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FACHGESPRÄCH : »Kein herausragendes Konfliktfeld«

Sachverständige diskutieren Auswirkungen des Energieleitungsbaus

01.02.2016
2023-08-30T12:29:55.7200Z
3 Min

Tausende Kilometer Stromtrassen sollen in den kommenden Jahren geplant und gebaut werden. Mit den Auswirkungen dieses Mammutprojektes der Energiewende, das in vielen Kommunen Widerstand hervorgerufen hat, haben sich vergangene Woche die Mitglieder des Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschäftigt. Schwerpunkt bildeten dabei die Bereiche Natur- und Strahlenschutz.

Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), betonte, dass der Naturschutz im Vergleich mit anderen Themen beim Netzausbau "kein herausragendes Konfliktfeld" sei. Dafür bedürfe es aber auf allen Planungsebenen einer Einbeziehung naturschutzrelevanter Aspekte und einer Alternativenprüfung. Der jüngst beschlossene Vorrang der Erdverkabelung sei begrüßenswert. Jessel machte während des Fachgespräch deutlich, dass jede Trassenlegung aber grundsätzlich im Einzefall zu bewerten sei. Pauschale Aussagen über unter welchen Umständen diese oder jene Option besser sei, lehnte sie ab. Auch beim Verlegen von Stromkabeln in der Erde könnten zum Beispiel Bodenschutzgüter, etwa in Hinblick auf den Wasserhaushalt, entscheidungsrelevant sein.

Einzelfall betrachten Bei Freileitungen seien die bekannten Auswirkungen auf Vögel, Landschaftsbild und Waldgebiete zu beachten. Aber auch hier mahnte sie, den Einzellfall zu bewerten. Das sieht auch das Bundesverwaltungsgericht so. Jüngst kassierte das Gericht einen Planfeststellungsbeschluss für eine 380-kV-Freileitung in Brandeburg, weil nicht für jede in einem bestimmten Gebiet betroffene Vogelart das Mortalitätsrisiko berücksichtigt worden sei. Geklagt hatte unter anderem der BUND.

Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, verwies allerdings darauf, dass die Konflikte vor Ort beim Energieleitungsbau häufig in der Abwägung zwischen Mensch und Natur verlaufen, etwa wenn eine Trasse aus Gründen des Naturschutzes näher an eine Siedlung verlegt werde. Homann betonnte, dass der Ausbau der Netze im Zuge der Energiewende dringend gebraucht werde. Während der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreite, fehle es noch an den notwendigen Transportkapazitäten. Homann gab an, dass konkrete Ausbauvorhaben umstritten seien, in manchen Regionen sei eine "Totalablehnung" zu verzeichnen. Der Vorrang der Erdverkabelung könne die Situation beruhigen. Es sei aber auch wichtig, zu kommunizieren, dass der Erdverkabelungsvorrang nur für die Gleichstromkabel gelte, sagte der Netzagentur-Präsident.

Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe e.V. verwies darauf, dass es zu vielen Fragen, die im Zuge des Netzausbaues bei den Betroffenen aufkämen, schon Antworten gebe. Das gelte etwa in Hinblick auf die Lärmbelastung durch den Korona-Effekt oder die Schadstoffbelastung. Das Wissen sei vor Ort aber häufig noch nicht bekannt. Einige Fragen seien aber noch offen. In Hinblick auf den Naturschutz müsse etwa bei Erdverkabelung genau analysiert werden, ob ein Wald durchquert werden könne oder umgangen werden müsse, sagte Ahmels.

Krebsrisiko Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), betonte, dass die bekannten Gesundheitsgefahren durch Stromleitungen durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die sich daraus ergebenden Anforderungen abgedeckt würden. Es gebe aber "Hinweise", denen man nachgehen müsse. Als Beispiel nannte König eine Studie zum Leukämierisiko bei Kindern im Umfeld von Stromleitungen. Dieses sei nicht wissenschaftlich belegt. Zudem seien die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in diesem Bereich sehr komplex, sagte König. Man müsse die Fragen aber offen angehen. Der BfS-Präsident regte ein entsprechendes Forschungsprogramm an. Wichtig sei dabei, etwa durch die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Forschung, die Akzeptanz der Ergebnisse sicherzustellen. König verwies auf die Forschung zur Wirkung von Mobilfunkstrahlung. Durch die Studien habe sich das Wissen enorm erhöht und es sei eine große Akzeptanz erreicht worden, sagte König.

Die Anhörung ist auf

www.bundestag.de/mediathek verfügbar.