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IM DETAIL : Das aufgeschnürte Gesetzespaket

Mehr Geld für Länder, mehr Mitsprache für den Bund. Unterhaltsvorschuss-Reform greift ab 1. Juli 2017

06.06.2017
2023-08-30T12:32:22.7200Z
5 Min

Mit dem Beschluss über die Gesetzentwürfe der Bundesregierung haben die Abgeordneten vergangene Woche eine grundlegende Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf den Weg gebracht. Dabei ging es auch um zahlreiche weitere Vorhaben, die während der Verhandlungen in die Entwürfe rutschten. Besonders aufmerksam verfolgte die Öffentlichkeit die Debatte um die vermeintliche Privatisierung der Autobahnen (siehe Text unten). Dabei standen noch weitere gewichtige Vorhaben auf dem Tableau, die im Bundestag intensiv in Anhörungen und Fachrunden diskutiert wurden. Ein Überblick der Pläne samt Änderungen im parlamentarischen Verfahren:

Das Herzstück Herzstück der Entwürfe ist die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen . Von diesem Teil der Entwürfe haben die Abgeordneten quasi die Finger gelassen. Damit werden ab 2020 der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne und der Umsatzsteuer-Vorwegausgleich wegfallen. Auch der Solidarpakt II, eine gesonderte Unterstützung für die ostdeutschen Bundesländer, ist dann Geschichte. Wesentliche Änderungen betreffen den Artikel 107 Grundgesetz sowie das Maßstäbe- und Finanzausgleichsgesetz.

Die unterschiedliche Finanzkraft der Länder wird ab 2020 zunächst bei der Verteilung der den Ländern zustehenden Anteile an der Umsatzsteuer durch Zu- und Abschläge angeglichen. Leistungsstarke Länder erhalten also weniger, als ihnen eigentlich zustünde. Zu- und Abschläge werden nach verschiedenen Kriterien berechnet, etwa unter Einbezug der Finanzkraft der Gemeinden, der aber bei 75 Prozent gedeckelt wird.

Danach ist der Bund am Zug: Mit allgemeinen Ergänzungszuweisungen erhalten leistungsschwächere Länder Mittel vom Bund, um ihre Finanzkraft weiter anzugleichen. Weitere sogenannte Sonderbedarfsergänzungszuweisungen erhalten dann Länder, deren Kommunen ganz besonders finanzschwach sind oder die im Vergleich unterdurchschnittliche Forschungsförderung vom Bund erhalten. Das Saarland und Bremen werden zudem Sanierungshilfen bekommen. Auch Länder mit Seehäfen werden nun unbefristet vom Bund unterstützt.

Die neue Regelung soll erst mal bis 2030 gelten. Danach können mindestens drei Länder, die Bundesregierung oder der Bundestag eine Neuverhandlung verlangen. Das Kündigungsrecht des Bundestags kam erst im Zuge des parlamentarischen Verfahrens hinzu. Die bestehenden Regelungen treten dann aber erst fünf Jahre später außer Kraft, sofern bis dahin keine neue Regelung verabschiedet worden ist. Ebenfalls auf Initiative der Koalitionsfraktionen wird nun ein jährlicher "Statusbericht" der Bundesregierung über den Finanzkraftausgleich festgeschrieben.

Insgesamt sollen in Folge der Reform bisherige Geberländer wie Bayern, Hessen und Baden-Württemberg besser und die Empfängerländer nicht schlechter gestellt werden. Der Bund wird ab 2020 mit rund 9,7 Milliarden Euro mehr belastet.

Mehr Kontrolle Im Gegenzug bekommt der Bund mehr Mitsprache- und Kontrollrechte. Die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes (BRH) werden im Grundgesetz auf Wunsch der Koalition über den Regierungsentwurf hinaus ausgeweitet. Der BRH darf demnach künftig nicht nur bei sogenannten Mischfinanzierungen prüfen, sondern ganz grundsätzlich auch dann, wenn der Bund Ländern Geld zur Verfügung stellt, um Bundesaufgaben wahrzunehmen, beziehungsweise Länder für ihre Aufgaben zweckgebundene Mittel aus dem Bundeshaushalt erhalten. Der Rechnungshof soll mit der grundgesetzlichen Regelung zudem rechtssicher auch außerhalb der Bundesverwaltung Informationen erheben und prüfen dürfen. Klagen gegen eine Prüfungsanordnung außerhalb der Bundesverwaltung haben zudem auf Koalitionsinitiative hin künftig keine aufschiebende Wirkung mehr. Gestärkt wird mit der Reform auch der Stabilitätsrat , der ab 2020 die Einhaltung der "Schuldenbremse" in Bund und Ländern kontrollieren wird.

Direkte Mitsprache wird dem Bund künftig bei Investitionshilfen auf Basis von Artikel 104b Grundgesetz eingeräumt. Hier haben die Koalitionsfraktionen ebenfalls nachgebessert. Der Bund soll demnach nicht nur Art und Bereich der Investition festlegen können, sondern kann im Einvernehmen mit den Ländern die Kriterien für die Programmgestaltung regeln.

