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GROSSBRITANNIEN : Lords gegen May

Gegenwind für den Brexit-Plan der Premierministerin im Oberhaus

13.03.2017
2023-08-30T12:32:17.7200Z
3 Min

Das jüngste Opfer der britischen Regierungschefin Theresa May in ihrem Kampf für einen schnellen Brexit ist stolze 83 Jahre alt. Lord Heseltine, einst Stellvertreter Margaret Thatchers, wurde vergangene Woche als Regierungsberater gefeuert. Der Grund: Heseltine hatte gegen die Premierministerin rebelliert, weil er einen zweiten Änderungsantrag gegen das Artikel-50-Gesetz als Wortführer unterstützt hatte.

Der Geschasste nahm es mit englischem Humor. "Sie haben mich schon immer abgeschrieben als komischen alten Furz, und das werden sie jetzt wieder tun." Die Premierministerin "übt nur ihr absolut legitimes Recht aus, auf ihr richtig erscheinende Art Gegner loszuwerden", sagte Heseltine, der den Brexit als "folgenschwerste Entscheidung unseres Landes in Friedenszeiten" bezeichnet.

Widerspruch in den eigenen Reihen kann May auf den letzten Metern zum formalen EU-Ausstiegsprozess nicht gebrauchen. Ende März 2017, so hatte sie beim Parteitag der Tories im vergangenen Oktober versprochen, werde sie Artikel 50 in Kraft setzen. Jenen Artikel des EU-Vertrags von Lissabon, der die zweijährige Scheidungsphase einläutet. Möglicherweise gelingt ihr der Startschuss dazu tatsächlich Mitte dieser Woche.

Doch diesen Startschuss zu geben, fällt Theresa May weitaus schwerer als von ihr vor nicht allzu langer Zeit angenommen. Zumal sie zunächst davon ausging, den Brexit ganz nach ihrem Gusto per "Royal Prerogative", königlichem Vorrecht, einzuleiten. Doch der Supreme Court gab Ende Januar der Klage einer Londoner Bankerin Recht, dass das Parlament an diesem Vorgang beteiligt werden müsse. Nun bedarf es eines Gesetzes. Im Unterhaus hatte May leichtes Spiel. Sie verfügt dort zwar nur über eine Tory-Mehrheit von zwölf Sitzen.

Doch weite Teile der einstmals prinzipiell EU-freundlichen Labour-Partei winkten das Artikel-50-Gesetz glatt durch. Kein Wunder: Zwei Drittel der Labour-Wahlbezirke stimmten am 23. Juni 2016 für Leave, den Ausstieg aus der EU. "Den Willen des Volkes" zu missachten, drohten die britischen Massenblätter mit Ächtung zu bestrafen. In einem parlamentarischen System, in dem es nur Direktmandate gibt, ein hohes Risiko für jeden Abgeordneten.

Faustpfand Während das Unterhaus nach zweiter Lesung mit klarer Mehrheit zustimmte, gingen die ernannten, nicht gewählten Lords auf die Barrikaden. Bereits Ende Februar hatte May eine Schlappe hinnehmen müssen. Das Oberhaus stimmte mit einer klaren Mehrheit von 358 zu 256 für einen überparteilich eingebrachten Änderungsantrag. Demnach muss die Regierung nach Ausrufen von Artikel 50 den im Königreich lebenden EU-Ausländern binnen drei Monaten eine Garantie geben, dass ihr auf EU-Recht basierender Aufenthaltsstatus auch nach dem Brexit besteht. Eine Garantie, die May einseitig keinesfalls geben will. Denn die Residenzrechte der EU-Ausländer sind ein Pfand in ihrer Hand, den sie gegen die Zusicherung des Status der im EU-Ausland lebenden Briten eintauschen will.

Im jüngsten Änderungsantrag fordern die Lords nun, dass das Parlament am Ende des zweijährigen Ausstiegsprozesses "bedeutsame Mitsprache" bekommt. Will heißen: die Abgeordneten können die Regierung nach Brüssel zurückschicken, wenn sie vom Brexit-Deal nicht überzeugt sind. Zwar hat auch May dem "House" ein Votum zugesagt. Doch falls die Abgeordneten Mays Brexit nicht zustimmen, will sie mitnichten um weitere EU-Verhandlungen bitten. Stattdessen müssten die Abgeordneten die Verantwortung dafür tragen, dass Großbritannien auf den Status eines bloßen Drittstaats zurückfällt, der bis dahin vermutlich nicht einmal eine neu verhandelte WTO-Mitgliedschaft besitzt. Diese "Wahl" sei Erpressung, entrüsten sich viele Parlamentarier in Westminster.

Nach der zweiten Schlappe für die Regierung binnen einer Woche erklärte Brexit-Minister David Davis, die Regierung sei "enttäuscht". Das Gesetz habe "ein klares Ziel: das Referendumsergebnis umzusetzen und der Regierung zu erlauben und mit der Verhandlung für eine neue Partnerschaft mit der EU voranzukommen".

Nun richten sich wieder alle Augen auf das Unterhaus, wo die Regierung das Gesetz ohne Änderungsanträge in dritter Lesung durchzuboxen hofft. Das könnte Mitte der Woche bereits der Fall sein. Wenn sich nicht in letzter Sekunde eine überraschend große Zahl im Unterhaus auf die Seite der Lords schlägt.

Die Autorin ist Korrespondentin der Tageszeitung "Die Welt" in London.