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FachkräftemangeL : Nicht nur ein Phantom

Es gibt Engpässe in einzelnen Berufsfeldern. Ein Regierungskonzept steuert dagegen

18.04.2017
2023-08-30T12:32:19.7200Z
3 Min

Mythos, Phantom oder gar eine schlichte Lüge - lange Zeit wurde heftig darüber gestritten, ob in Deutschland Fachkräfte fehlen oder ob in naher Zukunft ein Mangel an Arbeitskräften drohen könnte. Nach Jahren der Massenarbeitslosigkeit war die Wende am Arbeitsmarkt in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Dass es trotz Millionen Arbeitslosen hierzulande zugleich an qualifizierten Fachkräften fehlen könnte, wollte vielen Menschen nicht einleuchten. Manchen Arbeitsmarktforschern erschien die Klage der Unternehmen über fehlende Fachkräfte höchst übertrieben. Sie wiesen darauf hin, dass ein Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt nicht ungewöhnlich sei und der Markt über kurz oder lang dieses Problem durch Anpassungsprozesse selbst lösen werde.

Im Sommer 2011 erkannte die Bundesregierung den Fachkräftemangel als "die Herausforderung der nächsten Jahre" - so die damalige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Das Kabinett beschloss ein "Konzept zur Fachkräftesicherung". Der Plan der Regierung war es, das inländische und ausländische Fachkräftepotenzial besser auszuschöpfen: Frauen, Ältere und Zuwanderer sollten die immer größer werdende Fachkräftelücke schließen. Die Fortschritte werden seitdem regelmäßig überprüft.

Dazu gehört auch, den Bedarf an Fachkräften halbjährlich quasi amtlich zu erheben - durch die sogenannte Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit. Die Statistiker ermitteln, in welchen Berufen aktuelle Besetzungsschwierigkeiten auftreten und wie sich die Situation in den Ländern darstellt. Trotz des Konzepts der Bundesregierung wurde die Liste der Mangelberufe immer länger. Von einem flächendeckenden Fachkräftemangel in Deutschland will die Bundesagentur dennoch nicht sprechen. Es gebe jedoch Engpässe in einzelnen technischen Berufsfeldern sowie in einigen Gesundheits- und Pflegeberufen, heißt es in der jüngsten Analyse aus dem Dezember 2016.

Danach fehlen nicht nur Akademiker wie Ingenieure, Ärzte und Informatiker, sondern auch Lokführer, Kranken und Altenpfleger sowie diverse Techniker wie Klempner, Elektrotechniker und Heizungs- Klima- und Sanitärtechniker. Die Engpasssituation ist mittlerweile für Fachkräfte mit Berufsausbildung sogar angespannter als für Akademiker. Neue Berufe sind im Dezember hinzugekommen: So fehlen jetzt auch Experten in der IT-Anwenderberatung und Pharmazie, Physiotherapeuten, Friseurmeister und Fahrlehrer. Über alle Berufe hinweg ist die Vakanzzeit - die Zeit, in der eine Stelle unbesetzt bleibt - um zehn Tage auf 95 Tage gestiegen. Lokführer haben derzeit mit 167 Tagen unter allen technischen Berufen die längste Vakanzzeit.

Engpässe im Süden Neben den bundesweiten Engpässen zeigen sich auch in einzelnen Bundesländern regionale Engpässe ab, vor allem im Süden der Republik, in Bayern und Baden-Württemberg. Keine regionalen Engpässe sieht die Bundesagentur in Hamburg, Berlin, der Mehrzahl der ostdeutschen Bundesländer sowie in Nordrhein-Westfalen und im Saarland.

Mit dem demografischen Wandel dürfte das Problem noch zunehmen, so die Befürchtung der Bundesregierung, als sie das Fachkräftekonzept 2011 beschloss. "Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird das Erwerbspersonenpotenzial in den nächsten 15 Jahren um bis zu 6,5 Millionen schrumpfen", warnte Ministerin von der Leyen damals. So schlimm muss es aber nicht kommen. Die hohe Zahl an Zuwanderern in den letzten beiden Jahren, insbesondere der Flüchtlinge, war nicht vorherzusehen und ist in den alten Prognosen noch nicht enthalten. Gerade aus den jungen Flüchtlingen könnten nach einer Ausbildungsphase die "Fachkräfte von übermorgen" werden, hoffen Arbeitsmarktexperten.

Auch die Folgen des technischen Fortschritts, insbesondere der Digitalisierung, sind schwer abzuschätzen. An immer mehr Stellen werden Maschinen menschliche Arbeitskraft ersetzen, nicht nur einfache Tätigkeiten, sondern zunehmend auch anspruchsvolle Arbeiten: Pflegeroboter könnten den Fachkräftemangel an Altenpflegern beheben oder selbstfahrende Züge Lokführer überflüssig machen. Dies spricht dafür, dass der Effekt der Digitalisierung und eine gelungene Integration von Zuwanderern den Effekt der Demografie kompensieren könnten. Dann wäre der Fachkräftemangel in Zukunft wirklich nur ein Phantom.