Marode Schulen Konkrete Investitionen ermöglicht der Entwurf mit einem neuen Artikel 104c Grundgesetz. Demnach kann der Bund finanzschwachen Kommunen Mittel zur Schulsanierung zur Verfügung stellen. Dem stand bisher das sogenannte Kooperationsverbot im Bildungsbereich im Weg. Insgesamt 3,5 Milliarden Euro sind dafür per Nachtragshaushalt 2016 in den Kommunal-Investitionsförderungsfonds, einem Sondervermögen des Bundes, geflossen. Bei dem zugehörigen Gesetz haben die Koalitionsfraktionen konkretisiert, dass die Länder ihre finanzschwachen Gemeinden beziehungsweise bestimmte Gebiete in den Stadtstaaten im Einvernehmen mit dem Bund festzulegen haben. Der Programmzeitraum wird zudem um zwei Jahre bis 2022 verlängert, damit die Mittel auch abfließen können. Zudem soll es Kommunen unter Umständen möglich sein, in Ersatzbauten zu investieren. Förderfähig soll eine Maßnahme auch dann sein, wenn es um Barrierefreiheit geht.

Steuern steuern Im Bereich der Steuerverwaltung haben die Koalitionsfraktionen die Rolle des Bundes ebenfalls weiter gestärkt. Gegen fachliche Weisung beim Vollzug von Steuergesetzen können Länder künftig nur mit einer qualifizierten Mehrheit von elf Ländern widersprechen. Durch eine Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf wird zudem das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen, um Verbindlichkeit beim Steuervollzug herzustellen, im Artikel 108 Absatz 4 Grundgesetz ausgeweitet und umfasst nicht nur den Bereich der Informationstechnik. Die eigentlich als Verordnung geplante Zusammenarbeit in der Steuer-IT zwischen Bund und Ländern wird nach Willen der Koalitionsfraktionen einfachgesetzlich als Konsens-Gesetz verankert.

Digitale Verwaltung Um die Digitalisierung der Verwaltung zu beschleunigen, soll ein zentrales Bürgerportal eingerichtet werden. Bürger können hier künftig auch Dienstleistungen von Ländern und Kommunen online in Anspruch nehmen. Die Koalitionsfraktionen haben im parlamentarischen Verfahren Änderungen am neuen Onlinezugangsgesetz durchgesetzt. Der Bundesrat wird demnach bei bestimmten Verordnungen zur elektronischen Abwicklung von Verwaltungsverfahren sowie zu Kommunikationsstandards nicht zustimmungspflichtig sein.

Unterhalt Eine sozialpolitische Note erhalten die Gesetzespakete mit der Reform des Unterhaltsvorschusses. Dieser wird Alleinerziehenden vom Staat gewährt, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil, in der Regel sind es die Väter, seiner Pflicht nicht nachkommt. Bisher war der Bezug des Vorschusses auf 72 Monate begrenzt. Zudem galt eine Höchstaltersgrenze von zwölf Jahren. Beides wird nun aufgehoben. Die Koalitionsfraktionen haben dabei das Unterhaltsvorschussgesetz um die Vorschläge des Bundesrates ergänzt, die auf eine Einigung von Bund und Ländern aus dem Januar 2017 zurückgehen. Für Unterhaltsvorschusszahlungen an Kinder ab dem zwölften Lebensjahr gelten besondere Regelungen in Hinblick auf einen parallelen Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Der Unterhaltsvorschuss fließt dann, wenn das Kind nicht auf SGB-II-Mittel angewiesen ist oder wenn der alleinerziehende Elternteil im SGB II-Bezug ein Einkommen von mindestens 600 Euro brutto erzielt. Der Unterhaltsvorschuss für Kinder zwischen zwölf und 18 Jahren soll laut Bundesfamilienministerium 268 Euro monatlich betragen. Gelten sollen die Regelungen zum Unterhaltsvorschuss ab dem 1. Juli 2017.

Haushaltsrecht Änderungen gibt es zudem im Haushaltsgrundsätzegesetz und der Bundeshaushaltsordnung. Anpassungen in diesem Bereich betreffen etwa vergaberechtliche Regelungen unterhalb des EU-Schwellenwertes . Zudem werden der Bundesbeauftragen für Datenschutz und die Informationsfreiheit Sonderrechte für die Behandlung ihrer Haushaltsvorlagen eingeräumt.

Die Altersgrenzen für die Berufung von Beamten in das Beamten- oder Soldatenverhältnis beziehungsweise für die Versetzung von Beamten in den Bundesdienst wird jetzt in der Bundeshaushaltsordnung gesetzlich festgeschrieben. Die allgemeine Altersgrenze liegt bei 50 Jahren mit Möglichkeiten zur Abweichungen nach oben in bestimmten Fällen. Für den Polizeivollzugdienst des Bundes und für Soldaten liegt die Altersgrenze bei 40 Jahren. scr