013 als "Beauftrager für Cyber-Außenpolitik" zu berichten hatte? In den deutschen Medien kochte und brodelte noch die Empörung über die Snowden-Affäre, doch seine Gesprächspartner, so Brengelmann, hätten dafür nur amüsiertes Erstaunen übrig gehabt: "Was regt ihr euch so auf?", sei der Tenor gewesen. Die Kanzlerin abhören, vielleicht millionenfach Daten deutscher Bürger absaugen - was die NSA da möglicherweise gemacht habe, sei doch nicht so ungewöhnlich, das täten alle.

Es habe große Mühe gekostet, berichtete der Zeuge, der Gegenseite die deutsche Stimmungslage zu erklären und begreiflich zu machen, dass es sich nicht um eine Augenblicksaufwallung handelte: "Ihr müsst davon ausgehen, dass das wie eine Bombe eingeschlagen hat und die Bevölkerung das nicht goutiert", sei seine Botschaft gewesen. "Das musste erst einmal sickern", sagte Brengelmann.