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Parlamentarisches Profil : Die Realistische: Sabine Zimmermann

18.04.2017
2023-08-30T12:32:19.7200Z
3 Min

Wenn Sabine Zimmermann eines gelernt hat, dann, sich durchzusetzen. Als 17-Jährige tauchte die gebürtige Pasewalkerin in eine Männerdomäne ein: erst mit einer Ausbildung zur Anlagentechnikerin, danach als Baustofftechnologin in einer volkseigenen Ziegelei. "Dort musste man sich behaupten, man durfte nicht zimperlich sein", sagt die heute 56-Jährige. Das hat ihr Rückgrat verschafft und die Stärke, zu dem zu stehen, was sie für richtig hält. Auch, wenn das bedeutet, unbequeme Entscheidungen zu treffen. So war Zimmermann bis 2005 SPD-Mitglied, für die Partei auch kurzzeitig Abgeordnete im sächsischen Landtag - bis sie es wegen der Agenda 2010 nicht mehr aushielt. "Da sollte ich abends im Ortsverein das bejubeln, von dem ich tagsüber als Gewerkschafterin genau sehen konnte, dass es in eine völlig falsche Richtung ging", erinnert sich die Mutter zweier Kinder, "das ging für mich irgendwann nicht mehr." Zimmermann gab ihr Parteibuch zurück und trat zwei Jahre später in Die Linke ein.

Dort kämpft sie seither für eine faire Arbeitswelt. Denn mehr noch als auf ihre Standfestigkeit ist Zimmermann stolz darauf, durch die eigene Biographie ein eigenes Bild von der Arbeitswelt zu haben. Sie habe genau mitbekommen, was die Wende 1990 für viele Ostdeutsche bedeutet habe, deren Erwerbsbiographie damals einen harten Bruch erlitt, sagt sie. Und weil sie seit 1992 als Gewerkschaftssekretärin für den Deutschen Gewerkschaftsbund arbeitet, wisse sie "ziemlich genau", was auf dem Arbeitsmarkt schief laufe. "In meinen Sprechstunden habe ich sie vor mir: Die alleinerziehende Mutter, der gerade das Geld gestrichen und daraufhin der Strom abgedreht wurde, oder junge Leute, die sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln und die sich fragen, wie sie in solcher Unsicherheit eine Familie gründen sollen. Da weiß ich dann immer sehr genau, warum es nötig ist, für eine soziale Arbeitswelt zu kämpfen", erläutert Zimmermann.

Dass das im anstehenden Bundestagswahlkampf auch andere erkannt haben, hält sie für grundsätzlich richtig. "Es ist ja auch so, dass die hart arbeitende Mittelschicht, von der jetzt immer gesprochen wird, immer kleiner wird. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden Tarifverträge abgeschlossen, die den Leuten gutes Geld gesichert haben. Heute haben sie immer weniger Geld im Portemonnaie, weil es noch nicht einmal einen Inflationsausgleich gibt." Doch nur weil ein Thema für den Wahlkampf entdeckt werde, sei noch nichts getan. "Die SPD spricht jetzt wieder viel von sozialer Gerechtigkeit - aber was sie konkret tun will, sagt sie nicht", so ihre Kritik. Ihre Partei dagegen stehe für einen höheren Mindestlohn, höhere Hartz-IV-Regelsätze und eine bessere Sicherung im Alter.

Und für eine arbeitnehmerfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt. Zimmermann hält nicht viel von den wohlklingenden Worten, die das neue Arbeiten beschreiben: "Crowdworking oder Arbeit 4.0 - das sind doch letztlich Chiffren für schlimmste Ausbeutung. Wir haben inzwischen ein Heer an gut ausgebildeten Menschen, die ihre Arbeit vollkommen ungeregelt im Internet anbieten und sich, weil sie keine Lobby haben, auf schlechteste Bedingungen einlassen müssen. Da ist viel die Rede von Flexibilität - aber das ist Etikettenschwindel. Die Leute werden dort ganz häufig ausgequetscht wie die Zitronen.",

Seit 2005 sitzt Zimmermann für die Linkspartei in Bundestag und arbeitet im Arbeits- und Sozialausschuss mit. Sie leitet den Linke-Arbeitskreis Soziales, Gesundheit und Rente. Zimmermann sieht sich nicht als Politikerin, die sich neuen technischen Möglichkeiten verschließt. "Aber wir machen heute viel Politik mit Smartphone und Tablet und sind dabei sehr viel schneller in unseren Reaktionen geworden als früher - dieses Getriebensein ist nicht immer gut." Vor allem Politik per Twitter sieht sie kritisch, weshalb der Kurznachrichtendienst für sie nicht in Frage kommt: "Da werden Sachverhalte so plump dargestellt, dass vom Kern nichts übrig bleibt. Das ist eine Form der Entpolitisierung, die ich bei aller Wertschätzung der neuen Medien, nicht mitmache."